Die besten Filme der 90er und 00er Jahre: Was ist eigentlich mit dem Slasher-Genre?

Genau! Was ist eigentlich mit den ganzen Schlitzern und Stechern, den maskierten Mördern, den masskarierten Teenagern und traditionellen Regeln? Immerhin hat es nach dem großen Erfolg von Scream und dessen beiden Fortsetzungen eine ganze Reihe von Slasher-Filmen gegeben, die mehr oder minder erfolgreich waren. Haben die nicht ihren Platz in einer vernünftigen 90er Horrorfilmretrospektive verdient? Auch wenn es nur ein Revival war? Schließlich sorgten auch das Torture-Porn und Zombie-Revival für einige Horror-Hochkaräter der 00er Jahre… Gerade angesichts des überraschenden vierten Teils der Scream-Franchise – quasi das versuchte Revival des Revivals – lohnt es sich doch noch einmal einen Blick auf die großen Teenslasher der 90er Jahre zu werfen und zu fragen, warum diese irgendwie nicht so recht in die Annalen der Horrorfilmgeschichte eingehen wollen.

Nach dem großen Erfolg von Scream (1996) ließen die Trittbrettfahrer nicht lange auf sich warten. Den Beginn machte der Film mit dem unmöglich langen Titel Ich weiß was du letzten Sommer getan hast (1997), der sich so ziemlich an alle Genreprototypen und Regeln hält, die in der Horrorfilmwelt zu finden sind. Teenager mit einem ausschweifenden Lebensstil, katastrophale Folgen des ungezügelten Hedonismus, Schuld, Vergeltung… entlang dieser basalen Topoi erzählt I know what you did last Summer auch seine Geschichte fast schon naiv traditionell, ohne Blick nach links oder rechts. Die Frage nach der Identität des Killers ist ein Thema, welches man in allen größeren 90er Jahren Slasher-Filmen wiederfinden wird. Hier gestaltet sie sich schon fast ärgerlich naiv und vorhersehbar. Es ist wohl vor allem dem Erfolg von Scream zu verdanken, dass dieses laue, durchschnittliche Horrorfilmchen derart erfolgreich war. Immerhin fast 130 Millionen Dollar brachte die Box Office Verwertung zu Tage und so ist es wenig erstaunlich, dass schnell ein zweiter Teil hinterhergeschoben wurde.

Ich weiß noch immer, was du letzten Sommer getan hast (1998) folgte nur ein Jahr nach dem Erfolg seines Vorgängers; und mit der fast zehn Jahre später erfolgten Direct-to-DVD-Verwertung Ich werde immer wissen, was du letzten Sommer getan hast (2006) darf sich sogar noch ein dritter Teil zu der Franchise dazu gesellen, auch wenn dieser B-Movie  so gut wie nichts mehr mit den ursprünglichen Filmen gemein hat. Macht aber auch nichts, denn  der zweite Teil der Sommer-Franchise ist ebenfalls wie sein Vorgänger ein allenfalls durchschnittlicher Teenie-Slasher, der im Gegensatz zu Teil 1 zwar auf eine nette – reichlich bescheuerte – Erklärung zu den Mordfällen und einen überraschenden Zweittäter setzt, ansonsten aber ebenso vollkommen zurecht in der Versenkung verschwunden ist. Mittlerweile war auch schon Scream 2 (1997) erschienen und hatte den Epigonen bewiesen, dass man mit ausgeschlachteten Themen immer noch großartige, spannende Filme inszenieren kann. Dass die Nachzügler dies nicht zur Kenntnis nehmen wollten bewies indes Düstere Legenden (1998), der sich ebenso wie die Sommer-Franchise ärgerlich sklavisch an die genreimmanenten Regeln kettete und so weder mit der pseudoüberraschenden Aufdeckung der Mörderidentität noch der zugegebenermaßen netten Idee, Urban Legends zu verwerten, punkten konnte.

Dass es immer noch eine Spur niveauloser, dümmer und dreister geht, bewies derweil das ärgerliche und peinliche Slasherdesaster Valentine (2001), das unter dem deutschen Verleihtitel Schrei wenn du kannst bei uns im Kino lief. Anhand einer tragischen Rachegeschichte sollte ein einerseits stilvoller andererseits moderner Slasher inszeniert werden. Beides geht in die Hose: Eine ungeheuer alberne, unglaubwürdige und übertriebene Geschichte, eine ziemlich untalentierte Staffage an Schauspielern und alles in allem – trotz ordentlichen Budgets – ein ziemliches Slasher-Flickwerk, das weitaus eher in die 80er gepasst hätte als in die ironische, selbstreferenzielle Post-Scream-Ära. Wobei Valentine selbst in der Zeit von Jason und Mike Myers den Zuschauern nicht mehr als ein müdes Gähnen oder unangenehm berührtes Gelächter entlockt hätte. Dass es noch tiefer geht, bewies schließlich die deutsche Produktion Swimming Pool – Der Tod feiert mit (2001), die dreist Ideen der US-Vorbilder kopiert und zu einem wirklich, wirklich schlechten Film zusammenschnippelt: Stockende Inszenierung, miese Darsteller, uninteressante Charaktere und einer der langweiligsten Mörder der Filmgeschichte. Et Voilà, Dank der Kopierwut der deutschen Filmwirtschaft sind wir im tiefsten Horrorkeller angelangt.

