Die besten Fantasyfilme und Märchen der 70er Jahre III

Fantasyfilme der 70er Jahre, die Dritte. Dieses Mal mit einem kleinen europäischen Übergewicht: Fehlen darf hier natürlich nicht die wundervolle – zwischen Bühne und Film oszillierende – Verfilmung der Zauberflöte von Ingmar Bergman. Ebenso gibt es eine erneute Begegnung mit dem osteuropäischen Märchenfilm. Dem maritimen Hans Christian Andersen Klassiker begegnen wir dabei so gar gleich zweimal. Die kleine Meerjungfrau besucht uns aus der Tschechoslowakei, während Die traurige Nixe als russische Variante des traditionellen dänischen Märchens vorbei blickt. Die Hammer-Studios dürfen mit Als Dinosaurier die Erde beherrschten tief in die Trickkiste der damaligen Special FX Welt greifen, und ein Amerikaner hat sich dann doch noch in die Liste verirrt. King Kong war damals kein Kritikerliebling und musste sich vielfach den Vergleich mit dem Film aus den 30ern gefallen lassen. Retrospektiv entpuppt aber auch er sich als atemberaubende Mischung aus Fantasy, Horror und großem Hollywood-Leinwandspektakel.

Die Zauberflöte [Ingmar Bergman]

(Schweden 1975)

Wenn sich die europäische Arthaus-Ikone Ingmar Bergman in märchenhafte Gefilde wagt, darf davon ausgegangen werden, dass etwas ganz besonderes dabei herauskommt. Mit der Verfilmung der berühmten Mozart-Oper Die Zauberflöte (1791) unterwandert der große Regisseur dennoch alle Erwartungen. Als eigenartiger, eigenständiger Hybrid aus Bühnenverfilmung und Märchenepos gelingt es dieser schwedischen Zauberflöte (Trollflöjten) den Zauber des Theaters wie den Zauber des Kinos einzufangen und diese miteinander zu vermählen. So dürfen wir während der Ouvertüre in die Gesichter eines hypnotisierten Publikums blicken, dürfen uns an ihren Reaktionen erfreuen, die unsere Reaktionen widerspiegeln oder antizipieren. Der Vorhang öffnet sich und wir sehen eine traditionelle Theaterlandschaft, in der sich die bekannten Akteure bewegen. An dieser Stelle endet Bergmans Verbeugung vor der fantastischen Oper jedoch nicht und macht Platz für eine Verbeugung vor dem fantastischen Film: Kulissen werden aufgebrochen und erweitert, das Licht des Theaters transzendiert zum Filmischen, die Totalen werden aufgelöst für dramatische Nahen, für temporeiche Schnitte und einen Blick tief hinein in die cineastischen Möglichkeiten, die in dem Mozart-Werk schlummern. Und dieses offenbart sich durch diese Mittel als großer Fantasytrip, der mit der Hilfe universell schöner Musik ein prachtvolles, pittoreskes wie spannendes und bewegendes Märchen erzählt. Die Zauberflöte ist ein generationsübergreifendes Ereignis, ein wundervolles Spiel mit dem Medium, das aber nie zum Selbstzweck verkommt, sondern immer im Dienste dessen steht, was die Aufgabe des fantastischen Kinos ist: Verzaubern, betören, den Horizont des Publikums erweitern.

Die kleine Meerjungfrau [Karel Kachyňa]

(ČSSR 1976)

Ich bin ein großer Fan des Disney-Klassikers Arielle die Meerjungfrau und habe diesen ohne Reue zu den besten Trickfilmen der 80er Jahre gepackt. Wenn es aber etwas eines gibt, worin der Disney-Film scheitert, dann ist es das Einfangen des traurigen, melancholischen Geistes von Hans Christian Andersens Vorlage Die kleine Meerjungfrau (1837). Genau dies gelingt Karel Kachyňas Märchenverfilmung fast 15 Jahre vor dem Trickfilm-Blockbuster erstaunlich mühelos. Mehr noch, diese kleine Meerjungfrau ist ein fast schon hypnotischer, tragischer Trip hinab zum Grund des Meeres und hinauf zum Grund des menschlichen Herzens. In magische blaue Farben getaucht lässt sich dieses Märchen sehr viel Zeit für die Darstellung des Unterwasserlebens. Gut zwei Drittel des Films spielen in der magischen Unterwasserlandschaft der Nixen und Meereskönige, und das Schicksal der Menschen scheint lange nur eine Randnotiz zu sein in dieser faszinierenden Märchenwelt. Umso beeindruckender, wenn die blaue Kühle des Meeresgrundes schließlich Platz macht für das frivole Leben an der Oberfläche. Die kleine Seejungfrau (so der damalige DDR-Titel des Films) wandert dabei geschickt von Märchendrama zum heiteren Tragikomischen und zurück zur mythischen Tragödie. Ein wundervoller, trauriger wie bezaubernder Film, der deutlich mehr ist als bloß eine weitere DEFA-Verfilmung.

