Die besten Science Fiction Filme der 90er Jahre II

Und zum Zweiten: Futuristisches und Endzeitliches aus den 90er Jahren. Auch hier finden wir in erster Linie die selbe apokalyptische Stimmung wie schon bei der ersten 90er Science Fiction Retrospektive. Aber auch viel Virtuelles und Scheinbares, einen echten Popcornblockbuster, Abseitiges japanisches Kino und nicht zuletzt ein ganz klassisches episches Schlachtenspektakel mitten im Weltraum…

12 Monkeys [Terry Gilliam]

(USA 1995)

Die Reduzierung von Twelve Monkeys auf seinen – zweifellos vorhandenen – Science Fiction Touch scheint schon ein wenig ungerecht im Hinblick darauf, was dieses skurrile Meisterwerk alles leistet. Terry Gilliams Remake von Chris Markers Fotofilm-Klassiker La jetée (Am Rande des Rollfelds) ist eine irrwitzige Tour de Force zwischen Zeitreise, Mystery, Endzeit Science Fiction und düsterem Psychosenlabyrinth. Zügellos, wie zum letzten Mal in ‚Brazil,‘ springt Gilliam mit seinen Protagonisten durch die Zeitebenen, durch Traum und Wirklichkeit und inszeniert dadurch einen höllischen, furiosen und fiebrigen Abgesang auf das 20. Jahrhundert: Alles riecht hier nach Weltende, nach Apokalypse und versprüht gleichzeitig einen omnipräsenten Hauch purer, irdischer Schönheit. Éin waghalsiger Trip, dessen Spiel mit der Wahrnehmung immer neue Kapriolen schlägt und schließlich bei düsterem Fatalismus ankommt.

Strange Days [Kathryn Bigelow]

(USA 1995)

Und noch ein düsterer Abgesang auf das 20. Jahrhundert. Auch in Kathryn Bigelows Reise in ein fiktives 1999 werden zeitgenössische politische Kontexte mit düsteren Prophezeiungen gekreuzt. Im Mittelpunkt steht hier die Sucht nach virtueller Realität, nach einer Flucht aus der Wirklichkeit und nach der Droge fremder Existenzen. In diesem (gar nicht so abwegigen) Future-Konzept bewegt sich „Strange Days“ als geerdeter, raffiniert inszenierter Neo Noir Thriller, der seine eigene High Tech Eleganz immer wieder mit dreckigen, rohen und makaberen Szenarien aufsprengt. Eine dunkle Vision einer nahen und zugleich beängstigenden Zukunft und ein herausragendes, sau spannendes Statement zum Virtual Reality Zeitalter, das mittlerweile bekanntermaßen von sich selbst überholt wurde.

Full Metal Yakuza [Takashi Miike]

(Japan 1997)

Es wurde hier angekündigt, und es wird durchgezogen. Takashi Miike findet sich wie schon bei den 00er-Retrospektiven in gleich einem Dutzend verschiedener filmischer Spielarten wieder. Und mit „Full metal Yakuza“ auch im Science Fiction Genre. Die abseitige, absurde, abnorme Verpflanzung der Robocop-Thematik in eine derbe Yakuza-Welt ist eine irrwitzige Mischung aus Cyberpunk, Gangsterthriller, makaberer Komödie, B-Movie Exploitation und düsterem Science Fiction. Ein Genrebastard, der keine Grenzen kennt, keine Grenzen fürchtet, sich in absurder Situationskomik ebenso wohl fühlt wie in nachdenklichem introspektiven Drama, in astreiner, unerwarteter Gewalt und in extremen bis extremsten surrealen Verzerrungen. Ein echter Miike eben, und wie bei allen anderen Filmen des Meisters gilt auch hier: Speziell… sehr speziell.

eXistenZ [David Cronenberg]

(Kanada 1999)

Pünktlich kurz vor der Jahrtausendwende kam ein brillanter Film in die Kinos, der sich auf nie gesehene Weise mit virtueller Realität, der Irreführung der Sinne, dem Spiel hinter dem Spiel und zahllosen Metaebenen auseinandersetzte, der dieses Thema in ein packendes und unheimlich dystopisches Science Fiction Set packte und….  nein! Wir reden hier nicht von Matrix. David Cronenberg war der wahre – sträflich verkannte – Meisterer des Virtuellen, des Scheinbaren, des Tatsächlichen und des Imaginären. Sein psychologisches/philosophisches Katz- und Maus Spiel eXistenZ ist ein rabenschwarzer, verschachtelter Mystery/Science Fiction/Noir Bastard, ein verspieltes und dunkles Puzzle, eine schweißtreibende Jagd nach dem Pokal, nach dem Schein, nach irgendetwas, was der Wahrheit im Ansatz nahe kommt. Ein Spiel im Spiel im Spiel… einfach nur ein fantastischer Sci Fi Rausch.

