Die besten Copthriller und Polizeifilme der 70er Jahre II

Dass die Masse an Polizeifilmen der 70er Jahre vor allem aus Europa, ganz konkret aus Italien, kommt, durften wir in der letzten Retrospektive über die Poliziottesco-Filme erfahren. Die Klasse indes ist dann doch auf der anderen Seite des atlantischen Ozeans anzutreffen. Dabei unterscheiden sich die meisten amerikanischen Copthriller gar nicht so sehr von ihren italienischen Konterparts. Auch hier finden wir die klassischen Tropes des Genres: Raubeinige Cops, die es mit den Regeln ihres Berufs nicht so genau nehmen, die einer scheinbaren Übermacht des organisierten Verbrechens gegenüberstehen, es aber schaffen, sich durch ihre konventionelle Art durchzubeißen. Auch hier hin und wieder die fragwürdige Moral, die dieses Narrativ mit sich bringt, auch hier die Glorifizierung von Gewalt und die Darstellung fragwürdiger Ermittlungsmethoden. Als Musterbeispiel gelten dabei ohne Frage Dirty Harry und die French Connection Filme. Aber es gibt auch im amerikanischen Kino reflektiertere und vor allem intelligentere Beiträge zu dem Sujet. So wird in dem bis zum heutigen Tag etwas verkannten Dirty Harry 2 Selbstjustiz von Polizeibeamten kritisch reflektiert. In French Connection II wird der Polizist durch eine erzwungene Abhängigkeit zu seinem eigenen, ärgsten Widersacher, und dem Biopic-Drama Serpico gelingt es sogar, Korruption und Verkommenheit im polizeilichen Alltag ohne aufgedrückte Action- oder Thrillmomente zu erzählen. Und wenn es dann doch zwischendurch einfach nur ruppig und rasant zugehen soll, kann man immer noch zum rohen Actioneer The Seven-Ups greifen, der, was raue und enervierende Action betrifft, den italienischen Genrekollegen in nichts nachsteht.

Dirty Harry [Don Siegel]

(USA 1971)

Yeah, well, when an adult male is chasing a female with intent to commit rape, I shoot the bastard – that’s my policy. Wohl kein anderes Zitat in der Geschichte des Films hat derart gut die Attitüde eines Protagonisten zusammengefasst. Dirty Harry ist zur Ikone des 70er Jahre Actionkinos geworden und gilt auch heute noch als ikonischster Leinwandcop überhaupt. Kein Wunder, Actionheld Clint Eastwood, der schon zuvor in raubeinigen Rollen aufgefallen war, wurde durch die Rolle des eigensinnigen Cops zum Star. Die Mischung aus Ermittlungsthriller, rauem Actioneer und düsterem Copdrama ist ebenso kontrovers wie verführerisch. Ja, natürlich wird hier Gewalt glorifiziert, natürlich werden fragwürdige polizeiliche Methoden verharmlost, natürlich wird Selbstjustiz als probates Mittel gegen Kriminalität mehr als nur geduldet. Aber daneben ist Dirty Harry auch ein tiefer Blick in die Abgründe seines Protagonisten, die Seelenschau eines geschlagenen, teilweise ohnmächtigen Mannes, der dennoch immer wieder zum Kampf bereit ist. Dass Dirty Harry publikumswirksame Action von rechts ist, steht außer Frage, aber in diesem politischen Grundton ist er straight forward, mitunter auch nachdenklich, aber ohne überschüssige Geschwätzigkeit und Pseudorechtfertigung. Man mag es halten, wie man will: Dirty Harry zählt vollkommen zurecht zu den Klassikern des Genres und kann auch heute noch als faszinierende Seelenschau von merkwürdigen Rechtsauffassungen und als düsterer Actionthriller begeistern.

