Die besten Thriller der 80er Jahre IV

80er Thriller-Retrospektive No. 4: Dieses Mal wird es elegant, es wird knisternd und es wird düster… richtig düster. Neben den ganzen, mitunter viel zu glatten Hollywood-Thrillern dieser Dekade, haben sich die 80er nämlich durchaus auch als Jahrzehnt des Independent-Thrillers hervorgetan. Und während die Traumfabrik, auch wenn es um Mord geht, ihre selbstzensierenden Standards hat, darf es im Indie-Bereich ruhig etwas abnormer und abartiger zugehen. So sorgten sowohl Blue Velvet als auch Henry – Portrait of a Serial Killer in ihrer Heimat für einige Kontroversen, letzterer wurde hierzulande sogar auf den Index gesetzt. Auch Hitcher, der Highway Killer hat eine bewegende BPjM-Geschichte, inklusive zahlloser Schnittvariationen hinter sich. Auf andere Weise aus dem Rahmen fallen der französische Genrebeitrag Diva, der seine klassische Krimi-Handlung mit zahllosen Zitaten, Referenzen und skurrilen Intermezzi aufsprengt, sowie Leben und Sterben in L.A., der den Kampf „gut gegen böse“ als Kampf „böse gegen böse“ inszeniert, dabei aber nie vergisst, spannendes Genrekino zu sein.

Blue Velvet [David Lynch]

(USA 1986)

Bevor David Lynch in den 90er Jahren zu seiner ganz eigenen Mischung aus Mystery, Surrealismus und Horror fand, drehte er bereits in den 80ern Filme, die sich zwar an traditionellen Genres orientierten, dabei allerdings alles andere als gewöhnlich waren. Ein Musterbeispiel seiner 80er Jahre Regie-Kunst ist das eiskalte und zugleich fast schon kitschig warmherzige Thriller-Drama Blue Velvet: Es geht um die Dunkelheit direkt in der Nachbarschaft der unschuldigen US-Vororte, es geht um erwachende Sexualität, um perverse Obsessionen, um Verführung, um Macht und Ohnmacht… und all diese Sujets verpflanzt Lynch in einen packenden Neo Noir Thriller, der immer wieder Spots findet, die ohnehin schon bedrohliche Atmosphäre mit grotesken, surrealen Absurditäten aufzubrechen. Und zwischendurch gibt es noch eine der sowohl schönsten als auch gruseligsten Musical-Einlagen der Filmgeschichte, Dean Stockwell im Vollplayback zu Roy Orbisons „In Dreams“, während Dennis Hopper mit zwei, drei Gesichtsausdrücken die gesamte Tragik dieses verdammten Meisterwerks zusammenfasst. Nicht nur einer der besten Thriller der Dekade…

Hitcher – The Highway Killer [Robert Harmon]

(USA 1986)

Während Blue Velvet quasi die psychoanalytische Speerspitze des 80er Thriller-Genres darstellt, ist Hitcher – Der Highwaykiller weitaus weniger subtil, weniger psychologisch ausgefeilt und auch weitaus weniger differenziert, wenn es um die Charakterzeichnung seiner Protagonisten geht. Dafür funktioniert der kalte und trostlose Thriller auf einer ganz anderen Ebene: Als ausgezeichnete Auseinandersetzung mit der Ohnmacht angesichts des reinen, unnachgiebigen Bösen. Der Zweikampf zwischen einem jungen Mann und einem psychopathischen Serienmörder wird dadurch zum beinahe metaphysischen Terrorfilm, zu einer Grenzerfahrung zwischen Gewalt, Hilflosigkeit und der faszinierenden Präsenz eines durch und durch nihilistischen, misanthropischen Antagonisten. Ergänzt durch seine schroffe, selbst dem Publikum gegenüber aggressive Art ist Hitcher dadurch ein Gewalterlebnis durch und durch, auf merkwürdige Art zwischen sensationalistischem Horrorschocker und tiefgründiger Sozialdarwinismus-Fabel oszillierend. Alles andere als ein leichter Film, aber ein Film, den man gesehen haben sollte.

