Die besten Dramen der 2000er Jahre III

Auf ein Letztes…. Der ganze Rest. Nach Teil 1 und 2 nun der der dritte Teil unserer liebsten und besten Dramen des Jahrzehnts…

Love Exposure [Sion Sono]

(Japan 2008)

Im ersten Dramen-Artikel war zu Lesen: „Der ganze Rest“…. und wahrscheinlich trifft nichts besser auf Love Exposure zu als diese Klassifizierung. Love Exposure ist alles, ist der Rest, ist das Zentrum und die Peripherie. Ein Drama, eine Komödie, ein Sittengemälde, ein Composite Film, ein Epos… ja was eigentlich? 240 Minuten pures emotionales Adrenalin zwischen Metaphysik, Religion, Lebensgeschichte, J-Pop, Perversion, Verbrechen. Voll, übervoll; lang, überlang; und dabei nie langweilig. Ein postmoderner Rausch, der fast überall stehen könnte und hier wahrscheinlich genau deshalb goldrichtig ist. Ein Meisterwerk des kreativen, verspielten, verrückten und packenden Kinos.

Snow Cake [Marc Evans]

(Großbritannien, Kanada 2005)

Ein ungemein ruhiges und zugleich warmherziges Drama um einen Mann, der eine schwere Schuld mit sich trägt und eine autistische Frau. Ein Todesfall bringt die Beiden eher zufällig zusammen und es entwickelt sich eine außergewöhnliche Freundschaft. Snow Cake ist angenehm klischeefrei, tief bewegend und spart nicht mit großen, menschlichen Momenten. Ein emotional tiefschürfernder und bewegender Film, immer wieder aufgelockert durch trockenen, leichtfüßigen Humor, lange sehr viel offen lassend aber immer in den richtigen Momenten versöhnlich und voller Herz.

Lilja 4-ever [Lukas Moodysson]

(Schweden 2002)

Weniger warmherzig, eher Magenschmerzen verursachend ist die packende Tragödie Lilja 4-ever von Lukas Moodysson. Die Leidensgeschichte einer sechzehnjährigen Prostituierten ist durch und durch harter Tobak. Angesiedelt in einem trostlosen bis fatalistischen Milieu, sezierend genau, anklagend und brutal, gelingt es dem bitteren, pessimistischen Werk innerhalb kürzester Zeit die Zuschauer abwechselnd zu deprimieren, zu schockieren und wütend zu machen. Dennoch ist die Geschichte Liljas weitaus mehr als ein Provokationsfilm. Er spart an den richtigen Stellen aus, wird dadurch gerade noch intensiver, schmerzhafter empathisch und somit zu einer schonungslosen, naturalistischen Studie der dunklen Seite der Europäisierung.

Gosford Park [Robert Altman]

(Großbritannien 2001)

Robert Altman ist der Meister des Genrehoppings in einem einzigen Film: Drama, Sittengemälde, Satire, subtiler und dennoch bissiger Humor und Kriminalgeschichte. In der groß angelegten Milieu(anti)studie Gosford Park trifft all dies zusammen und schafft dadurch einen ganz eigenartig einzigartigen Film. Im England der 30er Jahre, in der feinen Gesellschaft angesiedelt, arrangiert Altman ein hervorragendes Porträt der Reichen, Schönen, Adeligen und Intriganten. Ein tiefschürfender, mitunter sau komisches cineastisches Fest, ein großes Bild einer aussterbenden Gesellschaftsordnung: Feingeistig, komplex, verspielt und dabei dennoch mit einem nüchternen authentischen Blick für kleine, große und fatale Eitelkeiten.

Milk [Gus Van Sant]

(USA 2008)

Gus Van Sant inszeniert die Lebensgeschichte des homosexuellen Bürgerrechtlers Harvey Milk gewohnt zurückhaltend, authentisch, mit psychologischem Feingefühl ohne dabei jemals zu konkret zu psychologisieren. Anhand einer raffinierten Kombination von Archivmaterial und fiktionalen Szenen entsteht dadurch ein ungemein authentisches, nichtsdestotrotz offenes und auch vages Porträt des faszinierenden Menschen und darüber hinaus eine ambivalente Gesellschaftsstudie zu den USA der 70er Jahre zwischen Aufbruch und Konservatismus. Gus Van Sant schätzt all seine Figuren sehr, selbst die Zwiespältigen, Düsteren und läuft dadurch niemals Gefahr plumpe Klischees allzu sehr in den Vordergrund zu rücken. Das sensible Drama lebt insbesondere auch von der hervorragenden Schauspielleistung Sean Penns, der vollkommen zurecht für seine Darstellung mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Frühling Sommer, Herbst, Winter… und Frühling [Kim Ki-Duk]

(Südkorea 2003)