The French Connection: Brennpunkt Brooklyn [William Friedkin]

(USA 1971)

Im selben Jahr wie Harry Callahan erblickte ein zweiter zur Ikone gewordener Cop das Licht der Welt: Jimmy „Popeye“ Doyle, gespielt von Gene Hackman. Wo Dirty Harry aus dem Sujet des einsamen, aufrechten Cops einen geradlinigen Actioneer schnitzt, ist The French Connection deutlich düsterer, reflektierter und auch realistischer. Hier wird nicht glorifiziert, sondern betrachtet, eiskalt, nüchtern und brutal. Man kann in William Friedkins Herangehensweise durchaus auch zumindest so etwas wie fehlende Reflexion hineinlesen, man kann hier durchaus so etwas wie eine moralfreie und damit zumindest indirekt affirmative Polizistenballade erkennen, aber Brennpunkt Brooklyn will auch keine psychologische Abhandlung sein, kein Manifest, weder gegen noch für eine Ausweitung polizeilicher Kompetenzen. Er will darstellen, nicht hinterfragen, er will offenlegen, nicht mit Sinn füllen… und das gelingt ihm durch und durch. Einen derart spannenden, nervenaufreibenden und zugleich klar geerdeten Mix aus Thriller, Action und Drama muss man in den 70ern sonst lange suchen. The French Connection ist das aufregende Momentum der Polizeiarbeit auf den Punkt gebracht, mit all dem Dreck und all dem Leid, das der Job mit sich bringen kann. Vollkommen zurecht mit fünf Oscars ausgezeichnet, vollkommen zurecht ein Actionklassiker des New Hollywood.

The Seven-Ups [Philip D’Antoni]

(USA 1973)

Dass der massive Erfolg von Brennpunkt Brooklyn und Dirty Harry Nacheiferer nach sich ziehen sollte, war natürlich eine ausgemachte Sache. Zu den besseren Semiplagiaten insbesondere von The French Connection zählt Philip D’Antonis The Seven-Ups, in dem Roy Scheider als zynischer, verbitterter und kämpferischer Cop auf Ganovenjagd gehen darf. Auch wenn The Seven-Ups nicht im geringsten an die Qualität seines großen Vorbilds herankommt, besitzt er doch genug Ingredienzen, um als eigenständiger Actionthriller hervorragend zu funktionieren. Da ist zum einen seine lakonische, trockene Seite, die sich sowohl in den Dialogen als auch in den herbstlichen, fast schon müde melancholischen Bildern widerspiegelt. Da ist zum zweiten seine rohe, dreckige Seite, fest verankert in der einfachen Geschichte zwischen Noir und Copthriller. Und da ist zum dritten seine Action, die in einer fantastischen Autoverfolgungsjagd kulminiert, die einerseits traditionell daherkommt, andererseits aber in ihrer perfekt choreographierten und montierten sowie halsbrecherischen Action zwischendurch sogar die Vorbilder in den Schatten stellt. Kein Wunder, war doch neben anderen French Connection Protagonisten an diesem Film auch Stuntkoordinator Bill Hickman beteiligt, der bereits in Bullit aus dem Jahr 1968 für eine der großartigsten Actionsequenzen des Jahrzehnts verantwortlich sein. The Seven-Ups mag nicht so tiefgründig sein wie sein Vorbild, aber er weiß wie man räudige Copaction grandios inszeniert. Und das reicht in diesem Fall für eine herbe, deftige Empfehlung.

French Connection II [John Frankenheimer]

(USA, Frankreich 1975)

Die vier Jahre nach dem ersten Teil veröffentlichte Fortsetzung von French Connection wird immer ein wenig im Schatten des oscarprämierten Vorgängers stehen: Neue Regie, neuer Schauplatz, neues Konzept. Im Gegensatz zum ersten Teil beruht French Connection II nicht mehr auf wahren Begebenheiten (wobei die Anknüpfung an die Realität bereits dort nur lose war), Regie führt dieses Mal nicht New Hollywood Veteran William Friedkin sondern Krimi-Urgestein John Frankenheimer und Schauplatz ist nicht mehr das dreckige New York sondern das chaotische und hektische Marseille. Es gibt allerdings einige Gründe, die dafür sprechen, dass der zweite Teil dem Original nicht nur ebenbürtig sondern in manchen Momenten gar überlegen ist: Statt detailverliebter Ermittlungsarbeit gibt es hier eine Menge Clash of the cultures Spaß, statt trockener Brutalität gibt es hier bärbeißige Action und statt düsterem Zynismus gibt es hier viele und ausschweifende Emotionen. Ganz zentral dabei, der Plot um den vom Schurken zur Heroinsucht gezwungenen Popeye, der plötzlich in der Tat deutlich schwächer, hilfloser und verzweifelter ist, als man es von den lakonischen Cops aus diesem Genre kennt. In seinem Kampf gegen sich selbst findet der Held die eigenen Schwächen, wird zum Opfer, zum Leidenden, der fast zu Grunde geht. Dieser Mut zur Schwäche ist ein Unikum in einem Genre, das sonst bewusst traditionelle Maskulinität und vermeintliche Stärken betont und überhöht. The French Connection II mag in seinem Gesamterscheinungsbild nicht ganz so brillant sein wie Brennpunkt Brooklyn, aber er traut sich oft genug über diesen hinauszuwachsen und ist oft genug derart gegen den Genrestrich gebürstet, dass er deutlich mehr Lob und Anerkennung verdient, als er im Schatten seines großen Bruders erhalten hat.

