Die besten Horrorfilme der 90er Jahre I

Im Vergleich zum 00er Horrorjahrzehnt stinken die 90er schon gewaltig ab… Während es im neuen Jahrtausend ein großartiges Zombie-Revival, eine neue Torture-Welle und ausgezeichnete asiatische Spukgeschichten gab, bleiben die 90er Jahre diesbezüglich genretechnisch ziemlich diffus und heterogen. Ein paar Gothic-Horror-Schinken, ein kurzes Slasher-Revival gegen Ende des Jahrzehnts, und das wars auch schon. Ansonsten viel Mittelmäßiges, Uninteressantes, Vergessenswertes… Kein gutes Jahrzehnt für den Horrorfan. Und dennoch findet sich auch in den 90ern die ein oder andere Genreperle. Wir haben sie für euch ausgegraben und sogar so viel gefunden, dass wir das Ganze wider Erwarten in zwei Teilen veröffentlichen können. Das erste satte Horrorpaket steht schonmal hier. Teil 2 in Kürze…

Dust Devil [Richard Stanley]

(Südafrika 1992)

Beginnen wir doch gleich mal mit einem Rohdiamanten und wahren Genremeisterwerk, das leider Gottes immer noch nicht die Beachtung erhält, die es verdient. Richard Stanleys dämonischer Wüstenhorror Dust Devil erzählt von einem Seelenfänger, der in der Einöde der südafrikanischen Wüste dem Leben einer Frau nachjagt, die ihre Selbstmordabsicht erst in letzter Sekunde aufgegeben hat. Die langsam erzählte Jagd entwickelt ihre ganz eigene unheimliche Sogkraft, bedient bei sich klassischen Horrorfilmkonventionen und entzieht sich gleichsam diesen immer wieder. Kein Wunder, dass von Produzentenseite an dem Film nicht nur zum Kinostart unverhältnismäßig viel herumgedoktort wurde. Vier verschiedene Schnittfassungen befinden sich mittlerweile auf dem Markt. Sehenswert ist der Film – trotz teilweise abartiger Kürzungen – in jeder Version. Im Zweifel sollte der interessierte Horrorfan jedoch zum 114minütigen Directors Cut greifen, dessen ruhige, stimmige Erzählweise mitunter fast schon europäische Arthausdimensionen annimmt.

Geister [Lars von Trier]

(Dänemark 1994)

Eine ganz besonders exquisite Horrorperle ist Hospital der Geister von Lars von Trier. Die Gruselminiserie des Dogma95-Veteranen spielt in einem dänischen Krankenhaus, in dem vieles nicht mit rechten Dingen zugeht. Merkwürdige Erscheinungen, blutige Geschehnisse, Schatten der Vergangenheit… Was sich auf dem Papier noch wie recht konventioneller Grusel liest, entwickelt sich im Verlauf des gut vierstündigen Dramas zu einem faszinierenden Horrortrip: Surreal, mysteriös, grotesk, überzeichnet und dann plötzlich wieder erschreckend realistisch. Riget ist ein düsteres Schaulaufen der Extreme, ein unheimlich beklemmendes Kammerspiel und zu guter Letzt ans Eingemachte gehender Horror, der kafkaeske Dimensionen annimmt.

Die Mächte des Wahnsinns [John Carpenter]

(USA 1995)

John Carpenter war schon immer für hervorragenden B-Horror und postmodernes Exploitationkino gut. Die Mächte des Wahnsinns bewegt sich genau an der Schwelle zwischen Trash, (un)freiwillig komischem B-Movie und raffiniert intelligenter Selbstreflexion. Heraus kommt ein fieser kleiner Genrebastard, der geschickt mit den eigenen Dispositionen spielt, sich als fast schon sakrale Hommage an H.P. Lovecraft präsentiert und schließlich zum großen Manifest über die Macht des Genres wird. Ein herrlich überzeichneter, bösartiger und selbstreferenzieller Trip in die Abgründe des menschlichen Geistes und der Fürchten lehrenden Kunst, ein Film der sich nicht allzu ernst nimmt und nicht allzu ernst genommen werden möchte, dann aber ein großes Vergnügen darstellt.

Tremors – Im Land der Raketenwürmer [Ron Underwood]

(USA 1990)

Apropos nicht allzu ernst nehmen… Tremors dürfte ein Musterbeispiel für einen Horrorstreifen sein, der sich selbst mit einem dicken Augenzwinkern präsentiert. Der Einfall riesiger Sandwürmer in einem verschlafenen US-Wüstennest ist ordentlich gaga, trashy, überzeichnet und dabei ungeheuer charmant und unterhaltend. Hier dürfen Kerle noch echte Kerle sein und riesigen Monstern mit Dynamitstangen hinterher rennen. Hier darf jeder Redneck seine ganz persönliche Waffensammlung besitzen, man weiß ja nie, wann sie mal gegen Killerwürmer nützlich sein könnte. Tremors ist ein B-Movie par Excellence, eine frivole Verbeugung vor dem amerikanischen Monsterhorror und nebenbei ein ordentlich blutgetränktes, actionreiches und kurzweiliges Exploitationvergnügen.