Diva [Jean-Jacques Beineix]

(Frankreich 1981)

Während sowohl Blue Velvet als auch Hitcher eine Menge Aufmerksamkeit dadurch generierten, dass sie mit provokanten Bildern und düsteren, nihilistischen Sujets das Publikum fesselten (und manchmal auch abstießen), arbeit Beineix’s Neo Noir Thriller Diva mit ganz anderen Mitteln, ist dabei aber keineswegs weniger grell und furios. Die Geschichte um einen Opernfreund, der mit dem Bootleg einer Diva und der Kassette einer Prostituierten gleich zwei verfängliche Audioaufnahmen mit sich herumträgt, ist eine extravagante Achterbahnfahrt durch das nächtliche Paris und eine fantastische Verschmelzung von Tradition und Moderne. So kollidiert die schillernde Welt der Opern-Arien mit nach vorne peitschenden 80er Synthies, so kollidiert die Welt der hohen Kultur mit dem Milieu der Straße und der Kriminalität, und so kollidieren schließlich die nur scheinbar getrennten Welten von Recht und Gesetz sowie anarchischem Sozialdarwinismus. Dazwischen ein höchst sympathischer, dekadenter und lebensfroher Protagonist, der permanent damit beschäftigt ist, seinen Arsch zu retten. Opulente, farbenfrohe und surreale Neo Noir Thriller-Kost vom Feinsten.

Leben und Sterben in L.A. [William Friedkin]

(USA 1985)

Die Auslotung und das Überschreiten von Grenzen sind auch Sujet des spannenden Rachethrillers Leben und Sterben in L.A. Der Konflikt, der hier zu einer Abwärtsspirale der Gewalt, des Misstrauen und Verrates führt, ist der Konflikt obsessiver Ermittler, die alles dafür tun würden, die vermeintlich Bösen zur Strecke zu bringen. Dabei verschwimmen die Grenzen von Recht und Unrecht mehr als einmal, Sympathieträger werden zu Antihelden, plötzlich gar zu Antagonisten über die Schwelle der Amoralität hinaus. Polizeiarbeit wird zum bloßen Suchen nach Rache und im Gewimmel von Gut und Böse verliert nicht nur ein Protagonist die Übersicht. Inszeniert wird dies alles als furioser Revenge Thriller mit raubeiniger Action und hintergründigen Gewaltreflexionen. Eine würdevolle Fortsetzung des Dirty Harry Sujets, in einer Zeit als das große Vorbild längst der Mittelmäßigkeit anheim gefallen war.

Henry: Portrait of a Serial Killer [John McNaughton]

(USA 1986)

Der Low Budget Thriller Henry: Portrait of a Serial Killer ist ein Film, dem gar nicht so leicht beizukommen ist. Das fängt bereits bei dem in die Irre führenden Titel an. Anstatt den Weg breiter Erklärungsmuster zu gehen und ein differenziertes Porträt einer gestörten Persönlichkeit zu zeigen – und dabei letzten Endes doch auf stereotype Erklärungsansätze zurückzugreifen – verzichtet McNaughtons Thriller gleich auf jede mögliche psychologische Herleitung und Verklausulierung und zeigt auf denkbar schmerzhaft nüchterne Weise das was ist, wie es ist. Mit ruhigen Kameraeinstellungen wird das Leben eines krankhaften Mörders inszeniert: Irgendwie dokumentarisch, allerdings nie voyeuristisch, dafür jedoch mit einem deprimierenden Gespür für die Alltäglichkeit und die Belanglosigkeit der menschlichen Gewalt. Wahrscheinlich war es vor allem das, was – neben der ungeschönten, brutalen Darstellung der Morde, was zu einer Indizierung des Films durch die BPjS führte. Seit 2012 ist der spannende – nach wie vor streitbare – Kultfilm wieder freigegeben und wird mittlerweile vom großartigen Bildstörungs-Label auf DVD vertrieben.

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Erstveröffentlichung: 2015