Die besten Horrorfilme der 70er Jahre VII
Ich weiß, ich weiß. So wirklich konsistent bin ich bei der Durchnummerierung meiner Bestenlisten nicht. Aber ich gebe mir Mühe. Wenn ich den Giallo jetzt mal pauschal zum Horrorgenre zähle (wo er nur partiell reingehört), und die vier Nischenlisten, die ich bereits gemacht habe, mitzähle, wäre das dann die siebte Liste mit den besten Horrorfilmen der Dekade. Um das nochmal kurz zusammenzufassen: 1.) SciFi-Horror – 2.) Tier- und Naturhorror – 3.) Vampirfilme I – 4.) Vampirfilme II – 5.) Giallo-Filme I – 6.) Giallo-Filme II … und jetzt eben Liste Nummer Sieben, die nicht so konsequent einem Subgenre verpflichtet ist wie ihre Vorgänger. Das liegt in dem Fall daran, dass das Subgenre, das hier beleuchtet werden soll, in den 70er Jahren einfach noch nicht wirklich existierte. Gemeint ist der Slasher-Film, der erst in den 80er Jahren zu voller Blüte gelangen sollte. Aber immerhin finden wir mit Jessy – Die Treppe in den Tod und Halloween – Die Nacht des Grauens schon zwei eindeutige Prototypen des Genres in der 1970er Dekade. Und auch daneben waren die 70er Jahre nicht arm an obskuren, mysteriösen und schlicht erschreckenden Killern. Einer der berühmtesten dürfte wohl Leatherface vom. Blutgericht in Texas aka The Texas Chain Saw Massacre sein. Wes Craven wiederum kombiniert Torture-Terror, Mord-Tragödie und Revengethriller im einzigartigen The Last House on the Left und Abel Ferrara lässt mit The Driller Killer den wohl dreckigsten und räudigsten Mörder der 70er Jahre auf das Horrorfilmpublikum los.
Jessy – Die Treppe in den Tod [Bob Clark]
(Kanada 1974)
Es ist schon ein bisschen merkwürdig, dass Black Christmas (so der Originaltitel) trotz seines mittlerweile erlangten Kultstatus tendenziell eher an zweiter Stelle genannt wird, wenn es um Slasher-Prototypen geht. Denn gerade wenn man sich die Slasher-Varianten der 90er und 2000er Jahre anschaut, findet man dort weitaus mehr Topoi aus Bob Clarks 1974er Horrostreich als aus Halloween, Nightmare on Elm Street oder der Friday the 13th Reihe: Eine ausgelassene College/Party-Atmosphäre, ein mysteriöser, unbekannter Killer, Teenager als Opfer, und jeder ist verdächtig der mordende Wahnsinnige zu sein; großartige POVs des Täters, realistische und dennoch kreative Morde und zu guter Letzt ein Final Girl, wie es im Buche steht. Aber Black Christmas ist deutlich mehr als nur ein Genreprototyp: Die wunderbar dreckige, düstere Low Budget Atmosphäre, die gediegene Spannung und der Verzicht auf allzu ungehobelte Exploitation macht ihn darüber hinaus zu einem kleinen Horrorjuwel, das deutlich erwachsener daherkommt als seine Epigonen, nicht zuletzt auch Dank einem vagen, mysteriösen Ende, das sogar ein wenig Richtung Mysterythriller und Surrealismus schielt. Insgesamt mag dieses Urwerk nicht ganz so poliert und edel sein wie Halloween, aber er gehört vollkommen zurecht zu den Klassikern des Genres und muss sich vor seinen Kindern und Enkeln nicht im Geringsten verstecken.
Halloween – Die Nacht des Grauens [John Carpenter]
(USA 1978)
Eigentlich ist es nicht schwer zu verstehen, warum John Carpenters Halloween zu einer solchen Horrorfilmlegende geworden ist. Auch über vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung fesselt und gruselt er noch wie am ersten Tag. Das Zauberwort lautet hier Zurückhaltung: Im Gegensatz zu vielen Killerfabeln der 70er Jahre setzt Carpenter weder auf Gore, noch auf Exploitation. Ja, auch hier gibt es eine obligatorische Nacktszene, auch hier fließt das Blut ordentlich, der Kill Count hält sich mit gerade mal fünf Leichen allerdings deutlich in Grenzen. DER Ur-Slasher schlechthin arbeitet eigentlich schon reichlich daran, das Genre zu dekonstruieren. Anstatt einem Amoklauf zu folgen, arbeitet er viel mehr mit Paranoia, mit Ungewissheiten, mit der permanenten Angst vor einer nicht zu fassenden Bedrohung. Hierzu passt auch, dass er seinen Killer peu à peu überhöht, zu einer Verkörperung des Grundbösen macht, das keine Gnade kennt und scheinbar unbesiegbar ist. Mit diesem Moment der Fassungslosigkeit und des Ungesehenen ist Halloween Inspiration für zahllose Horrorfilme, nicht nur für Slasher sondern auch darüber hinaus für alles, was sich als erlesene Genrekost versteht: Von Scream bis It follows. Nicht nur ein Slasher-Urgestein, sondern einer der besten Horrorfilme aller Zeiten und darüber hinaus ein Gesamtkunstwerk auch über Genregrenzen hinweg.
