Breaking Bad s05e13: To’hajiilee – Unberechenbarkeiten und Genresprünge

Okay, sprechen wir kurz darüber, warum wir Breaking Bad lieben. Denn so sehr sich die ganzen Fans auch darüber einig sind, dass die Serie womöglich das TV-Ereignis des Jahrzehnts, The Best TV-Show except The Wire oder gleich die beste Fernsehserie aller Zeiten ist, so sehr scheinen doch die Meinungen auseinander zu gehen, warum Walter Whites Drogengeschichten ein derartiges Glanzlicht am TV-Himmel darstellen. Ich persönlich liebe ja vor allem die tragischen Momente Breaking Bads und habe jetzt auch schon mehrmals von dritter Stelle bestätigt bekommen, wie deprimierend die Serie auf den Zuschauer wirken kann (auch wenn ich gerade die tragischen Momente eher als reinigend im Sinne einer klassischen Katharsis wahrnehme). Abseits davon wird man aber auch oft genug mit einem Lob der komischen und bizarren Momente der Serie konfrontiert; oder aber auch einem Verweis auf den enervierenden Thrill und die ungeheuerliche Spannung, die Gilligans Meisterwerk auszeichnet; einem Hinweis auf die satirischen Spitzen und politischen Anspielungen (wenn auch deutlich seltener seit Staffel 2) oder gar einem Lob der herausragenden, tiefgründigen Symbolsprache (Wie z.B. Christian Alt in seinen mehr als lesenswerten Recaps). Frag zehn Breaking Bad Fanboys oder Fangirls, warum sie die Serie so schätzen und du erhältst zehn verschiedene Antworten, dessen bin ich mir sicher. Und warum diese ausufernde, lange Einleitung? Weil To’hajiilee einfach noch einmal sehr gut unter Beweis stellt, wie eklektisch und damit auch unberechenbar Breaking Bad mit seinen verschiedenen Genres und Atmosphären umgeht.

Erstens: Die enervierende Spannung; dieses unangenehme Gefühl, dass irgendetwas schlimmes passieren muss, das einen zumindest in der fünften Staffel immer dann beschleicht, wenn die kriminellen Nazis rund um Todd zu sehen sind. Auch das Intro von To’hajiilee bildet diesbezüglich keine Ausnahme. Breaking Bad wird zum langsam erzählten Psychothriller: Auf der einen Seite die hypernervöse, nur aufs Geschäft bedachte Lydia, auf der anderen Seite die unberechenbaren, aggressiven Faschisten rund um Jack. Und schließlich als mittlerweile unangenehmste Erscheinung dazwischen, der vermeintliche Sunnyboy Todd, der hinter einem freundlichen, beinahe unbedarften, Äußeren anscheinend eine tickende Zeitbombe ist: Übrigens eine interessante Analogie zu Walts Werdegang; während dieser sich hinter der bürgerlichen Camouflage versteckte, arbeitet Todd mit der Maske des biederen, netten Boy next door, Marke Dennis the Menace, während er in Wirklichkeit ein eiskalter Killer ist. Regelrecht gruselig wirkt dann auch seine Annäherung an Lydia, die ihr Frösteln vor dem merkwürdigen Heisenberg-Wannabe kaum verbergen kann. „Es werden schreckliche Dinge passieren!“, schreit dieses Intro geradezu in jeder Sekunde: Der Frust der neuen Köche über das enttäuschende Produkt, das psychopathologische Moment Todds, die schludrige Aggressivität und der schludrige Dilettantismus des Geschäfts (Ein offenes Lagerhaus, srsly?), das alles lässt nichts Gutes erahnen. Und dass sich dieser Handlungsstrang mit dem um Heisenberg, Jesse und Hank am Ende des Intros verbindet, verstärkt nur diesen enervierenden Eindruck.

Zweitens: Der schwarze Humor und die unterhaltsamen Momente; ja, sie sind noch da! Man vergisst das ja allzu gerne angesichts der dunklen, unangenehmen Momente. In To’hajiilee dürfen Spaß und grimmiges Lachen beweisen, dass sie nach wie vor ein Faktor Breaking Bads sind. Natürlich offensichtlich in Walt Jr.’s Begeisterung über den prominenten Besuch Sauls in der Waschstraße sowie in der grandiosen – und zugleich bitterkomischen – Huell-Verarsche durch Hank und Gomez. Der gesamte Dialog, inklusive Headshot-Fake, strotzt geradezu von gehässigem Humor, inklusive bemerkenswert abgeklärtem Flunkern Hanks und schreiend komischer Leichtgläubigkeit Huells. Aber das bleibt nicht das einzige unterhaltsame Moment der Episode: Das ganze Szenario von Folge 13 ist zu einer raffinierten „Wer verarscht hier gerade wen?“-Storyline verwoben. So düster Walts Pläne, Jesse zu töten, auch sein mögen, so gemein das erneute Hineinziehen Andreas in diesen Plan auch ist, so respekteinflößend ist seine Art dies zu bewerkstelligen. Die Gerissenheit Walts darf an dieser Stelle wieder einfach nur unverblümt Spaß machen, lässt sogar kurz die brutale Intention seines Vorgehens vergessen. Weder Brock noch Andrea werden in Mitleidenschaft gezogen und genau deshalb wirkt sein Vorgehen erstaunlich ausgeklügelt und geschickt, auch wenn es sich im weiteren Verlauf der Episodeals bei weitem nicht so raffiniert entpuppt, wie vermutet. Raffinierter ist da schon das Vorgehen seiner Kontrahenten: Hank und Jesse: Ein gefaktes Fass mit Geld, eine gefakte Hinrichtung, ein Tracker am Auto… yes sirs! Well played! Diese Heist- und Trick-Komponenten dürfen einfach Spaß machen… ganz egal wie dunkel der Horizont auch aussehen mag.

