Die besten Liebesfilme der 2000er Jahre

Nachdem hier vor kurzem die cineastische Erotik und Sexualität des letzten Jahrzehnts kanonisiert wurde, steht in diesem Artikel deren kleiner Bruder (oder große Schwester) im Mittelpunkt. Liebesfilme gab es viele in diesem Jahrzehnt. Und Gott sei Dank neben den aufgewärmten Tom Hanks und Meg Ryan Beziehungskisten auch Filme, die abseits abgedroschener Kitsch und Schnulz-Pfade zu begeistern wussten. Dabei war vor allem Europa (und insbesondere Frankreich) bei den schönsten Romanzen ganz vorne mit dabei. Dort zeigt sich ein positiver Trend, die Themen Liebe und Romantik nicht in banale Comedy-Form zu verpacken (Das Genre der „Romantischen Komödie“ hat so einige Leichen im Keller) sondern diese zum natürlichen Mittelpunkt der jeweiligen Filme zu machen. Aber auch das US-Independentkino hatte in den 00ern einige schmackhafte Romanzen im Gepäck. Hier nun also unsere Top 12 der besten Liebesfilme des vergangenen cineastischen Jahrzehnts…

Lost in Translation [Sofia Coppola]

(USA, Japan 2003)

Verloren im übervollen Tokio treffen die beiden Amerikaner Bob und Charlotte aufeinander und werden zu Freunden… Lost in Translation ist ein wunderbarer, lakonischer und dennoch warmherziger Film, in dessen Laufzeit die Grenzen von Liebe und Freundschaft ganz allmählich miteinander verschwimmen. Dabei sind es gerade die Unaufgeregtheit und der trockene Humor, die Lost in Translation zu einem der herzergreifendsten Filme des Jahrzehnts werden lassen. Eine leichtfüßige, melancholische Tragikomödie, die weder Pathos noch Theatralik benötigt, um zu verzaubern und zu entzücken.

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2046 [Wong Kar-Wai]

(China, Hongkong 2004)

Die Quasi-Fortsetzung von Wong Kar-Wais „In the mood for love“ ist ein spezieller, ganz besonderer Film geworden. Lose verknüpft er alltägliche Episoden mit fiktiven Erzählungen und fantastischen Träumen, ebenso wie er lose Affären, Beziehungen und Liebschaften mit der Suche nach der ewigen Liebe verknüpft. Dabei zollt er seinem Sujet den höchsten Respekt, etabliert Romantik abseits  abgedroschener Pfade und entdeckt Liebe dort, wo sie nicht vermutet wird. 2046 ist ein komplizierter, verschachtelter und hermetischer Film, ein Film, dem seine Atmosphäre wichtiger ist als eine stringente Handlung, aber auch ein hochästhetischer, bezaubernder, trauriger Film, der abseits gängiger Konventionen die Romantik in den vielfältigsten Formen und Farben erstrahlen lässt. Ein bombastisches, komplexes Kaleidoskop der Hongkonger Gesellschaft und eine tiefgehende Suche nach der Metaphysik der Liebe, irgendwo zwischen Fantasy, Romanze, abstraktem Symbolismus, Science Fiction und Liebespanorama.

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Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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Chanson d’amour (Quand j’étais chanteur) [Xavier Giannoli]

(Frankreich 2006)

Eine Liebeskomödie mit einem abgehalfterten Schlagerstar, verkörpert von Gerard Dépardieu? Das kann doch nur in die Hose gehen? Keineswegs. In der leichtfüßigen, französischen Tragikomödie Quand j’étais chanteur werden geschickt alle dramatischen Klippen und Klischeeabgründe umfahren. Stattdessen gibt es Anrührendes, Herzerwärmendes, Musikalisches und manches mal auch einfach nur hoffnungslos naiv Romantisches. Ein Liebesfilm, der in seinem klar abgegrenzten Kosmos wunderbar funktioniert und eine vermeintlich ungleiche Paarung überzeugend, nachvollziehbar und authentisch rüberbringt. Garniert mit einer ordentlichen Brise unaufdringlichen Humors und viel französischer Chanson-Romantik.