The Texas Chain Saw Massacre – Blutgericht in Texas [Tobe Hooper]
(USA 1974)
Die zweite große Killerfilm-Variation, die sich neben dem Slasher in den 70ern herausbildet, ist die des Terrorfilms. In diesem steht weniger die Paranoia eines mysteriösen, lauernden Mörders im Mittelpunkt des Schreckens, als viel mehr der Terror, den die Opfer erleiden, wenn sie von dem Mordenden immer und immer wieder verfolgt und tyrannisiert werden. Tobe Hoopers Texas Chain Saw Massacre steht diesbezüglich zwischen den Stühlen. Auch er besitzt viele Ingredienzen des Slasher-Kinos, den übermenschlichen Killer, das Final Girl, subtile Angstmomente… aber mehr noch ist er ein Angriff auf die Nerven von Protagonistinnen und Publikum. Blutgericht in Texas ist roh, dreckig und voller Gewalt. Selbst wenn der Gore- und Splatteraspekt im Vergleich zu anderen Terrorfilmen – auch dieser Dekade – deutlich zurückgefahren ist, versprüht der Film allein durch seine schmutzige, ungehobelte Art ein Gefühl von Aggression, wie es im Horrorfilm seinesgleichen sucht. Das Texas Kettensägenmassaker ist böse, gehässig, teilweise fast schon unangenehm zu schauen, und mit seinen gritty Low Budget Vibes eine Horroroffenbarung. Gerade das Konzept, das Horror auch dem Publikum wehtun muss, wird hier auf die Spitze getrieben: Im staubigen, trockenen texanischen Hinterland, ohne Ausblick auf Rettung nehmen der Killer Leatherface und seine verrückte Familie nicht nur ihre Opfer in die Tretmühle, sondern das Publikum: Horror und Schrecken für alle Sinne!
The Last House on the Left [Wes Craven]
(USA 1972)
Das letzte Haus links von Horrorgroßmeister Wes Craven ist der Inbegriff des 70er Jahre Terrorkinos. Auch hier gibt es eine Geschichte um eine hoffnungslose, trostlose und zugleich dennoch fesselnde Jagd einer Killergruppe auf zwei unschuldige Frauen. Lose angelehnt an Ingmar Bergmans Drama Die Jungfrauenquelle (1960) erzählt Craven in düsteren, brutalen Exploitationbildern von einem schrecklichen Verbrechen. Aber The Last House on the Left ist wie schon The Texas Chainsawmassacre nicht nur Urvater sondern auch Dekonstrukteur eines Genres. Was wie ein klassischer brutaler Terrorfilm beginnt, entwickelt sich im letzten Drittel zu einem bizarren und überzeichneten Rape Revengethriller. Der Fokus verschiebt sich vollkommen und lässt die vorherigen Täter zu Opfern werden: Ob dies nun zu einer Gewaltverherrlichung, zu einer auf gehässige Weise befriedigenden Auflösung der Geschichte oder einfach nur zu exploitativem Schund führt, darüber kann man sich wohl lange streiten. Fest steht, wie kaum einem anderen Film gelingt Wes Cravens Kultschocker der Spagat zwischen realistischem Horrordrama und groteskem Schlachtfest, zwischen tragischem Thriller und derber Splattertravestie. Das letzte Haus links ist auch ein Sinnbild für die Einkehr des (externalisierten) Schreckens in das Bürgertum, für die Entfesselung des inneren Monsters, die – wenn es nach diesem Film geht – jeden erwischen kann.
The Driller Killer [Abel Ferrara]
(USA 1979)
Keine Bestenliste ohne obskures, in Vergessenheit geratenes Fundstück. Lange bevor Abel Ferrara mit düsteren Thrillerdramen und extravaganten Mafiafilmen auch im Mainstream für Aufsehen sorgen sollte, kreierte er mit seinem Langfilmdebüt The Driller Killer eine absurde, schwarzhumorige Mörderballade, irgendwo zwischen Psychothriller, Horror und derber Groteske. Das geringe Budget sieht man diesem wilden Ritt in den Wahnsinn des urbanen Geistes jederzeit an, aber auch die Leidenschaft, eine Mördergeschichte zu erzählen, wie sie sonst nur selten zu sehen ist. The Driller Killer ist morbide, düster und gehässig, er badet sich im Sumpf der schmutzigen und tristen Großstadt und bricht immer wieder abrupt aus dieser aus. Begleitet von einem seltsam konkret eingebundenen Postpunk-Score folgt er mit voyeuristischem Eifer seinem kaputten Protagonisten (gespielt von Abel Ferrara selbst), macht sich über ihn lustig, hat Angst vor ihm, kann aber auch nachzeichnen, was diesen bewegt und motiviert. The Driller Killer mag dabei hin und wieder holprig sein, unausgeglichen, exzentrisch. Aber genau dies macht ihn zu einem faszinierenden, ungeschliffenen Rohdiamanten: Ein Vorbote der großen (und immer auch exzentrischen) Werke, die von seinem Regisseur noch folgen sollten und ein ungewöhnlicher Trip ins Herz der urbanen Finsternis.
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