Tucker & Dale vs. Evil – Oder: „Don’t fuck with nice Rednecks!“

Anstatt dich über Altersgrenzen  Gedanken zu machen, sollten die FSK und MPAA  mal lieber über wirklich sinnvolle Ratings nachdenken. Wie wärs zum Beispiel mal mit einer Klischeewarnung für Dutzende langweilige Backwoodhorror und Teenie-Slasher Streifen? Klischee1: Die folternden und mordenden Rednecks stinken, können sich nicht artikulieren und wohnen in gruseligen Hütten. Klischee2: Collegestudenten wollen nur saufen, ficken und nackt baden gehen. Klischee3: Ein kleiner Stolperer kann schneller zum Tod führen als jede Autokollision. Klischee4: Bei einem solchen Tod sprudeln nur so die Blutfontänen. Klischee5: Handys funktionieren nie… NIE! Klischee6: Mordlust ist genetisch bedingt. Klischee7: Dummheit auch…. „Tucker & Dale vs. Evil“ gelingt das Kunststück all diese Klischees in einem Film zu verbraten und er funkkioniert dennoch größtenteils hervorragend. Womit zumindest Klischee8 widerlegt wäre: Das Zusammenprallen von Rednecks und Teens/Studenten in einem düsteren Wald kann nur zu blutiger aber gähnender Langeweile führen…

Allein schon die Grundidee verspricht weitaus mehr als den nächsten langweiligen Slasherhorror. Tucker und Dale sind zwei herzensgute Hinterwäldler, die keiner Fliege etwas zu Leide tun können. Während Tucker der Forschere von beiden ist, steckt in dem dicken, bärtigen Dale ein kleiner verschüchterter Junge, der eigentlich nur geliebt werden will. Die beiden besten Freunde haben sich einen Lebenstraum erfüllt und eine kleine Blockhütte mitten im Wald gekauft. Dass diese aussieht wie direkt aus Texas Chainsaw Massacre entliehen, stört die beiden nicht, ebensowenig, dass der Vorbesitzer wohl tatsächlich ein merkwürdiger Kerl mit einer Sammelleidenschaft für Klingen und Zeitungsartikel über getötete Teenager war. Immerhin sind Ferien, und die lässt man sich nicht vermiesen. Auch nicht durch ein paar merkwürdige Collegekids, die im Wald einfallen, um dort zu feiern und zu campen. Aber irgendwie verhalten sich die Kids merkwürdig… … Ist ja auch kein Wunder, wissen die cleveren Studenten doch schnell, was hier gespielt wird: Die beiden debil grinsenden und mit großen Klingen hantierenden Rednecks können gar nichts anderes sein als erbarmungslose Killer. Und vor diesen muss man sich schützen, mit allen erdenklichen Mitteln.

Ja, Tucker & Dale vs. Evil erzählt den klassischen Comedystoff eines Missverständnisses. Die beiden leicht tumben, aber herzensguten, Rednecks werden von den – grötenteils unglaublich dämlichen – Kids für echte Psychopathen gehalten. Und eine Reihe absurder Zufälle verstärkt diesen Eindruck auch noch, so dass die Studenten beschließen, den Kampf gegen die beiden vermeintlichen Monster aufzunehmen. Ein paar weitere – noch absurdere – Zufälle und es beginnt das erste Blut zu fließen. Mehr zu erzählen, käme einem Spoiler gleich, der einiges an dem Spaß des Films zerstören würde. Nur so viel: Während die hysterischen Teenager das Gefühl haben, dass einer nach dem anderen von ihnen von dem mörderischen Duo abgeschlachtet wird, sehen sich Tucker und Dale einer Horde irrer, überdrehter und suizidal veranlagter Psychopathen gegenüber… Und der Spaß hat gerade erst begonnen.

