Die besten Horrorfilme der 80er Jahre III

Wir pendeln weiter zwischen Hollywood-Grusel und Independent-Horror. In der dritten 80er Horror-Retrospektive wird es zumindest kurzfristig wieder „etwas“ braver, berechenbarer und vor allem familiengerechter. Mit Poltergeist stellen Steven Spielberg und Tobe Hooper unter Beweis, dass es durchaus auch so etwas wie die Family-Version des klassischen Horrors geben kann. Stephen King ist auch wieder zu Gast, dieses Mal mit dem Meisterwerk Shining, das der Autor der Vorlage dem ausführenden Regisseur Stanley Kubrick wohl nie verziehen hat und das zugleich die beste King-Verfilmung überhaupt ist. Surreal, ungewöhnlich und extravagant wird es im psychedelischen Höllentrip und den beiden Spät-Giallos Opera und Tenebrae, in denen Dario Argento sowohl ästhetisch als auch inhaltlich vollkommen spinnert, ungeniert am Rad drehen darf. Und für den Trash-Faktor sorgt der ausgesprochen vergnügte, nichts desto trotz beängstigende Zombie-Thriller Re-Animator.

The Shining [Stanley Kubrick]

(Großbritannien, 1980)

Jaja, wir kennen alle die Geschichte: Mit Shining drehte Stanley Kubrick 1980 eine der besten – eine der wenigen guten – King-Verfilmungen überhaupt. Der „Meister des Horror“ war von dieser jedoch weniger angetan und inszenierte daher in den 90ern eine schauerlich schlechte Neuverfilmung. Aber wieso dieser Konflikt? Ganz einfach, Kubrick nimmt eine klassische übertriebene King-Universal-Fantasy-Story und verwandelt sie in dichten, abstrakten Psychohorror. Während in der Vorlage das zentrale Hotel einfach nur böse ist, dämonische Besessenheiten und verfluchte Indianerfriedhöfe eine wesentliche Rolle spielen, konzentriert sich Kubricks Horrorszenario vollkommen auf die Einsamkeit der eingeschneiten Berglandschaft, den hypnotischen Grusel der leeren Hotelkorridore und den langsam voranschreitenden Wahnsinn… Genau die Entschlackung, die Kings Vorlage dringend nötig hatte, um nicht zu einer weiteren überambitionierten Fantasy-Oper zu werden. Vielen Dank Mr. Kubrick für dieses konsequente, unheimliche, großartige Meisterwerk, das eigentlich viel zu gut ist für eine Stephen King Verfilmung!

Das Ding aus einer anderen Welt [John Carpenter]

(USA, 1982)

Setzt John Carpenter meinetwegen die Krone des B-Movie-Königs auf, aber an The Thing lasse ich nichts kommen. Dieser düstere, im wahrsten Sinne des Wortes frostige, außerirdische Horrorschocker spielt raffiniert mit abstrakten, paranoiden Dispositionen und entwickelt sich langsam zum brutalen Sci-Fi-Horrorszenario, in dem niemand dem anderen trauen kann. Dank der dunklen, paranoiden Atmosphäre und dem ständigen Aufbruch des Horrors durch hysterische Konflikte ist The Thing eine berauschende Komposition aus klaustrophobischem Terror, offensivem Gore-Flick und sozialkritischem Psychothriller. John Carpenter mag auch hier nicht auf seine traditionellen B-Movie-Trademarks verzichten, alles in allem ist dieser Hybrid aus Science Fiction, Bodyhorror und Isolationsthrill aber ein kompromissloses und bisweilen überraschend tiefgründiges Meisterwerk des modernen Terrorfilms.

Der Höllentrip [Ken Russell]

(USA, 1980)

Während Regisseure wie David Cronenberg den Bodyhorror gerne in einem gesellschaftskritischen, surrealen Szenario veräußerlichen, arbeitet Ken Russells Mutationsgeschichte Altered State ganz und gar mit einer bedrohlichen Innerlichkeit. Die Geschichte um groteske Drogenexperimente und atavistische Metamorphosen ist ein beinahe transzendentaler Rausch, in dem die Auflösung des Ichs schließlich zu einer düsteren, direkten, physischen Bedrohung wirkt. Der Körper ist hier Gefängnis und unkontrollierbare Maschine zugleich, der Weg zum Übermenschen ist auch immer ein Weg zum Animalischen, Bedrohlichen und Irrationalen. Der Mensch kann sich seiner Menschlichkeit ebenso wenig sicher sein wie seiner generellen Selbstverortung, dem Raum, der Zeit und dem Leben an und für sich. Dadurch wird der Höllentrip zu einem physischen, metaphysischen, antiphysischen Terrorszenario, zu einem Bodyhorror-Film, der geschickt alle Klischees des Genres umgeht und bei der puren, ungefilterten Angst ankommt.

