Die besten Animationsfilme der 2010er Jahre – Die „Drachenzähmen leicht gemacht“-Trilogie

Das Duell zwischen Pixar und Dreamworks um die Vorherrschaft im animierten Kinderzimmer ist einer der großen cineastischen Kämpfe der 2000er Jahre. Man kann es drehen und wenden wie man will: Dreamworks hat diesen Kampf verloren. Sowohl was Box Office als auch Kritik betrifft war Pixar im frühesten 21. Jahrhundert einfach unschlagbar. Ein Meisterwerk nach dem anderen hat die Animationsschmiede rausgehauen, während Dreamworks nach dem Überraschungserfolg Shrek (2001) ziemlich ins Hintertreffen geraten ist. In den anschließenden 2010er Jahren hat sich aber einiges geändert: Nicht nur, dass Pixar mit schwachen Fortsetzungen beliebter Franchises so manchen Misserfolg verbuchen musste, der ganze Animationsmarkt schien sich plötzlich zu öffnen, neue Studios wie Sony spielten in dem großen Spiel mit, es gab ein gewaltiges Disney-Revival, insbesondere durch den Smash-Hit Frozen (2013) und langsam aber sicher schälte sich heraus, dass Pixar nicht mehr das Nonplusultra war, was Animationskunst für Kinder betrifft. Und was machte Dreamworks mit dieser neuen Realität? Viel zu wenig: Ähnlich wie ihr großer Konkurrent verließ sich Dreamworks viel zu sehr auf Fortsetzungen beliebter Franchises und daneben auf die Konstruktion wirklich abstruser Storys (Vom epischen Kampf von Weihnachtsmann, Zahnfee und dem Osterhasen gegen das Böse bis zur Geschichte eines Boss Babys schien wirklich keine Idee zu stupide oder zu albern zu sein). Und dennoch ist das Studio für drei der beeindruckendsten Animationsfilme dieser Dekade verantwortlich: Drachenzähmen leicht gemacht (2010), sowie seine beiden Fortsetzungen (2014 und 2019) sind nicht nur tolle Animationsfilme für die ganze Familie sondern darüber hinaus beeindruckende Fantasyfilme, denen es gelingt dem Fortsetzungsrausch des Animationskinos eine runde – über drei Filme erzählte – Geschichte entgegenzuhalten, die nicht nur als Familienunterhaltung sondern auch als bombastisches Fantasyspektakel funktioniert.

Drachenzähmen leicht gemacht [Dean DeBlois, Chris Sanders]

(USA 2010)

Dass die Verfilmung der gleichnamigen Romanreihe „How to train your Dragon“ eine solch beliebte und erfolgreiche Franchise – mit zwei Fortsetzungen sowie diversen Kurzfilmen und Serienablegern – werden sollte, war 2010 alles andere als abzusehen und mit Sicherheit auch nicht zwingend intendiert. Dafür ist der erste Teil zu offensichtlich der Versuch von Dreamworks in dem Dank Avatar (2009)</strong> popularisierten 3D-Kino eine Rolle zu spielen: Die fantastisch animierten Flugszenen, die beeindruckenden Drachenritte, die epischen Kamerafahrten über Wälder, Berge und Meere… in seiner ganzen Ästhetik atmet Drachenzähmen leicht gemacht den Geist der frühen 2000er Jahre, immer auf der Suche nach den Bildern, die in 3D am besten funktionieren. In der Tat gehört er aber auch zu den Filmen, denen die Umsetzung des Gimmicks in der damaligen Zeit am besten gelungen ist. Da es sich um einen Animationsfilm handelt, wirkt die Anlehnung an Computerspielästehtik nie so fehl am Platz wie bei Avatar und Konsorten, und auch wenn so manche technisch beeindruckende Szene doch arg forciert wirkt, kommt man nicht umhin festzustellen, wie mitreißend der erste Teil auf der visuellen Ebene ist. Nicht nur mit 3D-Effekt im Lichtspielhaus sondern selbst im schnöden Home Cinema wird das Publikum einfach mal mitgerissen von den aufregenden Flugszenen. Dank Kamera, Soundtrack und pointiert eingesetzten Effekten sind die Drachenritte unfassbar immersiv. Da sie nicht übertrieben oft eingesetzt werden, wirkt der Film nie als reines Vehikel für seinen ästhetischen Eskapismus.

