Die besten Actionthriller der 70er Jahre

Es ist schon ein vermaledeites Ding mit diesen Genrehybriden. Ich habe nun wirklich mehr als genug über Thriller in den 70er Jahren geschrieben, habe Mysteriöses, Psychologisches, mit Suspense Vollgepacktes, Politisches und Kriminelles ausgelotet. Ich habe das alles hinter mir gelassen, mir Popcorn zurecht gelegt und mich darauf gefreut, mich einfach von ein paar sinnbefreiten Explosionen, wilden Verfolgungsjagden und spaßigen Kloppereien berieseln zu lassen. Und dann entpuppen sich bei der Erstsichtung und beim Rewatch gleich eine ganze Reihe vermeintlich unbedarfter Actioneers als astreine Thriller. Ja, der Actionthriller kommt (im wahrsten Sinne des Wortes) herbei gerast und platziert sich zwischen Spannungs- und Unterhaltungskino. Also dann, es hilft ja alles nichts. Bevor wir zu den reinrassigeren Actionfilmen kommen, schauen wir uns also erst einmal die an, die so viele Spannungsmomente besitzen, dass sie ebenso im Thriller beheimatet sein könnten. Und dennoch, im Gegensatz zu den zuletzt besprochenen Filmen dominiert bei all diesen nicht der Thrill sondern die Action. Im Visier des Falken und Duell zum Beispiel kommen zwar parabolisch, mysteriös daher, punkten aber vor allem als ausgedehnte Hetzjagden, bei denen der Kampf ums Überleben immer von einer Menge halsbrecherischer Action begleitet wird. Death Wish ist viel zu plump und eindimensional, um mit den großen Thriller der Dekade mitzuhalten. Dafür darf er als grimmiger, antiliberaler, amoralischer Selbstjustiz-Actioneer im konservativen Amerika der 70er Jahre faszinieren. Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123 und Flucht von Alcatraz sind wohl die beiden Filme, denen das Genre-Crossover am besten gelingt. Und Assault – Anschlag bei Nacht schielt mit seiner dreckigen, düsteren Art immer auch ein wenig Richtung Exploitation. Also dann, wenn ihr demnächst Lust auf Kino aus den 70ern habt und euch nicht zwischen Thriller und Action entscheiden könnt, ist das hier die richtige Liste für euch.

Im Visier des Falken [Joseph Losey]

(Großbritannien 1970)

Um gleich mal mit einer edlen Genreperle und einem vergessenen Meisterwerk zu starten: Figures in a Landscape (so der Originaltitel) dürfte zu den ungewöhnlichsten und beeindruckendsten Actionthrillern überhaupt gehören. Das liegt vor allem an seinem radikalen Minimalismus. Anstatt uns zu erzählen, wo und wann wir uns befinden, was warum geschieht, wirft uns Joseph Loseys reduktionistisches Filmjuwel direkt hinein in die Action. Zwei Männer sind zu Fuß auf der Flucht vor einem übermächtigen Helikopter, der sie töten oder gefangen nehmen will. Es geht durch endlos scheinende Landschaften, über Hügel und durch entlegene Dörfer. Die beiden Männer hassen sich, sind aber auch aufeinander angewiesen. Und sie müssen in ihrem Überlebenskampf ständig Entscheidungen treffen, die nicht nur ihr weiteres Schicksal bestimmen, sondern auch ihre Werte und Moralvorstellungen herausfordern. Im Visier des Falken ist im besten Sinne des Wortes bare naked. Er erzählt keine Geschichte sondern zeigt eine Flucht; ohne Kontext, ohne Subtext, größtenteils überhaupt ohne Text. Und gerade dadurch wird er so enervierend und mitreißend. Er ist schnörkellos, vollgepackt mit Action, aber auch bisweilen introspektiv und sogar meditativ. Er lebt durch seine Bilder, die verknappten Dialoge der beiden Protagonisten und die karge Landschaft, die plötzlich zum Schauplatz eines epischen Kampfes zweier Underdogs gegen eine militärische Übermacht wird. Ein vergessenes Meisterwerk des Thriller- und Actionkinos, das nicht viel braucht, um opulente Größe zu gewinnen.