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Garden State [Zach Braff]

(USA 2004)

Zwischen Absurdität und Schönheit pendelt die romantische Indiekomödie Garden State von Zach Braff. Das skurrile, warmherzige Regiedebüt des Scrubs-Hauptdarstellers handelt von einem neurotischen Sonderling, der wegen des Todes seiner Mutter zurück in seine alte Heimatstadt fährt. Dort lernt er die bezaubernde Sam (Natalie Portman) kennen und verliebt sich in sie. Garden State bewegt sich geschickt zwischen Tragikomödie und Liebesfilm, widmet sich mit viel Herzenswärme der Romanze seiner beiden Protagonisten, vergisst dabei aber nicht ein humorvolles Panorama der verschiedensten skurrilen Persönlichkeiten amerikanischer Kleinstädte zu entwerfen. Eine herzerwärmende  Mischung aus Feel Good Movie, Dramödie und verzauberndem Independent-Kino.

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Heaven [Tom Tykwer]

(Deutschland 2001)

Von der leichtfüßigkeit zurück zur Schwermut. Tom Tykwers Heaven beginnt wie ein tragisches Krimimelodram und entwickelt sich sachte zur humanistischen Liebesparabel. Eine Frau, die ein schreckliches Verbrechen begangen hat, ein Polizist, der sie aus dem Gefängnis befreit und eine gemeinsame Flucht ins Unbekannte. Dort finden sie schließlich – wenn auch nur für kurze Zeit – ihr ganz persönliches, fragiles Paradies. Heaven ist ein mit ethischen Subtexten vollgepacktes Liebesmelodram, eingetaucht in wunderschöne Bilder und mit einem harten Bruch zwischen der dunklen Realität und dem irrealen, namengebenden Himmel ausgestattet. Ein ungewöhnliches, mitunter auch sprödes Drama und eine emotionale Zerreißprobe in jederlei Hinsicht. Vielleicht sogar der beste Film dieses großartigen Regisseurs.

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Non Ti Muovere [Sergio Castellitto]

(Italien 2004)

Ebenfalls um weitaus mehr als ’nur‘ Liebe geht es in dem italienischen Sozialdrama Non Ti Muovere (in Deutschland unter dem Titel „Don’t move“ veröffentlicht). Die ungleiche, von Gewalt, Leidenschaft aber auch Liebe gekennzeichnete Beziehung zwischen einem High Society Chirurgen und einer Frau aus der Unterschicht (Penelope Cruz) ist keine leichte Kost für einen romantischen Filmabend. Stattdessen besticht der Film durch eine verschachtelte Erzählweise, ambivalente Charaktere und philosophische sowie sozialkritische Themen. Sensibel, aufrüttelnd und poetisch zugleich ist er mit Sicherheit kein Dating Film, dafür aber umso mehr ein tiefer Blick in die Seele eines Menschen und die Abgründe einer bigotten Gesellschaft.

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Chocolat [Lasse Hallström]

(Großbritannien 2000)

Der Inbegriff eines Dating Films dagegen ist die bezaubernde Romanze Chocolat mit Johnny Depp und Juliette Binoche. Die romantische Komödie nach einem Roman von Joanne Harris (mit dem selten dämlichen deutschen Untertitel „Liebe auf den ersten Biss“) ist ein Manifest des Genusses, der Liebe, des Lebens und zudem ein Lobgesang auf die süßeste Verführung, die es auf dieser Welt zu finden gibt.  Binoche verzaubert als eigensinnige Chocolatier, Johnny Depp besticht als ruheloser Zigeuner und beide zusammen geben eine fantastische Paarung ab. Dabei ist der herrlich unzeitgemäße Film (der in den 50ern spielt) ein entzückendes Plädoyer für Toleranz und die weltliche Sinnlichkeit.

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Malen oder Lieben [Arnaud Larrieu, Jean-Marie Larrieu]

(Frankreich 2005)

Auch die französische Tragikomödie „Malen oder Lieben“ stellt ein einmaliges Manifest für die Sinnlichkeit dar. Der angenehm leichtfüßigen Zwitter aus Erotik- und Liebesfilm handelt von einem gut situierten bildungsbürgerlichen Paar, das aus seiner wohlgeordneten Welt herausgerissen und mit dem sinnlicher Laster und der erotischen Verführung konfrontiert wird. Dabei behandelt der spitzbübige, sinnliche Film das Thema „Liebe im Alter“ ohne falsche Scham und Bescheidenheit und zeigt auf angenehm lakonische Weise, wieviel Leidenschaft in jeder noch so festgefahrenen Beziehung stecken kann, wenn sie denn nur freigekitzelt wird. Dankenswerterweise ohne jeden aufgesetzten Pathos, ohne jede übertriebene Dramatik. Eine wahre Perle für den frankophilen Cineasten.

