Die besten Heist-Filme der 70er Jahre

Da wären wir also… bei einem von zwei Nachschlägen für das Crime und Thrillergenre. Bei den folgenden beiden Bestenlisten sträubt sich in mir alles so ein wenig, von Thrillern zu reden, da die besten Filme daraus nicht so wirklich in die Thrillerschublade passen. Die deutsche Sprache böte als Oberkategorie „Krimi“ an (worin wiederum die meisten Thriller fallen dürften), aber das klingt so sehr nach Tatort, dass ich auch diesen Begriff so weit es geht vermeiden möchte. Anyway, Gott sei Dank müssen wir uns in beiden Fällen nicht um die Hauptkategorie kümmern und können stattdessen mit der Subkategorie operieren: Die heißt in diesem Fall Heist Movies. Also, was macht einen guten Heist Film aus? Wie der Name schon sagt – „Heist“ kommt aus dem amerikanischen Raum und lässt sich mit Raubüberfall übersetzen – stehen große Überfälle im Zentrum dieser Filme. „Heh!“ mag jetzt so mancher zurecht einwenden: „Geht es bei Hundstage nicht auch um einen Raubüberfall? Den hast du einfach zum generischen Thrillergenre gepackt! Und was ist mit The Getaway? Auch bei den Thrillern gelandet!“ Ja, dieser Einwand ist vollkommen berechtigt; und ich kann nur nochmal wiederholen: Fragt nicht zu sehr nach Konsistenz. Aber um trotzdem für die Aufnahme von jenem Film und das Übergehen von einem anderen Film zu argumentieren: Ein wirklich gelungener Heist Movie stellt vor allem die Vorbereitung und perfekte Ausführung des Verbrechens in den Mittelpunkt. Seine Kriminellen sind Künstler, Virtuosen, denen das Publikum bei ihrer amoralischen Arbeit gebannt zuschaut. Sie sind meistens Sympathieträger und oft genug wünschen wir uns, dass der ganze Plan aufgeht, unabhängig davon wie moralisch falsch er ist. Und als Sahne obendrauf bieten gute Heist-Movies im besten Fall auch noch ne Menge Humor, Augenzwinkern und kommen soweit es geht ohne Gewalt aus. Perfekte Musterbeispiele für diese Genrejuwelen sind Der Clou, Das große Dings bei Brinks oder Der Millionenraub. Das Heist-Movies aber auch etwas brutaler sein können beweisen die französischen Genre-Speerspitzen Der Coup sowie das düstere Gangsterepos Vier im roten Kreis. Und wenn das Genre einmal komplett auseinander genommen werden soll, ist The Silent Partner, der als spannender Bastard aus Thriller, Heist und zynischer Gesellschaftskritik ebenso bei den guten Hitchcock-Filmen stehen könnte…

Das große Dings bei Brinks [William Friedkin]

(USA 1978)

Regisseur William Friedkin gehört eigentlich zu den großen Ikonen des New Hollywood Kinos. Mit French Connection hat er zu Beginn des Jahrzehnts dem Copthriller einen brutalen, rohen Twist gegeben und mit Der Exorzist hat er dem Supernatural Horror ein provokantes, unnachgiebiges Meisterwerk verschafft. Umso überraschender der Film, mit dem er seine cineastische Dekade abschließt. The Brink’s Job ist so weit entfernt vom neuen Hollywood, wie es nur irgendwie sein kann. Eine ungemein nostalgische, man könnte fast sagen regressive Krimikomödie, die mit einem angenehmen Augenzwinkern Topoi und Klischees des Genres abarbeitet. Die vermeintlich uneinnehmbare Festung einer vermeintlich hoch professionellen Sicherheitsfirma entpuppt sich in diesem charmanten Ganovenstück als ziemlicher Saftladen. Und dementsprechend leicht wird es dann auch unseren Protagonisten – allen voran ein herrlich sympathischer Peter Falk – gemacht, ihren großen Coup durchzuziehen. Friedkin bewegt sich auf dem ungewohnten Terrain so, als er hätte er seit Jahren nichts anderes beackert. Er inszeniert hier einen flotten, ein wenig albernen Heist Movie der alten Schule, der durch seine ironischen Spitzen und sein Spiel mit dem Genre nie altbacken daherkommt. Eine tolle Mischung aus Gefälligkeit und Kauzigkeit mit einem fantastischen Finale und viel Liebe für die großen und kleinen Ganoven, die sich irgendwie durchs Leben schlagen.

