Die Karate Kid Quadralogie – Auch heute noch sehenswert?
Auch wenn man in der nostalgiefreudigen Film- und Serienwelt unserer Tage auf vieles eingestellt ist, gibt es doch hin und wieder Revitalisierungen, die das Publikum zu überraschen wissen. Zu diesen gehörte ohne Zweifel die Fortsetzung der Karate Kid Franchise mit der Actioncomedy-Serie Cobra Kai (2018). Auch wenn die Karate Kid Filme zu den Klassikern des Sport- und Actionfilms gehören, auch wenn sie – zumindest die ersten drei Teile – so etwas wie 80’s Kult sind, so war doch nicht zu erwarten, dass jemand der Geschichte um Mr. Miyagi und dessen Schüler Daniel LaRusso ein weiteres Kapitel spendiert. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ihre Qualität alles andere als umstritten ist: Klar, auf den ersten Teil Karate Kid (1984) können sich (fast) alle einigen, aber danach wird es düster. Karate Kid II – Entscheidung in Okinawa (1986)? Zu düster, zu pathetisch, zu wenig Coming of Age Sport und zu sehr Kampfmärchen. Karate Kid III – Die letzte Entscheidung (1989)? Zu albern, zu lächerlich, zu wenig Pathos, zu wenig Action, völlig überzeichneter Oberschurke und Hauptkonflikt. Karate Kid IV – Die nächste Generation (1994)? Um Gottes Willen, muss dazu wirklich was gesagt werden? Keine 80er, kein Daniel, kein Charme, kein Flair. Ja, die Zeit meinte es nicht gut mit den vier Filmen, die zudem noch ausgerechnet ihre größten Fans als reine Trilogie deklarieren würden. Aber heh, es ist Lockdown, Nostalgiezeit, und Cobra Kai Staffel 3 steht in den Startlöchern. Mehr als genug Gründe für einen großen Rewatch. Natürlich immer unter dem Gesichtspunkt: Was können die Filme heute noch?
Karate Kid [John G. Avildsen]
(USA 1984)
Niemand geringeres als Rocky-Regisseur John G. Avildsen ist für den ersten Teil der Franchise verantwortlich. Und das sieht man diesem wundervollen Streifen auch durch und durch an. Der Protagonist Daniel (Ralph Macchio) ist ein sympathischer aber großmäuliger Außenseiter aus New Jersey, der ebenso wie Rocky Balboa zur unteren Mittelschicht gehört und dem von den oberen Klassen kaum respektiert wird. Sein Mentor, in diesem Fall Sensei Kesuke Miyagi (Pat Morita) ist ein zurückhaltender und weiser Mann, der zuerst nur widerwillig zu Daniels Trainer wird. Dazwischen gibt es eine komplizierte Liebesgeschichte, einen vermeintlich nicht zu gewinnenden Turnierkampf und großartige Montagen, von Training über Date bis zum finalen Karate Tournament. Ja, im Grunde genommen gibt es vieles an Karate Kid, worüber man sich heute lustig machen kann. Der Film ist Peak 80er Jahre: Das Teeniedrama, der „Du kannst alles schaffen!“-Geist, der pathetische Softrock-Score und die überladenen Montagen, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn die Geschichte schnell und unkompliziert Zeit erzählen will. Und doch ist Karate Kid mehr als ein bloßer Teenie-Klon der Rocky-Reihe: Hinter der lauten und bunten Sportfilm-Fassade steckt ein herzerwärmendes Coming of Age Drama über Außenseitertum, kleine und große Niederlagen, sowie den unbedingten Willen, sich Respekt und Anerkennung zu verdienen. Vor allem der New Yorker Comedian Pat Morita glänzt hier in einer vollkommen atpyischen Rolle als weiser Lehrmeister, die seine folgende Rezeption maßgeblich prägen sollte. Aber auch der damals schon 23jährige Ralph Macchio überzeugt als arroganter wie unsicherer Teenager, der seinen Platz im Leben noch finden muss. Klares Urteil: Ein Klassiker, der auch heute noch jede seiner mal albernen, mal actionreichen, mal bewegenden Minuten wert ist.
