Die besten Animationsfilme der 2000er Jahre

Nachdem wir letzte Woche dem klassischen Zeichentrick unsere Aufmerksamkeit gewidmet haben, werfen wir nun einen kleinen Blick auf die besten Animationsfilme des Jahrzehnts. Hierbei handelt sich – im Gegensatz zu den Trickfilmen – fast ausschließlich um Familenunterhaltung, hauptsächlich von einer  bestimmten Produktionsschmiede mit P. Aber es gibt auch den ein oder anderen düsteren, erwachsenen, schrägen Ausreißer. Genretechnisch geht es ohnehin bunt zu: Science Fiction, Fantasy, Abenteuer, Parodien… von allem etwas. Meist am Computer entstanden, jedoch mit einigen rotoskopischen, knetgeformten, Stop-Motion-Animierten Ausnahmen… Well on. Die besten Animationsfilme, direkt nach dem Break…

Shrek [Andrew Adamson, Vicky Jenson]

(USA 2001)

Beginnen wir mit einem Film, der die Animationsstandards zu Beginn des Jahrzehnts erst einmal ziemlich hochgeschraubt hat. Dreamworks Shrek ist sowohl was Technik als auch Dramaturgie und Humor betrifft ein Meisterwerk und mittlerweile längst zum Trickfilmklassiker geworden. Das Anti-Märchen um den zynischen grünen Oger, den nervtötenden Esel und die im Nahkampf geübte Prinzessin nimmt sich all das vor, was klassische Märchen und Disneyfilme auszeichnet und dreht es gehörig durch den Reißwolf. Heraus kommt ein urkomischer Fantasytrip, vollgepackt mit popkulturellen Zitaten, nicht mit bissigen satirischen Spitzen geizend und dennoch immer spannend und mitreißend. Die perfekte Unterhaltung für groß, klein und alles dazwischen.

Final Fantasy [Hironobu Sakaguchi]

(Japan 2001)

Wo Shrek dramaturgische, narrative und inszenatorische Standards setzte, war Final Fantasy – The Spirits within vor allem ein technischer Meilenstein. Daher soll er hier auch – trotz einiger storytechnischer Defizite – nicht vergessen werden. Nie zuvor hatte man derart realistische, überzeugende Animationen gesehen. Die Verantwortlichen bei Square leisteten ganz Arbeit um die animierten Menschen so lebendig wie möglich, die postapokalyptischen, intergalaktischen Landschaften so beeindruckend wie nie zuvor zu gestalten. Und das merkt man auch heute noch. Trotz computertechnischem Methusalemalter ist Final Fantasy nach wie vor eine Augenweide, ein fantastischer Science Fiction Bilderrausch, ein Versprechen von dem, was am Computer alles möglich sein kann. Beileibe kein filmisches Meisterwerk, aber dennoch ein ästhetischer, technischer Meilenstein, an dem der Animationsliebhaber nicht vorbeikommt.

Ratatouille [Brad Bird, Jan Pinkava]

(USA 2007)

Der Star am Animationshimmel waren jedoch weder Dreamworks (die ihren Shrek-Erfolg leider nicht wiederholen konnten) noch Square, sondern die umtriebige Trickfilmschmiede Pixar. Ratatouille erzählt ungemein anrührend die Geschichte der kleinen, ungewöhnlich intelligenten Ratte Rémy, die es in eine Pariser Küche verschlägt. Dort hilft der kulinarisch begabte Nager dem tollpatschigen Nachwuchskoch Linguini Gerichte zu zaubern, die ganz Frankreich in Aufruhr versetzen. Das oscarprämierte Märchen Ratatouille ist unheimlich liebenswert, steckt voller Herzenswärme und ist ein wunderschönes Manifest für Kultiviertheit und Geschmack. Ebenso wie Shrek ein Festmahl für kleine und große Kinobesucher.

Wallace & Gromit: Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen [Nick Park, Steve Box]

(Großbritannien 2005)

Die gute alte Knetmassenanimation… Was wäre die Trickfilmwelt nur ohne sie? Nach beachtlichen Kurzfilmauftritten ist die Jagd nach dem Riesenkaninchen der erste waschechte Langfilmauftritt des exzentrischen Erfinders Wallace und seines stoischen, stummen Hundes Gromit. Die detaillverliebt animierte und aufwendig gestaltete Geschichte um ein Werkaninchen und die Bedrohung der heilen Gartenwelt unserer Protagonisten steckt voller liebenswerter Schauwerte, geizt nicht mit zahllosen filmischen Reminiszenzen und ist zugleich ein spannendes, lustiges und unterhaltsames Abenteuer. Alles andere als State of the Art und gerade dadurch ungemein charmant, mitreißend, wunderbar wehmütig und von hohem dramaturgischen und ästhetischen Wert.