Wenn es um langsam erzähltes, meditatives und introspektives Kino geht, gehört Kim Ki-Duk zu den größten Regisseuren unserer Zeit. Sein visuellster – vielleicht auch stillster – Film Frühling, Sommer, Herbst, Winter… und Frühling ist eine meditative, kontemplative Reise in Lebenswege, Lebenszirkel und Lebenskreise. Das episodisch arrangierte Drama ist eine stilistisch offene, mystische Reise in die Befindlichkeit, Wünsche und Ängste seiner Protagonisten: Parabolisch, unkonkret, exzessiv mit ästhetisierten, stilisierten Landschaftspanoramen arbeitend entsteht ein impressionistisches Seelengemälde in dem das Äußere auch immer Ausdruck des Inneren, das Ungesagte auch immer das mehr als genug Gesagte ist. Ein beeindruckend zurückgezogenes und dennoch leidenschaftlich, mitteilsames Meisterwerk des postmodernen asiatischen Kinos.

Million Dollar Baby [Clint Eastwood]

(USA 2004)

Clint Eastwoods Hingabe zur Regiearbeit wurde im Jahr 2004 absolut gerechtfertigt mit einem Oscar belohnt. Der Film, dem diese Ehre zuteil wurde, Million Dollar Baby, kommt zu Beginn als spannendes Sport-Aufsteigerdrama daher, um sich im Laufe seiner Handlung zu einer universellen, packenden Tragödie zu entwickeln. Hilary Swank scheint gegen den Teufel anzuspielen und anzukämpfen, ebenso überzeugend Eastwood in einer Quasi-Paraderolle als unnahbarer und dennoch charismatischer Kauz und zu guter Letzt auch noch Morgan Freeman als sanfter Ruhepol. Aber Million Dollar Baby lebt nicht nur von der einzigartigen Schauspielleistung. Die Geschichte ist spannend, verpackt interessante Wendungen und Neufokussierungen – ohne dass dies auch nur im Ansatz konstruiert wirkt – und wird dadurch zu einer packenden Fabel auf Menschlichkeit und Würde.

Gegen die Wand [Fatih Akın]

(Deutschland 2004)

Auf der Suche nach den besten deutschen Regisseuren des Jahrzehnts kommt der Cineast an Fatih Akın nicht vorbei. Dieser inszeniert mit seinem preisgekrönten Gegen die Wand ein unglaublich sattes Drama zwischen unzähligen multikulturellen Spannungsfeldern: Der Hunger nach Leben im Kontrast zu den Problemen des türkischen Migrantentums in Deutschland, Liebe und Hoffnung im Kontrast zu Traditionen und gesellschaftlichen Erwartungen, das Leben zwischen Berlin und Ankara auf einer permanenten Suche nach Heimat oder wenigstens Geborgenheit… Gegen die Wand lebt von seinen Kollisionen, seinen Konflikten seinen zahllosen Identitäten. Ein in sich ruhendes und zugleich hochexplosives Drama, das die Probleme des kulturellen Schwebezustandes spannend und empathisch auf den Punkt bringt, dagegen anschreit, resigniert, weiterringt und niemals zu müde ist, gegen alle möglichen Wände anzukämpfen.

A beautiful mind [Ron Howard]

(USA 2001)

Großes Drama aus Hollywood. Dennoch weiß A beautiful Mind auf hohem Niveau zu berühren und unterhalten. Der Cocktail aus psychologischer Studie, Genius-Biopic, 50’s Paranoiathriller und mitreißendem Drama lebt vor allem von der grandiosen Schauspielleistung Russel Crowes. Dieser lässt den Wahn aber auch das Genie des schizophrenen Mathematikers John Nash in jeder Geste, jedem kleinsten Mimenspiel lebendig werden. Dadurch bleibt A beautiful Mind zu jedem Zeitpunkt trotz dramatischer, hollywoodaffinere Stilisierung authentisch und nachvollziehbar. Ein großes, episches Drama über einen großen, faszinierenden Menschen.

Das Meer in mir [Alejandro Amenábar]

(Spanien 2004)

Das Problem der aktiven Sterbehilfe verarbeitete Alejandro Amenábar mit Das Meer in mir auf pointierte und zugleich berührende Weise. Nach den wahren Begebenheiten um den querschnittsgelähmten Seemann Ramón Sampedro entwirft Amenábar ein ebenso fesselndes wie differenziertes und ambivalentes Drama, das die ethischen Fallhöhen des Problemfeldes auslotet und darstellt. Ohne jemals in Kitsch oder Sentimentalitäten abzudriften, bewegt und fesselt das Drama um den Wunsch nach einem würdevollen Ende, lässt beide Seiten zu Wort kommen und verheddert sich nie zu sehr in seiner eigenen, stimmigen und emotionalen Argumentation.

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Erstveröffentlichung: 2010