Karate Kid II – Entscheidung in Okinawa [John G. Avildsen]
(USA 1986)
Auch für den zweiten Teil zeichnet sich Rocky-Regisseur Avildsen verantwortlich. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er mit der Entscheidung in Okinawa nicht versucht, die Karate Kid Franchise in eine ähnliche Richtung zu lenken, in die die Rocky-Reihe gelaufen ist. In Karate Kid II gibt es kein Turnier, keine Titelverteidigung, keine klassische Sportfilm-Herausforderung. Stattdessen wird Karate Kid II zur großen Abenteuergeschichte mit „Fish out of water“-Ebene. Daniel und Mr. Miyagi reisen in das Heimatland des Senseis, direkt nach Okinawa, wo Miyagi auf eine alte Liebe sowie einen alten Rivalen trifft und sich Daniel plötzlich im Zentrum eines sehr alten Konflikts wiederfindet, bei dem deutlich mehr auf dem Spiel steht als Liebesglück und sportliche Ehre. So mutig die Fortsetzung von Karate Kid auch in der Wahl ihres Sujets ist, so viel geht dabei von der Leichtfüßigkeit ihres Vorgängers verloren. Die Stärke von Karate Kid bestand darin, dass er vermeintlich leichten Themen eine gewisse, aber nie zu sehr überzeichnete Dramatik gab. Er thematisierte Mobbing auf der High School ebenso wie klassisches Teenager-Außenseitertum und packte diese Themen in einen optimistischen, schwungvollen aber aufrichtigen Sportfilm.
Karate Kid II dagegen wandelt auf den Pfaden eines epischen Actiondramas und Abenteuerfilms, er erzählt eine elegische Geschichte von Ehre und Leidenschaft, von Schuld und Wiedergutmachung. Und er bringt das Leben seiner Protagonisten mehrmals in große Gefahr. Der leichte, unbekümmerte Ton des ersten Teils ist gewichen, stattdessen wird großer Pathos aufgefahren. Karate Kid II will einfach zu viel, will sich zu sehr von seinem Vorgänger distanzieren und verfährt sich dabei in einer überambitionierten Geschichte, die zwar nicht eindimensionaler ist als die des Erstlings, der aber dessen Augenzwinkern und Freude fehlen. Trotzdem gibt es auch hier genug zu erleben: Mr. Miyagi und Daniel sind in ihrem Zusammenspiel nach wie vor hervorragend, die Trainingsszenen vor der Landschaft Okinawas (tatsächlich wurde in Hawaii gedreht) sind eine Augenweide, und einige kulturelle Clashs sorgen sogar für ein wenig Spaß zwischen den überambitionierten Actionszenen. Knappes Urteil: Immer noch ein sehenswerter Film, aber bei weitem nicht so stark wie Teil Eins.
Karate Kid III – Die letzte Entscheidung [John G. Avildsen]
(USA 1989)
Der dritte Teil ist zugleich der trashigste und unterhaltsamste Teil der Reihe. Beides hat einen Grund: Terry Silver gespielt von Thomas Ian Griffith, einer der wunderbarsten, albernsten, größenwahnsinnigsten Schurken des 80er Jahre Actionkinos: Ein Multimillionär, der all seine Geschäfte ruhen lässt, um eine gewaltige Racheaktion an einem Teenager und seinem Karatelehrer durchzuführen? Gekauft! Umso beeindruckender, mit wie viel Spaß Griffith diesen von der Prämisse schon überzeichneten Charakter verkörpert: Over the Top, bösartig, aber auch irgendwie tollpatschig, albern… Zwischen James Bond Villain, 80er Pimp und Duffy Duck. Gott, was macht es Spaß, diesem Bösewicht bei seiner elaborierten Arbeit zuzusehen! Zweiter Pluspunkt. Der Oberschurke aus Teil Eins, der böse Sensei John Kreese ist wieder da, und er macht alles, um Silvers Bösartigkeit hervorzukitzeln und weiterzutragen. In Kombination mit dem Dritten im Bunde, Karate-Großmaul Mike Barnes, ergibt das ein fantastisches Bösewicht-Trio. So albern, so obskur, so überzeichnet! Der Trashfaktor ist groß in der Hauptgeschichte, gerade weil sie sich bemüht, ernst und dramatisch zu sein. Karate Kid III – Die letzte Entscheidung ist dumm, unfreiwillig komisch, unlogisch, albern… und ein durch und durch herrliches Vergnügen. Damit das hier nicht falsch rüberkommt. Der dritte Teil ist kein guter Film: Die Hauptgeschichte entbehrt jeder Logik, die Dynamik zwischen Miyagi und Daniel wird bemüht auf die Probe gestellt, verliert dadurch aber viel von ihrer ursprünglichen Chemie. Alles drumherum ist plump und aufgeputscht und zugleich – vor allem im Vergleich zum Vorgänger – viel zu klein, um dessen Dramatik zu erreichen. Aber, Karate Kid III macht höllischen Spaß. Gerade weil er so idiotisch, so infantil, so daneben ist. Klares Urteil: Ein durch und durch unterhaltsames Trash-Spektakel, das man nicht verpasst haben sollte, sofern man was für 80er Jahre Schund übrig hat.
