Die besten Horrorfilme der 2000er Jahre

Nach den besten Fantasyfilmen des Jahrzehnts bleiben wir noch kurz im phantastischen Bereich. Grusel- und horrortechnisch ist so manches passiert in der letzten Dekade. Es gab eine ausufernde Zombie-Widergeburt, einen unglaublichen Hype um das asiatische Gruselkino (das diesen Artikel auch wie eine Welle überfluten wird), eine strukturell interessante Horror Nouvelle Vague aus Frankreich und die Ankunft des Splatter, Gore und Midnightmovies im Mainstreamkino. Folgerichtig erlebte der Horrorfilm einen wahren Boom, ein Hoch an Zuschauerzahlen, das man seit der verebbenden Slasher-Welle nicht mehr für möglich gehalten hatte und eine ganze Riege an erstklassigen, zweitklassigen und leider auch drittklassigen Filmen. Unsere Highlights des Spuk- und Blutoverkills wollen wir euch an dieser Stelle nicht vorenthalten.

Martyrs [Pascal Laugier]

(Frankreich 2008)

Und damit geht es auch gleich ans Eingemachte. Wenn ein Film zu schocken vermochte, dann war es der französische Genredekonstruktivist Martyrs von Pascal Laugier. In dem packenden Crossover aus Revengethriller, Psychohorror und Tortureporn wird das Genre ganz sachte durch den Fleischwolf gedreht. Sinn gibt es in diesem brutalen Schocker nicht zu finden, dafür aber grauenhafte Traumata, eiskalte Mordszenarien, wiederkehrende Monster aus der Vergangenheit und ein trostloses, verzweifelt verzweifelndes Szneario. Martyrs geht ans Eingemachte, ist schmerzhaft akribisch, sadistisch und durch und durch bösartig. Ein Film der Schmerzensgrenzen auslotet und überschreitet, der sich nicht am Leiden weidet, sondern das Leiden selbst ist, und in letzter Konsequenz dessen Sinnlosigkeit offenbart.

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The Descent [Neil Marshall]

(Großbritannien, 2005)

Monster-Horror ist ja schon seit den 80er Jahren ziemlich out, und die meisten Filme aus dieser Genre-Ecke gelangen meistens gerade mal als direct-to-DVD-Produktionen in die B-Film-Hinterzimmer großer Bibliotheken. The Descent – Abgrund des Grauens ist anders: das liegt daran, dass die sattsam bekannte Was lauert da im Dunkeln? Thematik durch feine psychologische Nuancen und surreale (Alp)Traum-Sequenzen erweitert wird. Das Spiel mit der Ungewissheit, Desorientierung und Blindheit – sowohl der Protagonisten als auch des Zuschauers – weiß lange Zeit zu fesseln und eine bedrohliche Spannung aufzubauen. Dadurch wird das, was im Dunkeln lauert, letzten Endes beinahe zum Nebenschauplatz degradiert. Ein Umstand, der diesem faszinierenden Höhlen-Horrortrip nur zu Gute kommt.

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Audition [Takashi Miike]

(Japan, 1999)

Und damit kommen wir auch gleich zu der angekündigten Welle asiatischer Filme. Gerade noch in die 00er hat es der zur Jahrtausenwende veröffentlichte Audition vom japanischen Extrem-Regisseur Takashi Miike geschafft. Was als ruhig erzähltes Melodram über Einsamkeit in der postmodernen Gesellschaft beginnt, entwickelt sich sukzessive zu einer absurden Tour de Force in menschliche Abgründe, pechschwarze Szenarien und blutrünstige Folterorgien. Der unkonventionelle Erzählstil Miikes zwischen Alptraum und Wirklichkeit zieht die Daumenschrauben langsam aber gnadenlos an und lässt einen zermarterten Zuschauer zurück.

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Strange Circus [Sion Sono]

(Japan, 2005)

Ähnlich provokant und verstörend wie Takashi Miike arbeitet auch dessen Landsmann Sion Sono.  In dem düsteren Mystery-Horrordrama Strange Circus steht auch das Thema der Schuld und Sühne im Mittelpunkt. Mehr noch als bei Miike vermischen sich in dem wunderschön und zugleich grauenhaft grotesk bebilderten Film Realität und Phantasie, Traum und Alptraum, Gegenwart und Vergangenheit. Das Ergebnis ist ebenso fragil wie bissig, abartig, rauschhaft, hypnotisierend und in seiner bitterbösen Konsequenz zutiefst schockierend, ja sogar verletzend.