Die traurige Nixe [Wladimir Bytschkow]

(Sowjetunion, Bulgarien 1976)

Im selben Jahr wie die tschechische Adaption des Andersen Märchens entstand auch eine russische Variante, der es ebenfalls gelingt, das tragische Moment der Vorlage einzufangen, und die sich dennoch in vielen Punkten von ihrer tschechischen Schwester unterscheidet. Anders als der Titel suggerieren könnte, ist die traurige Nixe vom Grundton deutlich heiterer und gelassener als die Konkurrenz, legt einen deutlich größeren Fokus auf die Menschenwelt und deren Interaktion mit dem nicht zu bändigenden Meer, findet aber neben seinem operettenhaften Charme immer wieder Zeit für poetische, manchmal sogar düstere und unheimliche Bilder. Gerade die Ambivalenz zwischen artifizieller, verkopfter Auseinandersetzung mit dem Urstoff, düsterer, rauer Bilderwelt und heiterem verspieltem Märchen macht diese Andersen-Verfilmung wohl zu einem der vielfältigsten, diversifiziertesten Märchenverfilmungen überhaupt. Welche der beiden denn nun die bessere Meerjungfrau ist, Tschechoslowakei oder Russland? Puh, schwer zu sagen. Wahrscheinlich hängt es vom persönlichen Geschmack ab: Wer auf hypnotisierenden Ästhetizismus steht, wird mit der kleinen Meerjungfrau glücklich. Wer eine tiefergehende, opulentere Auseinandersetzung mit den Andersen-Motiven möchte, der sollte bei der traurigen Nixe vorbeischauen. Sehenswert sind sie definitiv beide Filme.

Als Dinosaurier die Erde beherrschten [Val Guest]

(Großbritannien 1970)

Nach so viel Poesie darf es auch mal wieder etwas Handfesteres sein. Okay, When Dinosaurs Ruled the Earth ist schon so was wie ein guilty pleasure. In der Tat ein ziemlich alberner Film: Höhlenmenschen, die sich ihre Welt mit Dinosauriern teilen, Höhlenfrauen die geschminkt sind wie Playboy Bunnies und in knappen Fellbikinis ihre rasierten Beine zur Schau stellen, eine kitschige Liebesgeschichte umrahmt von einer tolldreisten Actiongeschichte… das ist alles andere als State of the Art Filmkunst. Aber, diese großartigen Special Effects, dieser herrlich naive Umgang mit Steinzeitmythen, dieses dreiste Ausschlachten aller erdenklichen Filmklischees, und diese wunderbare überdrehte Atmosphäre! Hinzu kommt der konsequente Verzicht auf unsere heutige Sprache – in Rückgriff auf ein vulgäres steinzeiterisch -, der dem Film einen angenehm vagen Touch gibt, und natürlich die extrem einnehmende Liebe zum Ausufernden, Monumentalem im Exploitationstil. Das macht einfach verflucht viel Spaß und lässt so manche Macken und Klischees verschmerzen. Filme wie diesen muss man wollen, dann steht aber einem vergnüglichen, trashigen und zugleich unterhaltsamen Erlebnis nichts im Weg.

King Kong [John Guillermin]

(USA 1976)

Ebenfalls naiv, aber auf ganz eigene Art und Weise, ist der Hollywood Edeltrash-Blockbuster King Kong. Ich werde immer einen Sweet Spot für dieses Quasi-Remake des 1933er Klassikers haben, handelt es sich dabei doch um meine erste Begegnung mit dem Riesengorilla. Aber auch unabhängig von Nostalgie hat dieser 70er Jahre King Kong deutlich mehr zu bieten, als die Kritiker damals beziehungsweise die heutige retrospektive Filmkritik sehen können und wollen. John Guillermin schnappt sich den Plot um das klassische Filmmonster und bereichert es mit einigen eigenen, originellen Ideen. Die ganze Geschichte wird in die 70er Jahre verlegt, es ist kein Hollywoodteam, das zu Skull Island unterwegs ist, sondern eine gierige Ölgesellschaft, und King Kong erhält deutlich mehr Persönlichkeit und Motivik für seine Hochhauserklimmung als im 30er Jahre Pendant. Klar, ein Meisterwerk kommt durch diese doch recht simplen Anpassungen nicht zu Stande, aber immerhin eine passable Adaption. Und darum geht es auch eigentlich gar nicht, denn der König der Affen ist hier vor allem eines: Ein großes, perfekt inszeniertes, albernes und naives Hollywoodvergnügen. Mehr Abenteuer und Fantasyfilm denn Horror, mehr Spaß und Action als im Original. Die Special Effects sind für die Zeit erstklassig, die Atmosphäre pendelt stimmig zwischen mitreißend und albern, die Musik ist mitreißend… alles riecht einfach nach Exploitation für den gehobenen Anspruch. In dieser Ecke ist der King Kong aus dem Jahre 1976 nicht nur gut aufgehoben; als genau das, was er ist, sollte er der Nachwelt auch im Gedächtnis bleiben, egal was die „früher war alles besser“-Filmsnobs sagen.

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