Schlagwort: Spätwestern

Die besten Filme 2021: The Power of the Dog – Die Herausforderung der Männlichkeit im Wilden Westen

Deliver my soul from the sword / My darling from the power of the dog

…Und dann kam plötzlich der Spätwestern und hat das gesamte Genre ganz schön durcheinander gewirbelt. Das ist mittlerweile gut 50 Jahre her und trotzdem kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, was dieses Subgenre des traditionellen Westerns für diesen und die gesamte Filmwelt getan hat. Nachdem Western als veraltet, verkitscht und einfach nur durchgespielt galten, sorgten die Impulse des Spätwesterns dafür, dass endlich wieder neue Geschichten auf neue Weise rund um den Westen der USA im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts erzählt werden konnte. Und dennoch, so sehr es Alleinstellungsmerkmal des Spätwesterns ist, sich kritisch mit den Tropes des Genres auseinanderzusetzen, so wenig haben dies seine Filme doch an einer ganz zentralen Stelle getan: Den klischeehaften Männlichkeitsbildern, die sich irgendwo zwischen maskulinistisch, machoistisch und schlicht und ergreifend toxisch bewegen. Klar, der Spätwestern hat uns so manchen Antihelden präsentiert, so manchen Verlorenen in der Prärie, so manchen Feigling und Betrüger; aber bestimmte Männlichkeitsideale hat er stets unangetastet gelassen. Und so zeichnet selbst ein Brokeback Mountain (2005), der die homosexuelle Beziehung zweier Cowboys zueinander zum Thema hat, seine Charaktere als markige, die Einsamkeit liebende und zur Gewalt fähige Raubeine, die sich in der Prärie durchschlagen, um ihre Pflichten zu erfüllen; im Grunde genommen also nicht weit weg von dem was ein John Wayne in den 50ern oder ein Clint Eastwood in den 90ern verkörperte. Es ist aber auch wirklich schwer mit dem Bild des traditionellen männlichen Cowboys zu brechen. Wie tut man dies, wenn das gesamte Setting drumherum quasi zur Klischeereiterei einlädt? Eine mögliche Antwort liefert Regisseurin Jane Campion (Das Piano), die mit The Power of the Dog (2021) einen der beeindruckendsten Western der letzten Jahre vorlegt und dabei nichts unversucht lässt, große Fragezeichen an die Klischees und Rollenbilder ihrer archetypischen Figuren anzulegen.

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Die besten Filme 2016: Hell or High Water von David Mackenzie

Zu den etwas unscheinbareren – mit wenig Erfolgsaussichten auf Gewinn – bedachten Oscarnominierungen 2017 gehörte ohne Zweifel David Mackenzie Neo-Western Hell or High Water (2016). Wie zu erwarten war, gewann er nicht; immerhin war dies das Jahr von La La Land, der in den Hauptkategorien so richtig abräumen durfte… Oh wait! 2017 war ein besonderes Jahr für die Acadamey Awards. Es war nämlich auch das Jahr, in dem durch ein Missgeschick, beim besten Film ein falscher Gewinner – eben jenes im Vorhinein von vielen favorisiertes Musical – aufgerufen wurde und in dem letzten Endes der Gewinner doch das ebenso unscheinbare wie grandiose Drama Moonlight (2016) von Barry Jenkins war. Tatsächlich ist der Sieg des vermeintlichen Außenseiters in diesem Jahr nicht nur beachtenswert, weil er zeigt, dass die Academy durchaus für positive Überraschungen gut sein kann, sondern auch, weil er als direkter Konkurrent Hell or High Water fast so etwas wie dessen Seelenbruder und zugleich Nemesis ist. Beide Filme sind Auseinandersetzungen mit den oft mit Missachtung oder Ignoranz gestraften Rändern Amerikas, und zugleich spiegeln beide Filme sehr unterschiedliche Ränder der USA wider. Moonlight, als großes emotionales Manifest des schwarzen Amerikas, als Auseinandersetzung mit der urbanen Gangkultur, den sozialen Widrigkeiten der Großstadt und als poetisches Coming of Age Drama über Homosexualität. Hell or High Water als raubeiniger Blick auf die ländlich geprägten weißen Außenseiter West Texas‘, die ihre emotionalen Befindlichkeiten unter einem großen Berg an Wut begraben haben. Das eine, ein introspektives Gedicht, das andere ein knallharter Gossenroman. Dass Moonlight einer der besten Filme des Jahrzehnts ist, habe ich unlängst geschrieben, aber auch sein dreckiger Bruder wie Gegenspieler im Geiste ist mehr als einen Blick wert.

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