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A tale of two sisters [Kim Ji-woon]

(Südkorea, 2003)

Ähnlich surreal und kryptisch ist der südkoreanische „A tale of two sisters“. In dem Horrordrama von Kim Ji-woon steht allerdings weniger das blanke Entsetzen im Vordergrund als viel mehr ein furchteinflößendes Familiengeheimnis. Entsprechend bedächtig wird die Geistergeschichte um Schuld, Sühne und Verdrängung erzählt, geizt aber dennoch an den richtigen Stellen nicht mit expliziten Schockeffekten. Und allein schon die hermetisch erzählte, bedrückende Geschichte nach einer alten Sage dürfte so manche schlaflose Nacht garantieren. Das amerikanische Remake von 2009 wird diesem Meisterwerk im Übrigen nicht im Geringsten gerecht und darf, ohne dass man große Schuldgefühle haben muss, ignoriert und vergessen werden.

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The Ring [Gore Verbinski]

(USA, 2002)

Ein Remake, das nicht ignoriert und vergessen werden sollte, ist ausgerechnet der Film, der die Welle von Asia-Remakes für den amerikanischen Markt erst richtig losgetreten hat. Gore Verbinskis „The Ring“ ist einer der Hauptverursacher grauenhaft schlechter US-Spukplagiate wie „The Grudge“. Vorwerfen kann man dies dem Film allerdings nichts. Denn hier wurde nicht nur alles richtig gemacht, mit seinem knackigen Erzählstil, den effektiv eingesetzten Schocks und der unheimlichen Atmosphäre ist der Multimedia-Spuk gar noch einen guten Zacken besser als das Original. Selbst die US-Fortsetzung vermag durchaus eigene Akzente zu setzen. Vielleicht nicht die schillerndsten Sterne am 00er Horrorhimmel, aber mit Sicherheit mit die Effektivsten, wenn es um wohligen, alptraumerzeugenden Grusel geht.

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Pulse / Kairo [Kiyoshi Kurosawa]

(Japan, 2001)

Ein gelungenes Remake war Pulse von Kiyoshi Kurosawa leider nicht gegönnt, weswegen wir über den gleichnamigen US-Film von 2006 lieber gleich den Mantel des Schweigens hüllen. Macht aber nichts, denn das Original ist ein surrealer Alptraum, der keine Konvertierung für westliche Sehgewohnheiten benötigt. Irgendwo zwischen postmoderner Vereinsamungsparabel, Multimedia-Alptraum und apokalyptischer Horrorvision entfesselt Kairo (so der Originaltitel) in seiner ruhigen Erzählweise einen hypnotischen Sog des Grauens, dem sich der Zuschauer kaum entziehen kann. Was genau vorgeht? Man weiß es nicht: Aber man hat Angst. Angst vor der Einsamkeit, Angst vor der Auslöschung, Angst vor dem schwarzen Grauen, das Tokio wie eine unheimliche Seuche überzieht.

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Uzumaki [Higuchinsky]

(Japan, 2000)

Und ein letztes Mal mysteriöser Horror der feinsten japanischen Art. In der Manga-Verfilmung Uzumaki steht eine unklare, dennoch tötliche Bedrohung durch Spiralen im Mittelpunkt. Eine Kleinstadt wird nach und nach von grauenhaften Ereignissen überrannt, die auf dem schrecklichen Geheimnis einer alten Legende fußen und zahlreiche Todesopfer fordern. Was genau passiert bleibt weitestgehend unklar und wird nur in Bruchstücken offenbart, aber das Ergebnis ist beängstigend, verstörend, barbarisch und grotesk. Uzumaki tönt fast wie ein Lobgesang auf die Macht der Dunkelheit und des Bösen an und für sich und ist damit bestens dazu geeignet schlaflose Nächte zu produzieren.

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28 days later/ 28 weeks later [Danny Boyle / Juan Carlos Fresnadillo]

(Großbritannien, 2002/2007)

Handfester als bei den surrealen asiatischen Spukgeschichten geht es bei den reanimierten Zombiefilmen zu. Die apokalyptischen, kannibalistischen Massenunruhen – in der Tradition George A. Romeros – setzen vor allem auf Blut, Blut und noch mehr Blut. Dazu werden geschickt Urängste wie Agoraphobie und Klaustrophobie bedient. Ausgerechnet der Initiator dieser 00er Zombiewelle „28 days later“ verzichtet darauf aus seinen Infizierten Zombies zu machen. Stattdessen ist ein unbekannter Virus für die Massenepidemie verantwortlich, die sich darin äußert, dass Menschen zu wilden Bestien werden. Sowohl der erste Teil als auch der (zu Unrecht von der Kritik abgeurteilte) Nachfolger „28 weeks later“ sind hervorragende Genrebastarde zwischen Zombiehorror und apokalyptischem Szenario. Dabei begeistern nicht nur die hervorragend in Szene gesetzten Untoten Kranken, sondern auch die unheimliche Stille vor dem Sturm: Verlassene Straßen, ein ausgestorbenes (bzw. im Sequel wiederzubesiedelndes) London und die ständige Furcht vor dem, was hinter jeder Straßenecke lauern kann. Das ganze verstärkt durch die hervorragende Kameraarbeit und den passenden, verstörenden Postrockscore. Genretypisch hinzu kommt noch eine deftige Gesellschaftskritik am Militarismus, dem blinden Kampf gegen den Terror und an der Ohnmacht des Staates und der Gesellschaft angesichts einer unbekannten Bedrohung. Und Voilà, schon hat man eine zeitgemäße, spannende und actionreiche Neuinszenierung eines vermeintlich angestaubten Themas.

