Die besten Erotikfilme der 90er Jahre: Warum ‚Basic Instinct‘ da nicht rein gehört

Ist schon ein bisschen her, dass ich diese Rezension geschrieben habe… Kann aber nach wie vor noch jedes einzelne Wort davon unterstreichen… Basic Instinct ist in meinen Augen wohl der am meisten überschätzte Erotik-Thriller-Hype der 90er Jahre. Letzten Endes nicht viel mehr als ein laues B-Movie-Lüftchen, das durch gezielt eingesetzte Provokationen mehr Aufmerksamkeit bekam, als es tatsächlich verdient. Und hier die ausführlichere Begründung, warum der Film in der 90er-Erotikfilmretrospektive – trotz Klassikerstatus – übergangen wurde…

Basic Instinct [Paul Verhoeven]

(USA 1992)

Ein stickiges, schwül heißes Verhörzimmer. Im Blickfeld des Raumes sitzt eine junge, attraktive Blondine in einem sehr, sehr kurzen Minirock. Um sie herum im Halbkreis eine ganze Schar lüsterner Polizisten. Die Blondine scheint die Situation exakt einzuschätzen, mustert jeden einzeln, beantwortet Fragen mit Gegenfragen und wickelt so ziemlich jede anwesende Person um den Finger. Sie zündet sich eine Zigarette an… „Rauchen ist in diesem Gebäude verboten!“ „Was wollen sie jetzt tun? Mich fürs Rauchen verhaften?“ Ein Raunen geht durch den Raum, während diese mysteriöse Blondine weiterhin ihre Reize einsetzt um die Situation für sich zu entscheiden. „Schon mal auf Koks gefickt, Nick?“ fragt sie den lüsternsten Cop von allen und schenkt ihm ein laszives Lächeln. Dann scheint plötzlich für eine Sekunde, für einen Augenblick alles stillzustehen. Wie in Zeitlupe wechselt die Femme fatale ihre Sitzposition, spreizt die Beine und legt sie wieder übereinander. Ein Raunen, ein Augenblick voller brennender Fragen, ein Funkeln, ein Blitzen, eine wahnwitzige Aufregung… Ist das, kann das sein, darf das? Ja, diese Frau mit dem Mini und dem schwül-erotischen Blick trägt keine Unterwäsche und für den Bruchteil einer Sekunde dürfen wir alle, die Polizisten, die Anwälte, die minderjährigen und erwachsenen Zuschauer, ja wir alle, einen unverfälschten Blick mitten in ihre holde, pelzige Weiblichkeit werfen. Halleluja!

Als Basic Instinct, der nun im Jahre 2005 seine absolut gar nicht ersehnte Fortsetzung bekommt, 1992 in die Kinos kam, war die Aufregung groß. Und tatsächlich, nicht die neckischen Oralsexpraktiken zwischen dem mutmaßlich sexsüchtigen Michael Douglas und der 90er Vorzeigeblondine Sharon Stone, und auch nicht die Verbindung von Sex, Macht, Gewalt und Mord waren es, die für helle Aufregung sorgten, sondern diese eine Szene, diese 3 Sekunden zwischen Himmel und Erde, die deutlich sichtbar die Schambehaarung einer Frau hervorlugen lassen. Alles andere war dann auch mehr oder weniger Makulatur: Die Aufregung der kirchlichen Würdenträger über den cineastischen Sittenverfall, die Empörung femministischer Verbände wegen der Euphemisierung einer Quasi-Vergewaltigung, die Gerüchte, die Sexszenen zwischen den beiden Protagonisten seien tatsächlich mehr als nur gespielt, oder das abwechselnde Andichten von Alkoholismus, Drogensucht oder Nymphomanie in der Verkennung der Tatsache, dass die Rolle in einem Film nicht mit dem tatsächlichen Charakter des jeweiligen Schauspielers übereinstimmen muss. Alles eine direkte Folge dieser fatalen Schlüsselszene der erotischen Filmgeschichte…

Und doch gibt man sich als kritischer Beobachter mit diesem Infernal der Schambehaarung nicht zufrieden, sondern wirft doch noch einen Blick nach links und rechts und stellt fest. Der Film transportiert tatsächlich eine Geschichte, und deren Protagonist ist mitnichten das verführerische Dreieck zwischen Sharons Schenkeln, dazu ist diese noch inszeniert von Paul Verhoeven, der schon so manchen gelungenen Film für sich verbuchen konnte:

Genau genommen ist der Protagonist der Geschichte der Cop Nick (Michael Douglas), ein abgehalfterter zynischer Alkoholiker, der dank seiner Alkoholabhängigkeit im Dienst schon so manches mal die Kontrolle verloren hat und dementsprechend nicht nur von der Dienstaufsicht kritisch bemustert wird, sondern sich zudem noch mit einer Psychologin herumschlagen muss, die wenigstens ab und zu auch mal das Bett mit ihm teilt (Jeanne Tripplehorn als furchtbare Mischung aus Bambi und Kim Basinger). In seinem neusten Fall kümmert sich Nick um den Mord an einem reichen Rockstar, der während einer munteren Koks- und Sexorgie mit einem Eispickel niedergemetzelt wurde. Der Verdacht fällt sofort auf dessen Geliebte Catherine Tramell (Sharon Stone, Träger des heiligen Pelzes), die ein Allroundtalent zwischen Psychologie, Belletristik und feuchtfröhlichen Sexspielchen ist. Während seiner Nachforschungen verfällt Nick mehr und mehr der kühl-erotischen Blondine, verliert dabei nicht nur seinen Verstand und seine Klamotten sondern auch fast sein Leben.