Soll es das also gewesen sein? Der Slasher-Film schlittert von den 90ern ins neue Jahrtausend, wird dort vom Torture Porn ordentlich durchgefickt und von den lebenden Toten verspeist, bevor er außerhalb der Scream Franchise nicht einen einzigen vernünftigen Film zu Stande gebracht hat? Man wäre gewillt zu sagen ‚Ja!‘ Aber es gab sie eben doch, die wenigen kleinen Lichtblicke, die Hoffnungsfünkchen in dem vergilbten Genre mit Blut an den Händen.  Final Destination (2000) von James Wong ist mit Sicherheit kein Meisterwerk des Horrorgenres, bedient sich aber geschickt bei Slashermythen und Motiven, um daraus einen ansehnlichen unterhaltsamen Film zu kreieren. Das gelingt ihm vor allem, indem er eine übernatürliche Komponente mit ins Spiel bringt. Der Killer ist eben schlicht und einfach der Tod selbst und kann sich dementsprechend fröhlich austoben. Kein Wunder, dass die Franchise (mittlerweile gibt es vier Teile) für die kreativsten, irrsten und abseitigsten Tode des gesamten Genres mitverantwortlich sind. Klar, inhaltlich sind die alle vier dünn. Und spätestens ab Final Destination 2 (2003) gilt die Devise ‚Kennt man einen, kennt man alle‘, aber der erste Teil – der trotz übersinnlicher, fantastischer Elemente nach ganz klassischen Slasherregeln funktioniert – ist allemal ein gutes Stück unterhaltsames Popcorn-Horrorkino. Ebenfalls bewies das Hollywood-Remake Freeze – Alptraum Nachtwache (1997), dass ansprechende Filme mit Slashermotiven möglich sind. Okay, der ist allerdings nur ein Hollywoodremake von dem – viel besseren – dänischen Film Nightwatch (1994), der wiederum eine ganze Weile vor der Slasher-Renaissance im Kino lief und dementsprechend da nicht wirklich reingezogen werden kann (und vermutlich auch nicht will). Für die US-Version wurden aber genug Slasher-Momente aus dem damals boomenden Subgenre übernommen, wodurch dieser zu den sehenswerten Vertretern des US-Horrors gezählt werden darf.

Apropos davor… Scream war mitnichten Wes Cravens erster Versuch, den Slasher mit selbstironischem, selbstreferenziellem Touch zu reanimieren. Freddy’s New Nightmare (1994) verortet die klassische Slasher-Ikone aus Nightmare on Elm Street (1984), Freddy Krueger, in die 90er Jahre. Die Filmhandlung selbst spielt am Set eines neuen Nightmare-Streifens, und dessen Hauptdarstellerin – Heather Langenkamp, die wie Wes Craven und Robert Englund sich selbst spielt – wird von den Geschehnissen der Filmserie auch in der Realität eingeholt. Klingelts? Mit dem heutigen Wissen wirkt der siebte Teil der Nightmare-Franchise fast wie ein Probelauf Wes Cravens, wie viel Metatext er seinem Publikum zumuten kann. Und es funktioniert. Wes Craven’s New Nightmare (so der viel passendere Originaltitel) ist einer der besten Filme der Freddy-Franchise – wenn nicht sogar DER Beste – und macht vor, wie Klassiker höchst selbstironisch und zugleich grimmig makaber wiederbelebt werden können. Halloween H20 (1998), der sich das Slasher-Revival zu Nutze machte, um noch einmal Jamie Lee Curtis von Mike Myers durch die Gassen jagen zu lassen, ist zwar nicht ein solcher Hochkaräter, gehört aber zu den besseren Filmen des 90er Slasher-Genres und ist nach Halloween (1978) der beste Teil dieser Reihe, was allerdings angesichts der lausigen Vorgänger auch nicht besonders schwierig ist. Immerhin ein solides Horrorwerk, weitaus stärker als die meisten Teenslasher der damaligen Zeit und Jamie Lee Curtis darf beweisen, warum sie die einzige wahre Scream-Queen ist. Während diese alten Recken sich im Vergleich zu den Genre-Jungspunden wacker schlagen geht die Freitag der 13. Reihe mit Jason X (2002), ordentlich baden. Wobei hier fairerweise erwähnt werden sollte, dass die gesamte Friday 13th Franchise nie auch nur einen einzigen gelungenen Film für sich verbuchen konnte. Der Klassikerstatus dieser lausigen Serie wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.

Fazit:

Tatsächlich hat der Slasher der 90er das Genre keineswegs mit Ruhm übergossen. Keiner der hier vorgestellten Filme kommt in die Nähe der besten Horrorfilme des Jahrzehnts: Allenfalls das postmoderne Meta-Werk Freddy’s New Nightmare, Scream natürlich (auch dessen zweiter Teil) und Nightwatch, wobei dieser schon weit außerhalb der klassischen Genregrenzen liegt. Ansonsten viel Durchschnitt, viel Mist… und Gott sei Dank waren dann auch schon die 00er am Start, die dem Backwood-Horror mit Filmen wie dem Texas Chainsaw Massacre Remake (2003) oder der Wrong Turn Franchise (2003 – 2009) mindestens genau so schlimme Dinge antaten wie die 90er dem Slasherfilm. Interessant übrigens in diesem Zusammenhang die Parallelen zu den 80ern: Auch hier wurden die Slasher sukzessive von brutaleren, blutigeren und derberen Streifen verdrängt. Aus dem Morden wurde das Foltern, aus den einsamen Killern wurden die Redneckbanden und Zombies. Die selbe Bewegung fand auch beim Übergang von den 90ern Revivals zu den 00er Revivals statt. Der Renaissance der Slasher folgte die Renaissance des Survival Horror, Torture Porns und des Zombiefilms. The same procedure as last decade…? The same procedure as every decade!

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Erstveröffentlichung 2011