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28 days later haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

JETZT REINHÖREN

Dawn of the Dead [Zack Snyder]

(USA, 2004)

Neben dem britischen Infektionshorror gab es auch so manchen echten Zombie-Film zu sehen. Hervor sticht aus diesen ausgerechnet ein Quasi-Remake von George A. Romeros Klassiker Dawn of the Dead. Quasi-Remake, da der Film von Zack Snyder neben der Disposition (Zombies überrennen die Menschheit), dem Hauptschauplatz (Shopping Center) und dem Titel nicht viel mit dem Original gemein hat. Stattdessen ist die US-Zombieinvasion von 2004 ein schwarzhumoriger, actionreicher, Gore- und Splatterhorror, in dem zahlreich die Köpfe explodieren und literweise Blut durch die Gegend spritzt. Trotz der fehlenden satirischen Note und des fehlenden Tiefgangs, den das Original auszeichnete, bietet Dawn of the Dead flotte, spannende und sich nie allzu ernst nehmende Horrorunterhaltung und viel blutiges Vergnügen mit einem dicken Augenzwinkern. Man kann hier Snyder durchaus vorwerfen, dass er seine Vorlage verflachen lässt, sie mit Füßen tritt oder schlicht und ergreifend nicht verstanden hat. Damit schüttelt er aber mal so eben eine herrlich rüpelhafte Mischung aus B-Movie, Blockbuster und klassischem Zombie-Flick aus dem Ärmel, die fast schon prototypisch für die Stärken und Schwächen der Zombiewelle des 21. Jahrhunderts stehen kann

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Antichrist [Lars von Trier]

(Dänemark, 2009)

Ein Augenzwinkern hat Lars von Triers Antichrist nicht zu bieten. Ganz im Gegenteil; hier wird alles ernst genommen: Das dunkelschwarze Sujet, die Depressionen des Regisseurs, der mythologische Hintergrund… Von Trier erzählt die trost- und hoffnungslose Geschichte eines Paares, das in den abgeschiedenen Wäldern Ängste überwinden will, aber in der Natur nur das Grauen findet. Antichrist ist pompös, pathetisch, suhlt sich in seiner eigenen Verderbtheit und kann auch wahlweise als zynisch, misogyn oder gleich komplett misanthropisch bezeichnet werden. Er ist ein kontroverser, brutaler und schmerzhafter Film, irgendwo zwischen psychoanalytischem Symbolismus, parabolischer Erzählung und blankem Horrorwahn. Ein Film der schockieren, erzürnen und verletzen will, und ein Film der es verdient, so ernst genommen zu werden, wie er sich selbst nimmt.

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Shadow of the vampire [E. Elias Merhige]

(Großbritannien 2000)

Vom Ernst zurück zum Augenzwinkern. Der von Nicolas Cage produzierte Shadow of the Vampire ist eine Hommage an Murnaus UFA-Klassiker „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ (1922) und insbesondere eine Verbeugung vor der damaligen Schauspielleistung Max Schrecks (der hier kongenial von Willem Dafoe verkörpert wird). Der Metafilm zeigt die Dreharbeiten zu dem Vampirklassiker und widmet dabei seine besondere Aufmerksamkeit dem Schauspieler Schreck, der den untoten Grafen verkörpert. Dieser geht in seiner Rolle nicht nur auf, sondern lebt sie im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist für Schreck nicht das geringste Problem, ist er doch, wie sich im Laufe des Films herausstellt, selbst ein Vampir und wird zudem noch von Murnau mit dem Blut junger Schauspielerinnen bezahlt. Ein nostalgischer und zugleich unheimlicher Meta-Film und ein gelungener Horrortrip zu den Anfängen des Genres.

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So finster die Nacht [Tomas Alfredson]

(Schweden, 2008)

Um Vampirismus geht es auch in Tomas Alfredsons schwedischem Horrordrama „So finster die Nacht“ (Låt den rätte komma in). Fernab von jeglichem Twilight-Kitsch wird die Teenagerfreundschaft eines Außenseiters zu einem blutsaugenden Mädchen erzählt. Das zurückhaltende Vampirdrama pendelt dabei ständig zwischen Entzücken und Erschrecken und fühlt sich sowohl als anrührendes Drama als auch als blutiger Gruselfilm sichtlich wohl. Hinzu kommt die hervorragende trostlose atmosphäre des winterlichen Stockholm, die einen Großteil dazu beiträgt, die Romanverfilmung zum besten Blutsaugerstreifen des vergangenen Jahrzehnts werden zu lassen.

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