Duell [Steven Spielberg]

(USA 1971)

Der älteste noch erhaltene Film von Steven Spielberg, Duell ist schon so etwas wie ein Bruder im Geiste von Figures in a Landscape. Auch hier haben wir einen Actionthriller vor uns, der von allem befreit wurde, was bei der eigentlichen, enervierenden Handlung hinderlich sein könnte. Ein einfacher Geschäftsmann wird auf dem Highway plötzlich und scheinbar ohne ersichtlichen Grund von einem gigantischen Tanklaster gejagt. Und das wars auch schon. Was folgt sind 90 Minuten pure, adrenalinbeladene Hetzjagd, die – obwohl sie zu 90% auf der Straße spielt – nie zum plumpen Autoverfolgungsjagden-Film verkommt. Dafür ist Spielberg einfach zu gut darin, zwischen den Genres zu pendeln: Es gibt eine Menge Anleihen an wilde B-Movie-Action aus den 50er und 60er Jahren, aber es gibt auch eine tiefe Verbeugung vor dem Proto-Slasher und dem Horrorkino, es gibt einige mitreißende Suspense-Momente, wie sie Hitchcock nicht besser hätte inszenieren können, und es gibt ein parabolisches Rückgrat, indem sich der Film mit der atavistischen, darwinistischen Seite des amerikanischen Straßenalltags auseinandersetzt. Am Ende dieser gigantischen Verfolgungsjagd stehen keine Antworten, keine Auflösungen, dafür aber Bilder, die man so schnell nicht vergisst. Kein Wunder, dass Spielberg nach diesem Monstrum von einem Film (der ursprünglich übrigens als reine TV-Produktion geplant war) zu einem der größten Hollywoodregisseure überhaupt aufsteigen sollte.

Ein Mann sieht rot [Michael Winner]

(USA 1974)

Wenn wir uns im Kino vergangener Jahrzehnte bewegen, kommen wir leider nie ganz an der Frage vorbei, wie viel politischen Zeitgeist wir zulassen oder ertragen können. Egal ob Rassismus, Sexismus, Nationalismus oder Rechtskonservatismus, viele Filme des 20. Jahrhunderts sind voll von politisch und moralisch fragwürdigen Narrativen und Inszenierungsmustern. Death Wish aus dem Jahr 1974 ist ohne jeden Zweifel ein rechter Film. Ähnlich wie die Polizeifilme aus Italien aber auch die amerikanischen Copthriller aus der selben Zeit hat er ein starkes ideologisches Fundament, auf dem er seine Geschichte aufbaut und aus dem er seine Dramaturgie speist. Die Erzählung von einem Mann, der enttäuscht von Polizei und Behörden zum Racheengel in der von Verbrechen verseuchten Großstadt wird, ist ein zynisches Propagandawerk für Selbstjustiz, das Bürgerwehr-Prinzip, das Recht oder gar die Pflicht des vermeintlich kleinen Mannes, Recht und Gesetz selbst in die Hand zu nehmen. Dieser dezidierte Antiliberalismus getragen von einem weißen, bürgerlichen (Anti-)Helden wird von ihm in eine düstere, von morbider Action durchzogene Inszenierung gepackt, deren Pointiertheit und Gewalt man sich kaum entziehen kann. Ein Mann sieht rot ist ein ebenso unangenehmer wie mitreißender Film, einfach weil er auf seinem fragwürdigen moralischen Fundament einen so packenden, einnehmenden Sog entwickelt. Alles ist hier nicht nur gewalttätig sondern auch gewaltig, die Bilder, der grimmige Blick auf den urbanen Raum, die Gehässigkeit, der Zynismus, die Lust an der Vergeltung. Und leider Gottes funktioniert das alles einfach. Damals wegen seiner Legitimierung von Selbstjustiz schon in der Kritik, steht Death Wish auch heute noch als hartes, bedingungsloses konservatives Meisterwerk dar, dessen Klasse man auch anerkennen muss, wenn man mit seiner politischen Grundhaltung nicht d’accord geht. Und so kann hier doch nur ein Fragezeichen stehen bleiben. Wie viel rechte Schlagseite vertragt ihr, wenn sie in einen guten Film gepackt ist? Ein Mann sieht rot könnte das Werk sein, um es herauszufinden.

