Breaking Bad – Season 1: Recap

Heute beginnt die zweite Hälfte der fünften – und finalen – Staffel von Breaking Bad. Was 2008 als cleverer Hybrid aus Drama, Black Comedy , Kritik am US-Gesundheitssystem und Drogenthriller begonnen hat, hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einem wahrhaften Serienphänomen entwickelt: Überschwängliche Kritiken, die von Staffel zu Staffel besser wurden, ein ordentlicher Zugewinn an Zuschauern, zahllose Auszeichnungen, darunter allein fünf Emmys, und tatsächlich eine qualitative Steigerung von Staffel zu Staffel… Jepp, Breaking Bad ist das geworden, was man vollkommen zurecht mit dem abgegriffenen Label „Kultserie“ umschreiben kann, ein Platz in den Geschichtsbüchern neben Doctor Who und Twin Peaks dürfte dem grandiosen Genre-Bastard nahezu sicher sein: Grund genug, um kurz bevor die Serie ihre letzte Runde startet, die vorangegangenen Staffeln noch einmal Revue passieren lassen: Wie hat sich die Serie im Laufe der Zeit entwickelt? Was ist mit den Protagonisten passiert? Wie stehen die einzelnen Staffeln qualitativ dar, und wie lassen sie sich in der Gesamtserie einordnen? Los gehts mit einem kleinen Recap der ersten Staffel, die bei weitem nicht so düster wie der Rest der Serie daherkommt, allerdings bereits wichtige Punkte setzt, die bis zu den aktuellen Folgen Bestand haben werden.

Und um gleich mal mit dem Wichtigsten anzufangen: Sowohl vom Inhalt als auch Ton unterscheidet diese Staffel sich doch ziemlich von den folgenden Episoden. Zentrales Moment ist die Etablierung Walter Whites als verzweifelter Sympathieträger, als Looser, der durch die Nachricht seiner Krebserkrankung erschüttert aus seinem biederen Leben ausbricht. Die Entwicklung Whites und das gesamte aufgeworfene Szenario erinnern dabei nicht selten an American Beauty: Auch hier geht es um einen Familienvater, der verpassten Chancen nachtrauert, der in seinem bisherigen Leben vor allem gekuscht hat und der letztendlich doch noch die Initiative über sein Leben übernimmt. Auch hier die satirischen Spitzen gegen das US-Vorort-Glück, auch hier die Darstellung der Familie als Hort der unterdrückten Sehnsüchte. So wirkt Skyler White beinahe wie eine differenzierter gezeichnete Rolle der Carolyn aus American Beauty: Während diese sich in eine makellose Präsentation nach außen stürzte und gleichzeitig ihren Ehemann drangsalierte, sind die spießigen Abgründe Skylers weitaus subtiler gezeichnet, nichtsdestotrotz immer wieder Inhalt eines sarkastischen, kritischen Blicks: Das Sexleben mit Walt scheint sich auf Masturbationen – mit gleichzeitiger ebay-Aktivität – zu begrenzen. In ihrer Rolle als ordnungsbewusste Hausfrau und Krisenbewältigerin scheint sie jeden Bezug zu Walts Gefühlswelt verloren zu haben, besonders eindringlich geschildert in Episode 5 (Gray Matter) zu sehen, in der ihre guten Absichten schließlich zu einer obskuren Gesprächskissen-Runde führen, in der sich Walt sichtlich unwohl fühlt.

Ohnehin steht gerade der Beginn der Staffel absolut im Dienste der satirischen Spitzen: Neben dem spießigen Vorortsglück muss ebenso die katastrophale Gesundheitsversorgung der USA dran glauben; mit der Tatsache, dass Walt als studierter Geschichtslehrer zu einem Zweitjob in der Waschstraße genötigt ist, dürfen sich das amerikanische Bildungssystem und Lohndumping auch gleich bei den bissig kritisierten Missständen einreihen. Auch die DEA bekommt ihr Fett weg, wenn wegen der gestohlenen Gasmasken natürlich als erstes gegen den lateinamerikanischen, vorbestraften Hausmeister ermittelt wird, während niemand auch nur ansatzweise die weiße Weste des gut bürgerlichen Chemielehrers in Frage stellt (Crazy Handful of Nothin‘). Hier offenbart sich bereits eine Tendenz, die Breaking Bad konsequent bis zur letzten Staffel durchziehen wird: Ein ungemein schneller und zugleich fließender Wechsel zwischen knallhartem Realismus, bissiger Satire und nahezu comichafter Überzeichnung. Während der erste Mord Walts in seiner düsteren Radikalität perfekt ein realistisches Bild von Verbrechen zeichnet, die in Wirklichkeit weitaus schwerer zu begehen sind als in der Fiktion (Cat’s in the Bag… … and the Bag’s in the River), wird der erste Heisenberg-Auftritt zum glorreichen Badass-Spektakel stilisiert, in dem sich Walt als cooler Comic- und Actioncharakter geben darf (Crazy Handful of Nothin’).

Was bei diesem irren Tempo ein wenig unter den Tisch fällt, ist die Zeichnung der Nebencharaktere (die Gott sei’s gedankt von Staffel zu Staffel differenzierter wird). Hier ist Skyler dann eben doch noch primär die überbesorgte Gattin und Mutter, Hank ist der etwas tumbe Badass-Cop, Jesse verbleibt in seiner Rolle als lustiger, chaotischer Sidekick, Tuco ist der durchgeknallte Möchtegern-Drogenbaron und Marie übernimmt den Part der nervigen Bekannten. All diese Charaktere werden sich in den kommenden Staffeln angenehm weiter entwickeln, zu Sympathieträgern und ambivalenten Menschen werden, in der ersten Staffel indes bleiben sie auf ihrem Status als Stichwortgeber und Blaupause für satirische Gesellschaftskritik und humoristische Einlagen stehen. Ohnehin wirkt Staffel 1 im Vergleich zum Kommenden fast schon zu rough, was nicht zuletzt auch der geringen Anzahl an Folgen geschuldet sein dürfte. Trotzdem besitzt sie in bestimmten Momenten bereits ein angenehm langsames Erzähltempo, weist ein beispiellos gutes Pacing auf und nutzt die Serienstruktur gekonnt um eben nicht einfach einzelne Episoden zu schildern, sondern ein großes, gesellschaftliches Panorama zu entwerfen.

Dabei oszilliert sie geschickt zwischen spannender Unterhaltung und satirischem Irrwitz, nahezu deprimierendem Realismus und knallharter Karikaturierung. Es fällt nicht schwer zu sehen, warum diese Staffel bereits einen Achtungserfolg erzielte. Im Vergleich zum Rest der Serie kommt sie zwar „nur“ wie ein überdimensionierter Pilot daher, der macht aber bereits in diesem frühen Stadium verdammt viel Lust auf mehr…

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