Das liegt vor allem an einer simplen Tatsache: So beeindruckend Drachenzähmen leicht gemacht auf einer visuellen Ebene auch ist, er vergisst nie seine Geschichte. Und diese ist eine wunderbare Parabel auf gesellschaftlichen Druck, eindimensionale Feindbilder und die Selbstbehauptung des Individuums. How to train your Dragon nimmt sich viel Zeit für seine beiden Protagonisten, den Wikingerjungen Hicks und den Drachen Ohnezahn, die in einer Welt, in der die Menschen seit jeher gegen die Drachen kämpfen, eine ungewöhnliche Freundschaft zueinander entwickeln. Ihre Geschichte ist es, die hier – wie in den beiden Fortsetzungen – im Mittelpunkt steht, und diese Geschichte ist für einen Kinder- und Familienfilm äußerst intelligent, ambivalent und steckt voller Witz und Herzenswärme. Dean DeBlois und Chris Sanders wissen einfach, wie man vielschichtige Charaktere schreibt und auf die Leinwand bringt. Hicks ist zwar der klare Sympathieträger, wird aber nicht ohne Ticks und Macken inszeniert. Sein Vater Haudrauf sowie die restlichen Einwohner des Dorfes Berk werden zwar als Antagonisten inszeniert, der Film begegnet ihnen aber dennoch mit viel Empathie und lässt sich auch hier Zeit, aus allen Figuren mehr zu machen als bloße Wikingerschablonen. Drachenzähmen leicht gemacht ist vor allem deshalb so ein fantastischer Film, weil er seine Erzählung nie den großen Effekten opfert, weil er immer genug Zeit für seine Geschichte und deren Protagonisten und Protagonistinnen findet. Dabei wechselt er ausgesprochen natürlich – mit viel Gespür für das richtige Pacing – zwischen episch, actionreich, düster, komisch und emotional.

Einzig seinen etwas biederen Endspurt könnte man diesem Meisterwerk vorhalten, läuft er dabei doch in sehr klassische „Mensch kämpft gegen Monster“-Fantasyregionen. Aber dieser Faux Pas wird von den Fortsetzungen ziemlich konsequent ausgebügelt…

Drachenzähmen leicht gemacht 2 [Dean DeBlois]

(USA 2014)

Eine der größten Stärken des zweiten Teils scheint auf den ersten Blick fast zu trivial zu sein, um hier genannt zu werden. Sie ist aber wesentlich für die Gesamtgeschichte und steht symbolisch für das, was die drei Filme sein wollen. Teil 2 erlaubt es nämlich – wie Teil 3 – seinem Protagonisten zu altern. Das ist mehr als nur exemplarisch für die Stoßrichtung die Drachenzähmen-Saga, die sich deutlich stärker an großen Fantasyepen wie Harry Potter orientiert als an klassischen Dreamworks/Pixar-Animationsfilmen. Diese Stoßrichtung setzt sich auch in der ästhetischen und dramaturgischen Ausrichtung fort: Drachenzähmen leicht gemacht 2 ist größer, epischer und fantastischer als sein Vorgänger. Er setzt im Gegensatz zu diesem nicht nur auf berauschende Fantasy, sondern hat auch so manchen düsteren, tragischen und unheimlichen Part mit an Bord. Gerade im Mittelteil kommt es zu einem bedeutenden Storytwist, den man von einem einfachen Familienfilm so nicht unbedingt erwarten durfte, zu einem Moment, in dem die ganze Beziehung von Mensch und Drache – direkt in den beiden Hauptfiguren Hicks und Ohnezahn – neu verhandelt und auf die Probe gestellt wird. Auch bezüglich seines Hauptkonflikts ist der zweite Teil deutlich erwachsener als Teil 1. Denn hier gibt es einen wirklich furchterregenden, brutalen menschlichen (!) Antagonisten: Drago Blutfaust ist zu jeder Zeit ein Zerr- und Spiegelbild der mittlerweile friedlich mit den Drachen lebenden Ritter von Berk. Er ist die dunkle Schattenseite des Drachenzähmens und der Drachendomestizierung, und er ist eine deutlich größere Bedrohung für den Frieden, als dass die Drachen jemals sein könnten. Entsprechend steht viel auf dem Spiel und es geht deutlich dunkler, spannender und mitreißender zu als im ersten Teil.