Karate Kid IV – Die nächste Generation [Christopher Cain]
(USA 1994)
Der vierte (und letzte) Teil ist das schwarze Schaf der Reihe. Der erste Film, bei dem John G. Avildsen nicht Regie führte. Der erste Film, in dem Ralph Macchio nicht mehr mitspielt. Der erste Film in den 90ern, in einer Zeit, in der der Sportfilm- und Karateboom der 80er auch einfach mal vorbei ist. Zu seiner Verteidigung… Okay, nee, ich setze anders an: Ja, Karate Kid IV ist kein guter Film. Wirklich nicht. Er versucht Formeln des ersten Teils neu zu interpretieren, er versucht krampfhaft den Geist von Karate Kid aufleben zu lassen, scheitert aber darin, dessen Freude zu reproduzieren. Er ist zu sehr Klon und zugleich zu sehr vom Weg abgekommen. Zu sehr Anachronismus und zu sehr bemüht zeitgemäß. Und jetzt kommt das große „Aber“: Karate Kid IV ist besser als sein Ruf. Nicht deutlich besser, aber ein wenig Unrecht wurde ihm schon angetan, als ungeliebtes Stiefkind der Franchise. Da ist zum einen die neue Schülerin Miyagis, gespielt von der jungen Hilary Swank. Und ja, Swank war damals bereits eine exzellente Schauspielerin. Sie ist eigentlich viel zu gut für diesen Film, der in seiner seichten, poppigen Inszenierung wie eine Weichspülervariante von Teil Eins daherkommt. Aber hin und wieder rettet sie ihn eben auch, ist ihre Julie doch ein weitaus spannenderer, vielschichtigerer und ja auch sympathischerer Charakter als dies Daniel in Teil Eins war. Dank Swanks exzellentem Spiel erhält Julie eine Dramatik, enthält ihre Geschichte eine Dringlichkeit, die nicht so recht zu dem sonst so tumben Setting passen will. Pat Morita ist auch wieder eine Freude. Deutlich stärker als in den vorangehenden Teilen wird hier die komische Seite von Mr. Miyagi betont, eine Rolle die Morita als Comedian bestens zu füllen weiß. Die Bösewichte sind wieder schön überzeichnet. Die von Michael Ironside gespielte Farce von einem faschistoiden Schurken Colonel Dugan kann es zwar nicht ganz mit Terry Silver aufnehmen, ist aber in ihrer überdrehten Bösartigkeit doch für den ein oder anderen Lacher gut. Ja, Karate Kid IV ist Mist… aber immer noch von der unterhaltsamen Sorte. Trash wie sein Vorgänger, nur eben 90er Jahre Trash, und damit ein wenig zu ernst, zu selbstverliebt, zu meditativ. Wer den dritten Teil ob seines Schundcharakters mochte, darf ruhig einen Blick riskieren. Knappes Urteil: Der schwächste Film der Reihe, aber nicht das Komplettdisaster, als das er oft dargestellt wird. Macht wie Teil Drei als Trasherlebnis durchaus Spaß.
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