Assault – Anschlag bei Nacht [John Carpenter]

(USA 1976)

Auch Assault on Precinct 13 könnte die Frage nach der politischen Stoßrichtung aufwerfen… wäre John Carpenter nicht so ein Meister darin, dreckig, roh und kalt zu erzählen und sich dennoch immer den Ausweg des Fantastischen und Irrealen zu bewahren. Im Gegensatz zu vielen (praktisch allen) Copthrillern der 70er Jahre behauptet dieser Actionreißer niemals, er würde Realität abbilden. Stattdessen verpflanzt er die Geschichte von einem entlegenen Polizeirevier, das von einer Jugendgang belagert wird, in eine undefinierte Welt, die ebenso ein protoapokalyptisches Wasteland ähnlich dem des ersten Mad Max Films sein könnte. Denn auch wenn es hier offensichtlich eine funktionierende Gesellschaft, funktionierendes Recht und Gesetz gibt, lukt die Anarchie immer um die Ecke. Und im Zweifel sind die Helden und Antihelden des Plots eben doch auf sich allein gestellt. Daraus entsteht eine einzigartige Mischung aus Home Invasion Horror, Copthriller und exploitativer B-Movie-Action, deren Spannung hin und wieder ins nur schwer Erträgliche kippt, die dadurch aber ungemein packend und vereinnahmend ist. Assault – Anschlag bei Nacht ist düster und makaber, morbide, kalt und zynisch, immer aber auch spannend und unterhaltend, vor allem wenn man das leichte Augenzwinkern Carpenters im Hintergrund vernimmt. Ein dreckiger und böser Film, der am Ende aber vor allem das schafft, was von einem guten Actioneer erwartet werden darf: Einfach nur – auf zugegeben sehr makabere Art – zu unterhalten.

Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123 [Joseph Sargent]

(USA 1974)

Es gibt nur wenige Genremischungen, die so bunt und zugleich so rund sind wie Joseph Sargents The Taking of Pelham One Two Three. Natürlich haben wir es hier mit einem Actionfilm zu tun, bei dem rasende Geschwindigkeit im Mittelpunkt steht. Immerhin wird hier eine U-Bahn entführt, während sie sich auf einer Fahrt durch den New Yorker Untergrund befindet. Da eine Menge Geiseln mit an Bord sind, ist auch für reichlich Spannung gesorgt. Aber das ist noch lange nicht alles. Mit einem wesentlichen Fokus auf die gegen die Entführer ermittelnden Beamten (großartig Walter Matthau als knurriger Polizist) kommt noch eine nette Würze Noir-Krimi hinzu. In seinem klaustrophobischen Setting operiert der U-Bahn-Thriller zudem als hitziges Kammerspiel, und mit einem kleinen Subplot um den überforderten Bürgermeister darf sogar die politische Satire noch ein wenig mitspielen. Umso beeindruckender, wie hier alles Hand in Hand geht: Der Thrill, die Action, der Humor, die Technik und die Nostalgie. Als wäre es ein leichtes wirft Joseph Sargent alles zusammen in einen Topf und generiert daraus dennoch einen extrem homogenen Film, der sich ständig in Bewegung befindet, dabei aber nie zu angestrengt, anstrengend und sensationshungrig wird. Ein wirklich gelungener Reißer zwischen alter und neuer Schule, zwischen klassischem Krimi und New Hollywood Nackenbeißer, inklusive dramatischer Spitzen und charmantem Augenzwinkern.

Flucht von Alcatraz [Don Siegel]

(USA 1979)

Und dann wäre da noch Crime-Veteran Don Siegel, der zusammen mit Clint Eastwood zum Ende des Jahrzehnts einen der dichtesten Actionthrillern der Dekade überhaupt aufs Parkett legt. Escape from Alcatraz ist eine herausragende Mischung aus Gefängnisdrama, Ganovenstück und Actionthriller, in dem das Leben, die Gefangenschaft und die mögliche Flucht von der berüchtigten Gefängnisinsel detailliert durchleuchtet werden. Angelehnt an eine reale Begebenheit – die Flucht Frank Morris‘ von Alcatraz aus dem Jahr 1962 – vermengt Siegels Film Melodramatisches mit Hunoristischem mit Spannung und gediegener Action. Wie schon im Copthriller Dirty Harry kann Siegel hier voll auf seinen Hauptdarsteller setzen, der eine nicht immer sympathische Figur mit derart viel Anti-Charisma verkörpert, das man bis zum Ende mit ihr mitfiebert. Flucht von Alcatraz wird dabei nie zu laut oder effektheischend, sondern erzählt seine Geschichte straight und plausibel, ohne das Publikum dabei aus den Augen zu verlieren. Ein würdiger Abschluss für ein gutes Thrillerjahrzehnt und vielleicht sogar der beste Film des legendären Duos Siegel/Eastwood.

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