Cobra Kai und der amerikanische Traum
Zu den eher älteren, berühmt gewordenen, Youtube-Videos gehört ein nicht ganz fünfminütiges Video-Essay mit dem Titel The Karate Kid: Daniel is the REAL Bully. In diesem knöpft sich J. Matthew Turner den Teenager-Kampfsportklassiker Karate Kid (1984) vor und dreht dessen Handlung einmal von innen nach außen. Karate Kid ist eigentlich die Geschichte des fünfzehnjährigen Daniel LaRusso, der mit seiner Mutter nach Los Angeles zieht und dort Opfer des brutalen Bullys und Karatekämpfers Johnny Lawrence wird. Im Laufe des Films lernt Daniel den Sensei Mr. Miyagi kämpfen und es gelingt ihm mit dessen Hilfe, seine Karatefähigkeiten zu verbessern, neues Selbstvertrauen zu gewinnen und schließlich in einem Karateturnier seinen Widersacher zu besiegen. In Turners Analyse liest sich die Geschichte anders: Daniel ist ein Angeber, der trotz seiner physischen Unterlegenheit Johnny immer wieder provoziert, Mr. Miyagi verprügelt Jugendliche und nur mit unfairer dämonischer Magie können sie schließlich das Turnier gewinnen. Über zehn Millionen Klicks hat das Video seit seiner Veröffentlichung 2015 gesammelt und mit der Hilfe der Serie Cobra Kai (2018) dürften nicht wenige dazugekommen sein. Cobra Kai setzt in unserer Zeit an, gut 45 Jahre nach den Geschehnissen des Films, erzählt jedoch aus einer neuen Perspektive. Protagonist ist dieses Mal Johnny, der Antagonist folgerichtig Daniel. Mit diesem einfachen Kniff wird die Youtube-Serie, die mittlerweile von Netflix übernommen wurde und die dritte Staffel hinter sich gebracht hat, zu einer großartigen Auseinandersetzung mit Nostalgie, Kampfsport und dem amerikanischen Traum.