Dirty Harry II – Calahan [Ted Post]

(USA 1973)

Auch die unter dem Originaltitel Magnum Force veröffentlichte Fortsetzung von Dirty Harry steht bis heute im Schatten ihres Vorgängers. Dabei ist Ted Post hier mindestens ebenso radikal wie John Frankenheimer wenn es um die Reflexion von traditionellen Genre Tropes geht. In Dirty Harry II wird der ikonische Protagonist Calahan nämlich quasi mit sich selbst konfrontiert, indem er auf eine ganze Gruppe rachsüchtiger und der Selbstjustiz frönender Cops stößt. Mehr als in jedem anderen Copthriller der 70er Jahre verschwimmen hier die Grenzen von Gut und Böse. Der selbstgerechte, eigensinnige Cop befindet sich plötzlich im Kampf gegen sein eigenes, hässliches Zerrbild. Seine Gegner sind niemand anderes als die Kinder, die sein schiefes Verständnis von Polizeiarbeit zur Welt gebracht hat. Damit ist Dirty Harry II fast so etwas wie eine Redemption Arc für Calahan, der sein eigenes Rechtverständnis von der Handlung reflektiert sieht, ohne auf diese Hypermetaebene Einfluss nehmen zu können. Er ist auch eine Redemption Arc für Clint Eastwood, der die Filme der Reihe immer gegen Angriffe, es seien bloße Selbstjustizschinken, verteidigen musste. Leider wurde diese dreckige, selbstironische Note von der Kritik bis heute ignoriert (oder für unglaubwürdig befunden), dabei macht sie Magnum Force neben dem Original zum besten Film der gesamten Franchise.

Serpico [Sidney Lumet]

(USA 1973)

Der beste Polizeifilm der 70er Jahre indes ist weder ein düsterer Thriller noch ein brutaler Actioneer. Er ist ein Biopic, ein humanistisches Drama, das sich intensiv mit Korruption in der amerikanischen Polizei auseinandersetzt. Regievirtuose Sidney Lumet verfilmt hier die Biografie von Peter Maas, die auf dem Leben des echten US-Cops Frank Serpico beruht. Al Pacino spielt diesen Helden wider Willen wahnsinnig gut. Sowohl Drehbuch als auch Regie als auch Hauptdarsteller haben ein unglaublich gutes Gespür für die Emotionen ihres Protagonisten. Serpico ist unfassbar sensibel, findet genau das richtige Pacing zwischen der Darstellung Beruf, Öffentlichkeit und Privatleben, oszilliert dabei perfekt zwischen Spannung, Mut und Hoffnungslosigkeit und ist dadurch nicht nur realitätsnah sondern auch deutlich differenzierter und ambivalenter als alle seine Kollegen und Gegenspieler. Dabei gelingt ihm die richtige Mischung aus Fakten und Fiktionen aus tatsachenbasierter Biografie und spannender, episodisch aufgebauter Geschichte. Serpico ist nicht weniger als der beste Polizeifilm des Jahrzehnts und der Beweis, dass sich diese Welt auch ohne plumpe Action, ohne überzogene Krimihandlung und vor allem ohne fragwürdigen moralischen Hintergrund darstellen lässt.

Related Posts