Dennoch erreicht die Geschichte nicht ganz die Tiefe des Vorgängers. Das liegt vor allem daran, dass der Hauptkonflikt zwischen den beiden Sympathieträgern Hicks und seinem Vater Haudrauf weggefallen ist. Drachenzähmen leicht gemacht versucht dessen Dramatik zu reproduzieren, indem er einen neuen Konflikt etabliert. Stand noch im ersten Teil die Angst Hicks seinen Vater zu enttäuschen, im Mittelpunkt. Waren für den Konflikt im ersten Teil die unterschiedlichen Ansichten von Elterngeneration und Kindergeneration, was den Umgang mit den Drachen betrifft, verantwortlich, so konstruiert die Story hier einen relativ oberflächlichen Disput um die Thronfolge. Hicks ist ein junger Teenager, der Abenteuer erleben und die Welt erkunden will, während sein Vater hofft, dass er ruhiger und sesshaft wird und seiner Verantwortung als Kind des Stammesoberhauptes nachkommt. Das ist ein zu zahmer, auch nie wirklich groß erzählter Gegensatz, der es nicht einmal im Ansatz mit dem schweren, dramatischen Thema des ersten Films aufnehmen kann. Dennoch gelingt es auch diesem How to train your Dragon eine Geschichte zu etablieren, die über den Kampf „Gute drachenreitende Wikinger gegen bösen Drachen ausnutzenden Kriegsführer“ hinausgeht. Dank der Etablierung neuer Figuren, insbesondere der mysteriösen Drachenretterin Valka und dem raubeinigen Piraten Eret, ist Drachenzähmen leicht gemacht 2 nie zu eindimensional auf seinen Eskapismus ausgerichtet, sondern erlaubt sich genug Geschichte, genug Ruhepausen zwischen den fantastischen, actionreichen und ergreifenden Momenten.

Diese sind noch ein Stück stärker und überzeugender als im ersten Teil. Nicht nur die Animationstechnik hat einen deutlichen Sprung gemacht, auch ästhetisch sind viele Ideen hinzugekommen. Drachenzähmen leicht gemacht ist eine würdige Fortsetzung und in vielen Momenten sogar der bessere Film. Mindestens auf Augenhöhe, wenn nicht sogar mehr…

Drachenzähmen leicht gemacht 3: Die geheime Welt [Dean DeBlois]

(USA 2019)

Vom dritten Teil kann das leider nicht so ganz behauptet werden, auch wenn dieser ebenfalls ein sehr guter Film ist. Qualitativ lässt sich die gesamte Trilogie diesbezüglich durchaus mit den klassischen Star Wars Filmen vergleichen: Teil 1 ist der große Urvater, der fantastisches in sich abgeschlossenes Kino erzählt und einfach Spaß an seiner überwältigenden Welt hat. Teil 2 ist der düsterste und erwachsenste Teil der Trilogie, in dem vieles neu verhandelt wird und erschreckende Wahrheiten ans Licht kommen. Und Teil 3 ist ein wenig eine Wiederholung vom zweiten Teil, versucht dessen düstere Seite fortzuführen und gleichzeitig familienfreundlicher, bunter und optimistischer daherzukommen. Das größte Problem von Hidden World ist sein Antagonist. Grimmel wirkt in vielen Momenten wie eine Kopie von Drago Blutfaust. Auch wenn er ziemlich deutlich als der düstere Gegenpart von Hicks inszeniert wird, auch wenn er als das erzählt wird, was Hicks hätte werden können, wenn er im ersten Teil anders gehandelt hätte, so ist er doch einfach nur weitaus offensiver und transparenter die Art von Bösewicht, die Drago Blutfaust im zweiten Teil subtiler dargestellt hat. Die geheime Welt gibt sich deutlich Mühe, Grimmel als schlimmste Bedrohung für die Drachen und Drachenreiter überhaupt darzustellen, aber genau diese schlimmste Bedrohung haben wir bereits im letzten Film erleben dürfen. Vieles an ihm fühlt sich zu bekannt an, um wirklich mitreißen zu können.