Drittens: Die Tragödie. Der dunkle Horizont. Er ist schon lange vorher in dieser Folge zu erahnen, wenn auch gut versteckt hinter dem Tempo und der sprühenden Spielfreude aller Protagonisten. Gegen Ende braut er sich aber auf brutale Weise erneut zusammen. In den Szenen vor dem Shootout findet Breaking Bad zu dem Motiv zurück, für das ich die Serie am meisten liebe: Dem Pathos, dem großen Tragischen, der unverblümten Over-The-Top-Awesomeness in ruhig erzählten Bildern. Das fanatische, infernale Geständnis Walts am Handy. Die Erkenntnis, hereingelegt worden, in die geschickt gelegte Falle gelaufen zu sein. Der unfassbar spannende Moment, als Walt in seinem Versteck der Ankunft seiner Richter entgegenblickt. Das abgebrochene Telefonat mit Jacks Jungs. Das anschließende Lauern; das sich Stellen; Handschellen-Klicken… das ist (entschuldigt diese Phrase) ganz großes Kino, ganz großes Theater, ganz große Tragödie! Und gleichzeitig eben auch der Moment, an dem sich weiteres Unheil ankündigt: Das berührende Telefonat zwischen Hank und Marie als Vorbote eines nahenden Todes, das apokalyptische Szenario mitten in der Wüste. Der Zuschauer ahnt bereits: Die Armee ist unterwegs. Vor dem geistigen Auge zeichnen sich bereits die Leichen Hank, Gomez‘ und Jesses ab. Es kann nur brutal werden, es kann nur düster werden, es kann nur tragisch werden… wiederum eine enervierende Anspannung… und… und… und…

…und viertens: Die Überzeichnung; …und Breaking Bad hat den Tragödien-Fan in mir wieder hinters Licht geführt. Holy Shit! Die Antizipation eines schnellen, brutalen und höchstemotionalen Episodenfinales wird komplett gebrochen. Der große, erhabene und zugleich potentiell tragische Moment wird komplett dekonstruiert. Und To’hajiilee wird final zur gewaltigen Action-Karikatur. Pendelte die Szene zuvor noch zwischen Realismus (Walt stellt sich; was bleibt ihm auch anderes übrig? Er wird festgenommen, was sonst?) und großen Emotionen (Jesse spuckt seinem Ex-Mentor ins Gesicht; Hank „verabschiedet“ sich symbolisch von Marie), verkehrt sich plötzlich alles ins Comichafte, Überzeichnete, Überdrehte… in einen waschechten derben Exploitation-Actioneer. Keine Frage: Hank und Gomez müssten eigentlich tot sein, Jesse mindestens schwer verletzt, und Walt auch von wenigstens einem Querschläger getroffen. Aber so leicht wird es uns Zuschauern in unserer Erwartungshaltung nicht gemacht: Wir erleben einen Wüsten-Shootout wie in einem grimmigen Action/Western/Comic/Thriller Bastard. Maschinengewehrsalven ohne Ende. Good Guys in Konfrontation mit Bad Guys auf offenem Gelände… und niemand stirbt. Stattdessen Action, Spannung… und dabei tatsächlich wieder so etwas wie Spaß. Der Tragödienliebhaber und der Realismus-Fan in mir weinen zusammen… und ich sitze jauchzend und fluchend vor dem Fernseher und lasse mein inneres Kind diese Awesomeness abfeiern. Verdammt, Breaking Bad, warum bist du so gnadenlos gnadenvoll? So gnadenvoll gnadenlos? Wieder diese Verzögerung, wieder diese infantile Freude am destruktiven Irrsinn. Wieder Comic, wieder Action, wieder Thrill… und dabei einfach unfassbar gut!

Die Folge endet, wie sollte es auch anders sein, abrupt. Und der Zuschauer bleibt zurück mit einem höhnischen Gewehrfeuer-Lachen, das ihm vom Bildschirm entgegenschallt. Klar, das letzte Wort im Kampf zwischen den Genres ist noch nicht gesprochen. Es kann nach wie vor düster und apokalyptisch ausgehen, was in dieser Wüste – sowohl in der Episode als auch in der gesamten Serie – begonnen hat. Könnte… muss es aber nicht. Auch und gerade nach dieser Episode ist Breaking Bad alles zuzutrauen: Von der erhabenen Tragik über den grimmigen Humor bis zum infernalischen Actionthriller-Finale. Was bleibt ist Ungewissheit; und die daraus resultierende Spannung. Hölle! Nur noch wenige Tage, nur noch drei Folgen. Und die nächste heißt ausgerechnet Ozymandias; eigentlich wieder – zumindest titeltechnisch – die große Tragödie antizipierend. Aber – und das nicht nur mittlerweile, sondern schon länger – ich traue der Serie einiges mehr zu, als ein bloßer Titel versprechen könnte. Ready for Ozymandias! Ready for the final! Ready for whatever!

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