Star Trek: Der erste Kontakt [Jonathan Frakes]

(USA 1996)

Es gibt in der Star Trek Film Franchise gelungenere und weniger gelungene Teile. Einige Trekkies mit Faible für Zahlenspiele scheinen gar die ultimative Rechnung aufgemacht zu haben, nach der vor allem die geraden Zahlen für hervorragende Vertreter der Franchise stehen, während die ungeraden Filme eher so meeh sind. Der achte Teil passt jedenfalls in dieses Schema und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen haben wir hier dank einer Zeitreise endlich mal wieder einen Clash of the Ages, der im – vielleicht besten Star Trek – „Zurück in die Gegenwart“ bereits vorzüglich funktioniert hat. Mit einer prominenten Platzierung der Borg bekommen hier zudem die wohl coolsten Villains des gesamten Enterprise Universum endlich einen vernünftigen Auftritt. Ganz zu schweigen von der düsteren Ausrichtung, die nach dem langweiligen Treffen der Generationen eine wahre Wohltat ist. Und sogar die Actionszenen funktionieren hier im Cinemascope-Format so gut wie nie zuvor. Mit Teil 2 und 4 zusammen eine der besten Star Trek Verfilmungen überhaupt.

Men in Black [Barry Sonnenfeld]

(USA 1997)

Man nehme eine irre Storygrundlage um Alienmigranten auf der Erde, verquicke diese mit diversen Verschwörungstheorien, füge die zwei coolsten Bastardos der gesamten Galaxie hinzu, mache daraus ein sau komisches Actionspektakel… et voilà: Einer der größten Big Budget Blockbuster der 90er Jahre. Zurecht, zurecht! Klar, MIB ist auf Mainstream gebürstet, aber er hat fucking cool Will Smith und awesome , brillant, damn fucking cool Tommy Lee Jones an Bord. Außerdem ordentlich launige Oneliner, perfekte Buddy-Movie-Momente, viel schleimiges Getier, grandiose Actionszenen… und, was am wichtigsten ist, er macht einfach höllischen Spaß. Popcornunterhaltung, wie sie poppiger, bunter und lauter nicht sein könnte. Genial, überdreht, überreizt… und dabei einfach nur verdammt cool, elegant und sexy.

Tetsuo II: Bodyhammer [Shinya Tsukamoto]

(Japan 1992)

Ein potentieller Science Fiction Klassiker, dessen Reputation irgendwie verlust gegangen ist…. Liegt vielleicht an der Beschlagnahmung in Deutschland (die angesichts der derzeit grassierenden Horrorwelle echt mal aufgehoben gehört), liegt vielleicht auch daran, dass der Vorgänger Tetsuo (1989) ein gefeiertes Meisterwerk des surrealen Alptraumkinos war, und eine höher budgierte Fortsetzung/Remake eher weniger gutes erwarten ließ… Liegt vielleicht aber auch daran, dass Tetsuo II wie alle Tsukamoto-Filme speziell ist… und alles andere als leicht konsumierbar. Wild geschnitten, laut, rasant, surreal, irreal, trashy und zugleich komplex, verkopft und verworren. Klar, Tetsuo II fehlt der rohe Schwarz-Weiß-Charme seines Vorgängers, das Direkte, Unmittelbare und Verstörende dieses 80er Meisterwerks. Dafür punktet der konsequente Reboot an anderer Stelle: Die brutale Transformation eines Menschen zum Bastard aus Waffe/Monster/Metall-WTF ist rasant, rapide, erbarmungslos, höllisch schwer und makaber bösartig gebrochen. Ein grandioses, absurdes (und ziemlich brutales) Cyber-Schlachtfest; kompromisslos, eigenartig, einzigartig, genial!

Matrix [Andi Wachowski, Larry Wachowski]

(USA 1999)

Jaja, keine Sorge. Er kommt ja noch. Auch wenn man Matrix ohne weiteres für überhyped halten kann – was ich tue – muss man doch zugeben, dass er ein beeindruckender, visuell herausragender High Tech Science Fiction Endzeitkracher ist – was ich hiermit auch tue. Natürlich wird hier und da auch ein wenig philosophiert und ein wenig esoterischer Mumpitz verzapft: Aber diese Idee von der virtuellen Versklavung der Menschheit! Dieses Ausschöpfen von Schein und Sein! Diese Manipulation von Physik! Diese unglaublichen Actionszenen! Über die Fortsetzungen wollen wir lieber mal den Mantel des Schweigens hüllen, aber davon abgesehen ist Matrix wahrscheinlich der Inception der 90er Jahre. Ebenfalls zum Ende der Dekade veröffentlich, ebenfalls clevere Blockbusterunterhaltung, ebenfalls visuell einzigartig, ebenfalls angebetet und von vielen Kritikern für überschätzt gehalten. So what!? Der beste Film des Jahrzehnts ist er mit Sicherheit nicht, aber bei den besten Science Fiction Filmen hat er sich einen Platz redlich verdient. Und für das außergewöhnlichste, visuell/auditiv beeindruckendste Spektakel der 90er gebührt ihm sogar die Krone.

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Erstveröffentlichung: 2011