Der Clou [George Roy Hill]

(USA 1973)

Auch George Roy Hills The Sting scheint komplett aus der Zeit gefallen. Nicht nur, dass er zur Zeit der glorreichen 30er Jahre spielt, auch scheint er durch und durch den Gedanken des Good Old Hollywood in sich aufgesaugt zu haben. Das gefiel der Academy damals besonders gut und so wurde diese kleine, unaufgeregte Krimikomödie mit sagenhaften sieben Oscars ausgezeichnet. Aber bei Gott, die hat er auch verdient. Denn durch sein „Außerhalb der Zeit stehen“ taugt er zu einem absolut zeitlosen Klassiker. Paul Newman und Robert Redford begeistern hier als zwei kleine Straßenbanditen, die den Mord an ihrem Freund rächen, indem sie das machen, was sie am besten können: Einen anderen Menschen mit vielen Tricks und Kniffen um eine Menge Geld erleichtern. Das Umwerfende an Der Clou ist, dass er in jeder Zeit hätte entstehen können: In den 50ern ebenso wie in den 70ern oder gar den 2000ern. Ihm haftet kein Zeitgeist an sondern viel mehr absolute Detailversessenheit und Perfektionismus bei der Erzählung eines trickreichen Ganovenstücks. Garniert mit cleveren Plottwists, vielen skurrilen aber auch liebenswürdigen Figuren ist The Sting in der Tat ein zeitloses Meisterwerk, das runtergeht wie Öl und sich gerade wegen seiner konsequent charmanten Haltung gegen jeden New Hollywood Thriller locker behaupten kann. Nicht nur verdienter Oscargewinner sondern auch einer der besten Heist Movies aller Zeiten, weit über die 70er Jahre hinaus.

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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Der Coup [Henri Verneuil]

(Frankreich 1971)

Nicht nur die Amerikaner können zeitlos charmante Heist Unterhaltung, auch die Europäer und insbesondere die Franzosen haben ein gewisses Händchen für dieses Genre. Dabei ist Le Casse (der im englischsprachigen Raum unter dem Titel The Burglars lief) nicht einmal reiner Heist Movie sondern viel mehr eine frivole Verknüpfung von krimineller Genialität und aberwitzigem „Räuber und Gendarm“-Spiel, das den ausufernden Mittelteil des Films einnimmt. Mit Jean-Paul Belmondo als schlitzohriger, gerissener Dieb und Omar Sharif als korrupter Cop (und wirklich fieser, unsympathischer Antagonist) finden wir hier aber auch genau die richtigen Typen für ein elegantes, manchmal auch albernes Katz und Maus an der griechischen Küste. Neben seinem Charme gefällt Le Casse vor allem durch seinen bunten, entspannten und vor allem hedonistischen Grundton, der ganz gut gegen so manche Redundanz und Klischeehaftigkeit ankämpft. Hinzu kommen noch einige wirklich gelungene Actionsequenzen, ein paar überraschend brutale Stellen und ein herrlich albernes Finale. Et voilà ein wirklich gelungener, nie zu großspuriger Genrebeitrag aus Frankreich, der einfach Spaß macht.

The Silent Partner [Daryl Duke]

(Kanada 1978)

Ein Katz- und Mausspiel dominiert auch den durch und durch gehässigen und morbiden Heist Thriller L’argent de la banque, in dem ein langweiliger, feiger Bankangestellter durch einen kleinen Impuls zum heimlichen Mittäter und alleinigen Profiteur eines versuchten Bankraubes wird. Das findet der eigentliche Bankräuber alles andere als klasse und versucht daher seinen Komplizen wider Willen loszuwerden und das geraubte Geld allein abzukassieren. The Silent Partner weiß im besten Sinne des Wortes nicht genau, wo er hinwill: Will er makabere, ironische Dekonstruktion des Genres sein? Will er sich mit einer Menge Suspense zum düsteren und sarkastischen Hitchcock-Thriller aufspielen? Will er gar mit seinen Psychothrillermomenten, seinem psychopathischen und erbarmungslosen Antagonisten gar zum Mini-Horrorfilm werden? Das Chargieren zwischen Comedy, Thrill und Horror, zwischen ernstem Krimi, raffiniertem Gaunermärchen, bitterer Satire und bösem Killerstreifen gehört hier einfach zum Konzept und scheut sich auch nicht davor, mit einer ordentlichen Geschwindigkeit zwischen Lachen und Erschrecken, Jubel und Abscheu zu wechseln. The Silent Partner macht Spaß, man darf sich von seinem unterhaltsamen Ton allerdings nicht täuschen lassen, sonst wird man von so mancher brutalen Stelle in die Knie gezwungen. Eine fiese, alles andere als gefällige Mischung, die Dank ihres Mutes zum Genrehopping deutlich waghalsiger und origineller daherkommt als viele andere Bankraubgeschichten dieser Dekade.