Gerade in der ersten Stunde hat die äußerst kurzweilige Horrorkomödie sichtlich Freude daran, ein Horrorfilmklischee nach dem anderen aus dem Hut zu zaubern und genüsslich zu invertieren. Wir sehen alles, was klassischen Backwoodhorror ausmacht, aber eben auch immer aus zwei Perspektiven, wodurch ein wesentlicher Teil des Unterhaltungsfaktors gewonnen wird. Tucker & Dale vs. Evil weidet sich an seinen Missverständnissen und nutzt jede Möglichkeit der Falsch- und Überinterpretation, um seine Protagonisten ins Chaos zu stürzen. Dass dabei – wie bei jedem gelungenen Slasher oder Torture Porn – auch literweise Blut fließen muss, ist eherensache. Bei Tucker & Dale geschieht das allerdings derart überspitzt und comichaft, dass der Ekel-Faktor im Gegensatz zu den – perfekt parodiegeeigneten – Kettensägenmassakern und Hostels auf ein Minimum reduziert ist. Das bluttriefende Spektakel bewegt sich vielmehr in einem überdrehten Slapstick- und Situationskomikuniversum, in dem die Gewalt fast schon auf Roadrunner-Niveau stattfindet. Und das Lachen über diese macht dann auch erst einmal höllisch Spaß, zumal es keine Frage ist, dass einem – wie in den misslungen Steilvorlagen – die sterbenden Teenager ziemlich egal sind und sich die ganze Sympathie auf die herzensguten Rednecks verteilt.

Dennoch geht dem Film gegen Mitte leider etwas die Puste aus. Nachdem die Chancen der Vermischung von Verwechslungskomödie und Splatterhorror grandios ausgekostet wurden, wird dem Film gewahr, dass sich mit einem – tatsächlich vielfach zu verarbeitendem – Gag noch keine 90 Minuten füllen lassen. Und so beginnt er tatsächlich noch eine Geschichte zu erzählen, die sich leider in genau jenen klischeebehafteten Bahnen bewegt, die zuvor so herrlich persifliert wurden. Da gibt es dann auch einen – schon sehr früh sich offenbarenden – Bösewicht, der dann auch alles darbieten darf, was zu einer solchen Rolle gehört. Der Horroraspekt verliert den Humor der Zufälligkeit und wird zur tatsächlichen Bedrohung, inklusive „Hübsches Mädel in Gefahr“ und zwei coolen Typen, die den Tag retten. Der Spaß geht in dieser Storyline nicht komplett verloren, immerhin gibt es noch genug saubere Genredekonstruktionen und parodistische Elemente, aber dennoch kostet das Hinzufügen von dramaturgischer Ernsthaftigkeit den Film eine Menge Sympathie, die durch die vorherige Unbekümmertheit hervorgerufen wurde.

Da tut es doch ganz gut, dass sich in die sehr formelhafte Erzählung immer noch vollkommen abseitige Irritationsmomente hineinschmuggeln. Eine der grandiosesten Szenen des Films dürfte immer noch die erstaunlich lange durchgehaltene Mediation und Therapiesitzung zwischen“good“ and „evil“ sein, in der Tucker & Dale sich selbst durch seine waghalsige Absurdität auf  Glatteis begibt, dabei aber erstaunlich gut die Balance und vor allem den Stil wahrt. Ebenso wunderbar gebrochen das Gespräch zwischen Hero und Best Friend, in dem er Genrekonventionen genüsslich ausgekostet, um sie dann derbdreist der Lächerlichkeit preiszugeben. So bewegt sich „Tucker & Dale vs. evil“ gegen Ende zwar auf etwas holprigen Genrebahnen, findet aber immer noch genügend Momente um ordentlich unterhalten zu können. In letzter Konsequenz dann etwas zu brav und zu bieder die Wünsche des Publikums bedienend ist die Horrorsatire dennoch alles in allem ein festliches, ungemein kurzweiliges Vergnügen. Nicht so grotesk, makaber und sarkastisch wie diverse Vorankündigungen vermuten ließen, aber doch eine stimmige, schön überzeichnete Splatterkomödie, die trotz der etwas fehlenden Konsequenz uneingeschränkt empfohlen werden kann.

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Erstveröffentlichung: 2011