The Blair Witch Project [Daniel Myrick, Edoardo Sánchez]

(USA 1999)

Es gehört wohl zu den ironischen Randnotizen der Geschichte, dass der erfolgreichste Horrorfilm der 90er Jahre primär wohl nie wegen seiner Qualität in Erinnerung bleiben wird, sondern zum einen wegen seines genialen Guerillamarketings und zum zweiten, weil er dem Genre des Found Footage Films – insbesondere im Horrorbereich – eine ganz neue Popularität verschaffen sollte. Dabei ist Blair Witch Project weitaus mehr als nur ein Gimmickfilm. Weder davor noch danach war die Found Footage Technik derart passend, nie sollte das Konzept der Wackelkamera für eine derart höllische Immersion sorgen und nie waren Anamateurschauspieler überzeugender als in diesem kleinen dreckigen Trip in die verwunschenen Wälder der Blair Hexe. Auch unabhängig von Urban Legends, 90er Jahre Websites und einer konfusen metatextuellen Mythologie ist Blair Witch Project einfach mal ein verdammt unheimlicher und mitreißender Horrorfilm.

The last broadcast [Stefan Avalos, Lance Weiler]

(USA 1998)

Einen ähnlichen Ansatz wie die Blair Hexe verfolgt auch der mockumentarische Horrorfilm The Last Broadcast, dem es allerdings nicht gelang sich am Kino gegen die Blairwitch-Konkurrenz durchzusetzen. Dabei ist „The Last Broadcast“ nicht nur der ältere Film, zusätzlich gelingt es ihm auch noch weit über das Mikrokosmische der Blairwitch-Aufnahmen hinauszugehen. Der Zuschauer verfolgt die Recherche, den Schrecken und den Versuch der Aufklärung des Selben, wird mit verschiedenen Videoquellen und darin ebenfalls vorhanden einer bissigen Medienkritik konfrontiert. Durch die Öffnung des Mediums verliert „The last Broadcast“ zwar etwas an Spannung, da die beklemmenden Kammerspiel-Momente des Blair Wirch Projectes  nicht vorhanden sind, dafür punktet er aber mit einer komplexeren Geschichte und interessanten Wendungen. Für jeden Blairwitch-Liebhaber ein absolutes Muss.

Begotten [E. Elias Merhige]

USA 1990

Was düstere Anti-Mainstream-Inszenierung angeht, kann man auch immer noch ne Schippe drauf setzen. Trotz seiner artifiziellen, avantgardistischen Grundtendenz ist Begotten auch so etwas wie ein Found Footgae Film. Nur scheint das hier gezeigte Material direkt in der Hölle gefunden worden und direkt vom Teufel höchstpersönlich aufgenommen zu sein: Grobkörnige schwarzweiß-Bilder und eine surreale, stotternde Bildrate begleiten diesen cineastischen Alptraum, der von Mutter Erde, gespenstischen Menschen, Angst, Hass und Folter erzählt. Dabei wirkt er wie das terroristische Zerrbild eines mittelalterlichen Freskos, wie ein Film aus einer Zeit, in der es noch keine Filme gab… und vor allem wie ein Horrortrip, der gedreht wurde, um seinen Zuschauer bewusst leiden zu lassen. Hier wurde das Genre wahrlich wörtlich genommen. Alles andere als schwer zu verdauen, aber dafür umso sehenswerter.

Scream [Wes Craven]

(USA 1996)

Einer der erfolg- und einflussreichsten Horrorfilme der 90er ist Wes Cravens „Scream“. Wes Craven, vor allem bekannt als Erfinder von Freddy Krüger, konnte mit „Scream“ nicht nur das Slasher-Genre wiederbeleben, sondern löste darüber hinaus eine wahre Teenie-Slasher-Welle aus, mit ähnlich gestrickten Filmen wie „Düstere Legenden“ oder „Ich weiß was du letzten Sommer getan hast“ plus deren Parodien in der „Scary Movie“-Reihe. „Scream“, dessen Arbeitstitel übrigens „Scary Movie“ war, ist angereichert mit Krimi-Elementen und diversen postmodernen Zitaten und Verweisen auf andere Horror- und Gruselfilme. Das macht den Film nicht nur spannend sondern besonders interessant für Liebhaber des Genres und Filmliebhaber überhaupt. „Scream“ stellt sich nämlich auch ein wenig als ein Horrorfilm über Horrorfilme dar, ja es wird sogar in Meta-Slasher-Manier die Wirkung von Horrorfilmen auf Jugendliche thematisiert, reflektiert und persifliert.

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Erstveröffentlichung: 2011