Es muss schon ein ganz schön laues Kinojahr sein, wenn ein solcher Film für eine dermaßen übertriebene Aufregung sorgt. Denn bei genauerer Betrachtung stellt man sehr schnell fest, dass sich Verhoevens Machwerk in keinster Weise mit den Referenzwerken des Erotik-Thriller-Genres messen kann. Dafür ist die Story viel zu sehr 08/15 Sex and Crime Standard. Der abgehalfterte Cop, die gerissene Psychologin, deren nackte Haut letzten Endes doch erfolgreicher ist, als ihr rhetorisches Geschick, enthemmte Leidenschaft, Sadomasochismus: Alles Zutaten, wie man sie schon oft genug gesehen hat. Hinzu kommen die fast schon peinlichen, naiv platten Dialoge, die sich auf dem Niveau von Erotikgroschenheften bewegen. Es ist zwar ein löbliches Vorhaben ein erotisierendes Duell mit einem psychologischen Duell zu kombinieren, dann aber bitte nicht nach Dialogen, die aus Psychologie-Lehrbüchern der 5. Klasse zu stammen scheinen! Bei den meisten Dialogfetzen kann sich der Zuschauer eine peinlich pikierte Röte oder ein lautes Fremdenschamlachen nicht verkneifen.

Einzig die Inszenierung versucht dieser Mittelmäßigkeit entgegen zu wirken. Kameramann Jan de Bont (ein weiterer großer Name, der für dieses miese Skandal-um-jeden-Preis-Drehbuch verheizt wurde) liefert eine hervorragende Arbeit und somit Bilder, die eine unterkühlt, erotische Atmosphäre transportieren. Nicht nur bei den Sexszenen, sondern auch in den psychologischen Duellen bekommt der Film dadurch einen so edlen, eleganten Look, dass er  bei abgeschaltetem Ton fast für gut gehalten werden könnte. Die Musik dagegen tut dieser gekonnten visuellen Umsetzung nur ungut. Der Score malträtiert die Ohren des Zuschauers mit überzogener Dramatik und kreischenden Spannungskurven, durch welche jede Subtilität der kühlen Optik schon im Ansatz vernichtet wird. Fast scheint es so, als würden sich Soundtrack und Schnitt ein Duell liefern, ob der Film nun ein Meisterwerk oder C-Ware für den Auslagetisch sein soll. Die Musik gewinnt dieses ungleiche Duell, erhält sie doch kräftig Unterstützung von den Storyschnitzern (die in einer Paralleldimension eventuell als spannende Wendungen und raffinierte Finten durchgehen könnten) und den Dialogen (die selbst in einer Paralleldimension zum Haareraufen wären). Jaja, das Drehbuch gibt den Weg Richtung Desaster vor; man kann es gar nicht oft genug erwähnen.

Zumindest die stillen Momente zwischen den beiden, besser als alle heißen Wortduelle und hitzigen Sexeskapaden, sind löblich hervorzuheben. Wenn Michael und Sharon einfach mal ruhig sind und ihr Duell nur mit betörenden Blicken austragen, kommt wirklich so etwas wie Suspense auf, denn gute Schauspieler sind sie beide (womit sich auch bei ihnen die Verhoeven-Bont-Frage stellt: Wieso?). Leider dürfen sie es viel zu selten zeigen und müssen sich stattdessen mit der mauen Drehbuchvorlage herumärgern (ok. Einmal soll es noch gesagt sein!). Monotone Sex & Crime Langeweile als Grundkonzept, dankeschön! Dass die Sexszenen mittlerweile gar nicht mehr aufregen können muss wohl gar nicht erst erwähnt werden. Fast schon bieder-brav wirken sie im Vergleich zu modernen Erotikthrillern und auch das gelegentliche Einsetzen roter Farbe kann nicht den Eindruck verhindern, dass der Film in seinem Versuch kühle Raffinesse zu erzeugen und zugleich das Hollywood-Publikum zu schockieren gleich auf doppelte Weise scheitert und stattdessen größtenteils gepflegte Langeweile liefert. Und damit schließt sich auch der Kreis und die Eingangs aufgeworfene Frage dürfte beantwortet sein. Jawohl, die Aufregung um diese Schlüsselszene ist durch und durch nachvollziehbar. Immerhin kann man dann letzten Endes doch nur konstatieren, dass Sharons Pelz tatsächlich das spannendste an diesem Film ist.

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Erstveröffentlichung: 2007/2011