Wo der Antagonist schwach und konturlos bleibt, trumpft die Geschichte um die Beziehung zwischen Hicks und Ohnezahn auf. How to train your Dragon erlaubt es nämlich nicht nur seinem menschlichen Protagonisten zu altern und zu reifen, sondern auch seinem Drachen. Und so kommt es in der mittlerweile fast elterlichen Beziehung zwischen Hicks und Ohnezahn zu so manchen Konflikten, Hicks muss lernen, dass sein Drache eigene Wünsche, Bedürfnisse und Ziele hat, was hier Gott sei Dank äußerst erwachsen und subtil erzählt wird. Der dritte Teil lässt sich viel Zeit, die Freundschaft der beiden auszuloten, sie auf die Probe zu stellen und zu versöhnen. Gerade Zuschauer, die das Gefühl hatten, dass Ohnezahns Charakter in den ersten beiden Teilen zu kurz gekommen ist, dürften mit der Entwicklung der Handlung im Abschluss der Trilogie äußerst zufrieden sein. Die Drachen erhalten hier deutlich mehr Screentime, deutlich mehr Geschichte als zuvor. Insbesondere die Etablierung des Tagschattens als Ohnezahns Love Interest und Personifizierung des „natürlichen“ Drachenlebens gibt der Geschichte mehr Drift in Richtung Drachenmärchen denn menschliche Heldensaga.

Der dritte Teil mag nicht ganz so episch sein wie sein Vorgänger, der Bösewicht nicht ganz so spannend, die Bedrohung und der Kampf nicht ganz so monumental, er ist aber im besten Sinne ein runder Abschluss des Dreiteilers, in dem die Geschichte zu einem plausiblen wie ergreifenden Ende geführt wird.

Und…

Alles in allem ist Drachenzähmen leicht gemacht eine für Dreamworks Animations erstaunlich erwachsene und durchdachte Filmreihe. Man muss nicht so weit gehen, darin eine Parabel auf die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft zu lesen, wie dies Felix Bartels im Neuen Deutschland getan hat. Aber man kann dennoch anerkennen, dass sie vor dem Hintergrund eines epischen, fantastischen Settings eine große universelle Fabel erzählt, die gleich mehrere Themen aufgreift: Die Emanzipation von sozialen Erwartungshaltungen, das Überwinden von kriegerischen Kategorien, den Blick hinter die Fassade vermeintlicher Feinde, das Streben nach Verantwortung und Selbstbehauptung sowie die Einsicht in die Unzähmbarkeit der Natur. Drachenzähmen leicht gemacht ist als ganzes auch so stark, weil er soziale und ökologische, persönliche und allgemeine Botschaft miteinander verknüpft, ohne dabei je zu preachy zu werden. Er funktioniert als animiertes Abenteuer für die ganze Familie ebenso wie als fantastisches Helden- und Drachenepos, als eskapistische Fantasytrilogie ebenso wie als nuancierter Blick auf eine ungewöhnliche Mensch/Drachen-Gesellschaft.

Es scheint müßig, angesichts dieser Stärken auf die – zwangsläufigen – Spin Offs einzugehen, aber eine kurze Erwähnung haben sie dennoch verdient. DreamWorks Dragons (2012 bis 2018) hat es als Bindeglied zwischen Teil Eins und Teil Zwei auf beeindruckende acht Staffeln geschafft und stellt sich ganz in den Dienst an Geschichte und Ästhetik der Filme. Sie ist es durchaus wert, parallel zur Trilogie entdeckt zu werden. Und selbst DreamWorks Dragons: Rescue Riders (2019) ist zwar eine Infantilisierung des Stoffes, bewusst auf ein jüngeres Publikum zugeschnitten, erzählt aber äußerst stimmig liebenswerte, beschauliche Geschichten, die in der selben – und einer doch sehr anderen – Welt stattfinden. Gerade jüngere Kinder, die an die Geschichten um die Drachenzähmer herangeführt werden sollen, können hier sehr viel Spaß haben. Und auch wenn es dabei zu kindgerecht zugeht, um wirklich eng mit der Haupttrilogie verknüpft zu sein, so kann auch dieser kindliche Ableger dem How to train your Dragon Erbe nichts anhaben.

Dessen Kern, auf einen simplen Nenner gebracht: Auch im Animationsfilm sind große fantastische Epen möglich, über mehrere Filme hinweg erzählt, von der Intensität einem Harry Potter oder Hobbit in nichts nachstehend.

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