Chicken Run [Peter Lord, Nick Park]

(Großbritannien 2000)

Vom selben Team stammt auch der herrlich verrückte Ausbruchs-Film „Chicken Run“. Ebenso wie Wallace & Gromit mit einem perfekten Auge für Details und kleine Feinheiten animiert, gespickt mit Zahlreichen Heist Movie und Knastfilmzitaten und genau wie Wallace & Gromit auch herrlich britisch, unzeitgemäß und zeitlos. Auch hier ist Claymotion Trumph: Die Ausbruchsversuche der gewitzten Hühner sind liebenswert, urkomisch, voller genialer Slapstickeinfälle und nicht zuletzt spannend und mitreißend. Man fiebert geradezu mit, mit dem Federvieh und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ihm die Flucht gelingen möge. Auch hier gilt: Ein charmanter Film für die ganze Familie.

Wall-E [Andrew Stanton]

(USA 2008)

Und gleich der nächste Pixar-Nachschlag… Das Science Fiction Märchen Wall-E hat wohl eine der schönsten Expositionen der jüngsten Kinogeschichte zu bieten. Der kleine – faszinierend menschliche – Roboter Wall-E räumt die vom Menschen verlassene Erde auf, Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Auf dem riesigen Schrottplatz, der einst unser Heimatplanet war, gibt es viel zu entdecken für den kleinen, sympathischen Protagonisten, aber auch eine nicht zu bändigende Sehnsucht nach mehr… Auch wenn der Film durch die schließlich in Gang gesetzte Handlung an Zauber verliert, bleibt das Robotermär auch hier eine Augenweide. Es geht um Menschlichkeit, um Hoffnung, um den Kampf für eine große Sache und natürlich auch um Liebe. Wall-E ist eine bezaubernde Parabel auf Humanität, ein spannendes Science Fiction Abenteuer und eine anrührende Romanze, inszeniert mit zeitlos schönen 3D-Animationen.

Corpse Bride [Tim Burton, Mike Johnson]

(Großbritannien 2005)

Da hat sich doch tatsächlich noch ein handgemachter Film unter die ganzen computerisierten Werke geschmuggelt. Tim Burtons fantastische, nekrophile Tragikomödie Corpse Bride besitzt alle Ingridenzien eines klassischen Burton Goth-Werkes. Eine exzellente – ungewöhnliche – Kontastierung der tristen Lebens- mit der bunten Unterwelt, ein verspielter Score von Danny Elfman inklusive zahlreicher Musical-Revuenummern und eine makabere, anrührende und zugleich düstere Geschichte um eine verfluchte Braut. Wie schon bei „A Nightmare before Christmas“ zaubert Burton, erschrickt, belustigt und berührt. Ein verzaubernder Trip zwischen Düsterromantik, gotischem Grusel, skurrilem Humor und bewegender Liebesgeschichte.

We are the Strange [M Dot Strange]

(USA 2007)

Bühne frei für die härtere Gangart, Bühne frei für M Dot Strange. Dieser bezeichnet seinen Independent-Animationsfilm als Weirdo-Streifen und trifft damit den Nagel auf den Kopf. We are the strange ist ein fremdes, abseitiges Kaleidoskop, voller kryptischer LSD-Texturen, zwischen düsteren Impressionen, wilder Clip-Ästhetik, krudem Minimalismus, bizarrem postapokalyptischem Proto-Futurismus, zahllosen postmodernen Game-Reminiszenen und unzähligen spieltheoretischen Referenzen. Schräg, laut, brutal, sexualisiert und vor allem nerdy. Ein Freak-Streifen, von und für Freaks, eine unbarmherzige, konsequente futuristische Maschine, ein surrealer kryptotechnischer Alptraum… irgendwie, irgendwo, und nie greifbar. Übrigens vollkommen kostenlos auf youtube zu konsumieren, dabei aber alles andere als leicht konsumierbar.

$9.99 [Tatja Rosenthal]

(Israel, Australien 2008)

Wir bleiben beim Trickfilm für Erwachsene. Die israelisch, australische Co-Produktion $9.99 erzählt von der Suche des arbeitslosen Herumtreibers Dave Peck nach dem Sinn des Lebens. Diese Suche inszeniert der Film in herrlich schmutzigen, mitunter einfach wunderschönen Stop-Motion-Animationen, um sukzessive ein gigantisches, postmodernes Kaleidoskop der menschlichen Gesellschaft zu entwerfen. Die Suche nach einem Sinn ist begleitet von Rückschlägen, der Konfrontation mit der erbarmungslosen Realität, steckt aber auch voller Zauber und Hoffnung, lädt zum verweilen ebenso ein wie zum Träumen und Nachdenken und entdeckt eine bizarre, ungreifbare Form von Transzendentalität in dem sozialen Chaos, in dem sich seine Protagonisten bewegen.

Findet Nemo [Andrew Stanton]

(USA 2003)

Aber trotz der erwachsenen Ausreißer ist der Animationsfilm als Genre prädestiniert dazu, Unterhaltung für die ganze Familie zu liefern. Das gilt auch für die Disney/Pixar-Kooperation „Findet Nemo“. Dieser bietet die perfekte Balance zwischen spannendem Unterwasser-Abenteuer für Kinder und raffiniertem Humor für die älteren Zuschauer. Pixartypisch hervorragend animiert, spannend erzählt und fantastisch inszeniert ist die Geschichte des verlorenen Clownfischs fast schon so etwas wie ein Prototyp des gelungenen Familienfilms. Ein würdiger Transfer klassischer Disney-Motive ins neue Jahrtausend, zurückhaltend modernisiert und aufgefrischt, ohne seine universellen Themen aus den Augen zu verlieren. Der König der Fische des Animationfilms.