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Wolke Neun [Andreas Dresen]

(Deutschland 2008)

Ein ähnliches Thema hat auch Andreas Dresen „Wolke 9“ im Gepäck, der dank des plumpen Politdramas „Der Baader.Meinhof-Komplex“ keine Chance bekam sich bei der Oscarverleihung 2008 als potentieller bester ausländischer Film zu präsentieren. Das ist mehr als unverdient, erzählt dieser doch sowohl auf sensible als auch akribische Weise die Geschichte einer entflammenden Liebe jenseits der 70. Dabei verzichtet der ergreifende Film auf jede Prüderie, macht seine Sexszenen aber nie zum Zentrum, sondern widmet seine gesamte Aufmerksamkeit dem Befinden aller Protagonisten. Heraus kommt ein starkes, fesselndes Liebesdrama, dem die Gratwanderung zwischen akkuter Leidenschaft und tiefergehender Zusammengehörigkeit perfekt gelingt. Einer der schönsten deutschen Filme des letzten Jahrzehnts und ein großes Plädoyer für die Kraft der Leidenschaft und die Romantik, die sich hinter wildem Begehren verstecken kann.

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Man muss mich nicht lieben [Stéphane Brizé]

(Frankreich 2005)

Die Geschichte um einen kauzigen, einsamen 50jährigen Gerichtsvollzieher, der sich beim Tangokurs in seine weitaus jüngere Tanzpartnerin verliebt, ist französisches Kino par excellenze. Subtil und lakonisch erzählt der unaufgeregte, undramatische Film die Geschichte einer vollkommen gewöhnlich ungewöhnlichen Liebe. Dabei menschelt und herzt es an allen Ecken und Enden. Der ruhige Grundtenor der Erzählung und die bravouröse, natürliche Darstellung der Protagonisten macht „Man muss mich nicht zu lieben“ zu einem herzerwärmenden Stück Kino, das vollkommen ohne Pathos und Hollywood-Kitsch auskommt. Stattdessen trumpft er mit trockenem Charme, einer unaufgeregten Dramaturgie und viel authentischen Gefühlswelten auf. Hier ist der Name keineswegs Programm: Ein Film, den man einfach lieben muss!

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Lars und die Frauen [Craig Gillespie]

(USA 2007)

Eine tatsächlich ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt die Tragikomödie „Lars und die Frauen“, in der der einsame Protagonist eine Sexpuppe zu seiner imaginären Freundin erklärt. Die behutsam geschilderte Wahnvorstellung verzichtet vollkommen auf alberne Gags und billige Anzüglichkeiten und ist stattdessen ein ergreifendes Plädoyer für Zusammenhalt und Solidarität. Das Objektfetischismus hier nicht im Mittelpunkt steht, wird dann schließlich an der sich zurückhaltend entwickelnden Liebesgeschichte des kauzigen Protagonisten zu einer reellen Frau deutlich. Auch hier verzichtet der amerikanische Film auf jede Plakativität und Reißbrettdramaturgie und bleibt stets authentisch und einfühlsam. Allein schon wegen Ryan Gosling – der hier, kurz bevor er zum Sexsymbol avancieren sollte seine sowohl am wenigsten attraktive als auch liebenswerteste Performance abliefert – sehenswert.

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I´m a Cyborg, But That`s OK  [Chan-Wook Park]

(Südkorea 2006)

Alles andere als gewöhnlich ist auch Chan-Wook Parks Science Fiction Psychostudie Romanzen Mashup „I´m a Cyborg, But That`s OK“. Park, der zuvor eher durch knallharte düstere Thriller – insbesondere seine Revenge Trilogie – in Erscheinung getreten ist, zaubert hier eine ganz und gar ungewöhnliche, sich oft im Traumhaften, Wahnhaften und Surrealen verlierende Liebesbotschaft, die sich zwischen schrägen Pastelltönen und düsteren Persönlichkeitsentgleisungen verbirgt. Die Botschaft ist simpel: Liebe bedeutet, jemanden so zu akzeptieren, wie er ist. Und doch zündet sie hier – im wahrsten Sinne des Wortes – mit so viel Verve, so viel Kraft und so viel bizarrem Charme, dass der Zuschauer jederzeit bereit ist, sie in ihrer vollen Naivität und Eindimensionalität zu umarmen. Ein großartiges Psychomärchen, manchmal kalt, manchmal absurd, aber immer mit dem Herzen am rechten Fleck und weit entfernt von der üblichen Romantik-Einheitsware.

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Erstveröffentlichung des Textes: 2011

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