Vier im roten Kreis [Jean-Pierre Melville]

(Frankreich 1970)

Ein Heist Film, der komplett ohne Humor auskommt ist Jean-Pierre Melvilles nüchterne und zugleich elegische Gangsterballade Le Cercle rouge. Auch unabhängig von ihrer Melodramatik und Düsternis muss das Genre ein wenig gedehnt werden, damit sie darin einen Platz findet. Eine ganze Stunde dauert es in diesem über zweistündigen Meisterwerk, bis wir überhaupt der Planung und Ausführung des großen Raubes beiwohnen dürfen. Dieser wird dann allerdings in einer ungemein spannenden Sequenz praktisch lautlos (ohne ein einziges gesprochenes Wort), dafür aber umso durchdachter über die Bühne gebracht. Davor wohnen wir einem Szenario bei, in dem ein gerade freigelassener Exhäftling und ein Gangster auf der Flucht langsam Vertrauen zueinander schließen, gezwungenermaßen gemeinsam Probleme lösen und schließlich mit Komplizen wie Gegenspielern ein dichtes Band knüpfen, das den titelgebenden roten Kreis darstellt. Melvilles Stärke bestand schon immer darin mit einem wortkargen Perfektionismus eine kühle und durchdachte Welt zu zeichnen. Vier im roten Kreis ist der Höhepunkt dieser Filmkunst: Ein perfekt arrangiertes Kriminellenkaleidoskop mit einem faszinierenden Blick auf Männlichkeitsideale, Ehre und Loyalität in der Welt des Verbrechens, durchzogen von einer unausgesprochenen Melancholie und einer nicht zu leugnenden Romantik und Erotik des Männerbundes im Subtext. Ein mitreißender Thriller wie es in diesem Jahrzehnt keinen zweiten gibt, ein trockenes, ruhiges Märchen von böse und böse, und ein sowohl visuell als auch auditiv atemberaubendes Meisterwerk.

Der Millionenraub [Richard Brooks]

(USA 1971)

Und zum Abschluss dann noch eine Heist-Komödie der ganz ganz alten Schule. Auch wenn Dollars/$ (so der Originaltitel) nicht ganz so liebenswürdig witzig wie der Brink’s Job und nicht ganz so durchperfektioniert wie Der Clou ist, handelt es sich bei ihm dennoch um eine kleine verborgene Perle des 70er Jahre Kinos. Das liegt einfach daran, dass er genau das abliefert, was man von einem guten Heist-Film erwartet. Die beiden Protagonisten dieses Coups sind jeder auf seine Art, durch und durch sympathisch: Warren Beatty als cleverer Sicherheitsberater, der das in ihn gesetzte Vertrauen einer Bank ausnutzt, um einige Großverbrecher um ihr Geld zu erleichtern und Goldie Hawn als leichtes Mädchen, das ihm dabei tatkräftig zur Seite steht. Der besondere Kniff dieser Krimikomödie: Sie spielt in Hamburg und hat mit Gert Fröbe als schusseliger, naiver Bankdirektor sogar eine echte deutsche Schauspielgröße im Gepäck. Aber auch abseits davon unterhält Der Millionenraub bestens mit einem intelligenten, gut durchdachten Plot, einem schön gehässigen und spöttischen Blick auf vermeintliche kriminelle Genies (die Männer in diesem Film entpuppen sich auf kurz oder lang alle als ziemliche Trottel), mit einem total montierten „Einbruch“ und einer schwungvollen Verfolgungsjagd, die sich durch das gesamte letzte Drittel zieht. Dollars mag kein großes Meisterwerk sein, aber er ist die beste Form von leichter und frivoler Unterhaltung, die man sich vorstellen kann. Pflichtprogramm für alle Genreliebhaber und Genreliebhaberinnen.

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