Oben [Pete Docter]

(USA 2009)

Wir können einfach so weiter machen mit herausragenden Pixar-Filmen, und es dauert lange, bis wir fertig werden. Auch Oben ist ein famoses Stück Animationskino. Allein die Anfangsmontage eines gesamten Lebens, gezeichnet von Glück, Ängsten und Hoffnungen steckt voller Magie. Aber auch die restliche Geschichte eines alten Mannes, der sich mit einem jungen blinden Passagier auf eine außergewöhnliche Ballonreise begibt, steckt voller Weisheit,  leiser melancholischer Töne und entwickelt sich im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einem bunten, kreativen Abenteuer, das seine eigene, simple und dennoch herzergreifende Botschaft niemals aus den Augen verliert: Lebe!

Die Unglaublichen [Brad Bird]

(USA 2004)

Tja, was soll man hierzu noch groß sagen. Pixars Dominanz auf dem Animationfilmsektor ist einfach eine Sache für sich. Und hier kann nicht einmal das Argument herangezogen werden, dass Filme aus der gleichen Schmiede irgendwann doch zwangsläufig langweilig werden müssten. „The Incredibles“ ist ebenfalls ein hervorragendes Animationswerk und begeistert wieder auf ganz andere Weise als die anderen von Pixar im letzten Jahrzehnt produzierten Filme. Nicht nur die Tatsache,  dass das Cast vollkommen aus menschlichen Akteuren besteht, sondern auch der Actionreichtum und die zahllosen satirischen Spitzen lassen diese Superheldenparodie zu einem außergewöhnlichen Trickfilm werden: Spannend, actionreich, dabei immer selbstironisch, rasant, urkomisch und zu guter letzt mit einem feinsinnigen Subtext ausgestattet.

Coraline [Henry Selick]

(USA 2009)

Noch einmal Burton-Düsterromantik, dieses Mal aber nicht von Tim Burton selbst, sondern von Henry Selick, der uns durch seine Regiearebit bei „The Nightmare before Christmas“ in bester Erinnerung geblieben ist. In Coraline zeichnet er die düstere Geschichte der kleinen Coraline, die sich nichts so sehr wünscht wie ein harmonisches zu Hause. Das findet sie dann auch in einer verborgenen Parallelwelt, in der die Menschen Knopfaugen haben und wo trotz aller Harmonie irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Coraline ist ein skurriles, tragikomisches, mitunter ziemlich gruseliges Märchen, getaucht in spooky Goth-Bilder, die eine ebenso spannende wie symbolträchtige Geschichte erzählen. Auch wenn das Mär hin und wieder zu sehr mit klassischer Burton-Ästhetik flirtet, so ist es doch eine spannende und mitreißende Reise in die kindliche Phantasie, die manchmal ein unheimliches Eigenleben entwickeln kann.

Life is cool [Choi Equan]

(Südkorea 2008)

Rotoskopie ist einfach schick. Daran gibt es nichts zu rütteln. Ob das Verfahren als klassischer Zeichentrick durchgeht, in den postmodernen Animationsbereich gehört, nicht mehr ist als verfremdeder Realfilm oder irgendwie zwischen den Stühlen steht, spielt dabei keine Rolle. Auch der südkoreanische „Life is cool“ zaubert aus seinem rotoskopischen Verfahren herausragende Bilder, die sich mal spröde, mal stilisiert, mal naiv wie ein wunderschöner roter Faden durch den gesamten Film ziehen. Auch wenn die Geschichte der romantischen Tragikomödie nicht im Entferntesten mit der herrlichen Bebilderung mithalten kann, ist „Life is cool“ allein schon wegen seines faszinierenden Konzepts eine Reise wert. Style over Substance? Geschenkt. Ein fantastischer Bilderrausch.

Die Monster AG [Pete Docter]

(USA 2001)

Okay, einen Pixar haben wir noch. Dann ist aber wirklich Schicht im Schacht. Der vierte Pixar Langfilm „Die Monster AG“ ist ein herrlich durchgeknallter Fantasyfilm, pixartypisch mit einer außerordentlich intelligenten, originellen Grundidee ausgestattet: Das im Schrank Spuken als harte Arbeit für Monster aus einer Paralleldimension… Klingt ein wenig Gaga? Genau das zeichnet dieses Konzept aus, aus dem Pixar einen hervorragenden stimmigen Kinderfilm bastelt. Komisch, rasant und natürlich auch anrührend. Perfekt unterhaltend, nicht nur für die kleinen Zuschauer sondern auch den gesamten Rest der Familie. Ach Pixar, wenn es euch im letzten Jahrzehnt nicht gegeben hätte…

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Erstveröffentlichung: 2010