Tenebrae [Dario Argento]

(Italien, 1982)

Sprechen wir über Dario Argento und das Giallo-Genre: Die brutalen, operettenhaften und hysterischen Slasher-Filme aus Italien waren zu Beginn der 80er Jahre eigentlich ein alter Hut, mit Argentos Wechsel zum Übernatürlichen in dem Hexen-Ballett-Horror Suspiria (1977) schien das Genre Höhepunkt und Tod gleichermaßen erreicht zu haben und kaum einer rechnete noch mit einem erneuten Revival dieser europäischen Spuk-Auslegung. Aber Argento wagte dies trotzdem und gewann: Mit Tenebrae inszeniert er einen dichten und zugleich klaren Horrorthriller, der zwischen elegantem, subtilem Psychoterror und eruptiver Gewalt pendelt. Wie schon zu Hochzeiten vermischen sich psychologische Subplots, stilverliebter Ästhetizismus und das Spiel mit menschlichen Urängsten zu einer exquisiten und zugleich grotesken Killerparabel, in der Schein und Sein in der menschlichen allzu menschlichen Grausamkeit miteinander Zwiesprache führen.

Opera [Dario Argento]

(Italien, USA 1988)

Wie gesagt, der Giallo war in den 80ern eigentlich an seinem Ende angelangt, aber Dario Argento, Großmeister des Subgenres, gab sich damit keineswegs zufrieden. So transferierte er im formidablen, verspielten und Schabernack treibenden „Terror in der Oper“ zahllose Motive aus früheren Giallo-Filmen in ein bisweilen surreales, bisweilen ungewöhnlich bodenständiges, die meiste Zeit über aber launig selbstreferentielles Horrorvergnügen. Opera arbeitet sich entlang einer klassischen Giallo/Slasher Killergeschichte über gotischen Grusel und animalischen Tierhorror zurück zu einer metatextuellen, obskuren Horrorgeschichte, die nicht mit Brutalität und Sadismus geizt. Das mag zwar mitunter etwas konfus, arg referenzengeil und allzu prätentiös verschwurbelt scheinen, die Reise ins Herz der Finsternis der Horrorfilm-Kultur ist aber atemberaubend schön, mitreißend und macht dabei auch noch verdammt viel Spaß. Eine schrullige, kleine aber umso genialere Horrorperle, die beweist, dass Argento auch in den 80ern sowohl zu den unberechenbarsten als auch besten Regisseuren des Genres zählt.

Re-Animator [Stuart Gordon]

(USA, 1988)

Manchmal weiß man einfach nicht… ist es Trash oder ein Meisterwerk? In Stuart Gordons schrillem Regiedebüt kann die Antwort nur lauten: Sowohl als auch. Re-Animator ist ein abseitiges, unverfrorenes Horrorfest, Over-the-Top, schwarzhumorig, brutal, düster und zugleich albern… und dabei so unverschämt genial, originell und vor allem durch und durch bösartig. Der Horrorschocker um psychopathische, wissenschaftliche Wiederbelebungen arbeitet geschickt mit Gothic Novel und Zombiehorror Dispositionen, schießt nebenbei quer durch das gesamte Horrorgenre der 70er und 80er Jahre und findet bei all dem Eklektizismus immer noch genug Zeit, auf mehr als gehässige Weise perfekt zu unterhalten. Da gehört die trashige Schlagseite – inklusive zahlloser alberner Momente  -auch einfach mit zum Programm… irgendwie gelingt es Re-Animator trotzdem zu erschrecken, zu verführen, mitzureißen und auch nachzuwirken. Vollkommen zurecht ein Kultfilm des Genres und ein verqueres Meisterwerk, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Poltergeist [Tobe Hooper]

(USA, 1982)

Jut… bei all dem Independent- und Kultfilm-Stuff sollte Hollywood nicht ganz unterschlagen werden. In Poltergeist beweisen Tobe Hopper und Steven Spielberg (der für das Drehbuch und wahrscheinlich noch etwas mehr verantwortlich war), dass Horror made in USA durchaus auch als eine Art Familienunterhaltung funktionieren kann. Die Spukgeschichte Poltergeist beginnt als sanfter Grusel, gewürzt mit satirischen und komödiantischen Spitzen, und entwickelt sich peu à peu zur rasanten, effektgeladenen Achterbahnfahrt, die heute zwar keine Kinnladen mehr zum Runterklappen bringt, dafür aber immer noch bestens unterhalten kann. Ob das jetzt familiengerechte Fantasy mit einigen Horrorelementen ist, oder ob Kinder davon doch ferngehalten werden sollten, ist wohl eine Glaubensfrage (Die FSK positioniert sich mit einer „ab 16“-Freigabe zumindest ziemlich eindeutig). Unabhängig davon ist Poltergeist aber verflucht spannend, Gänsehaut erzeugend und Dank geschicktem Lavieren zwischen Spuk und Fantasy ein erlesener paranormaler Grusel-Cocktail.

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Erstveröffentlichung: 2012