Die besten Horrorfilme der 70er Jahre XI
Zwei Horrorfilm-Bestenlisten hätte ich noch, bevor wir zu anderen Genres weitergehen können. In dieser hier geht es nun wirklich bunt und durcheinander zu, sowohl was Subgenres als auch Stil und Atmosphäre betrifft. Symptoms pendelt irgendwo zwischen Psychothriller, Giallo und Geisterhorror, ob Rabid nun ein Vampirfilm, SciFi-Horror oder Bodyhorror ist, lässt sich ebenfalls nicht so einfach beantworten. Equinox dagegen scheint auf den ersten und auch den zweiten Blick Trash zu sein, antizipiert aber eine Menge wilder Horroraction, wie wir ihr deutlich später in den 80ern wiederbegegnen werden. Die Wiege des Bösen dagegen ist deutlich weniger trashig als sein Titel und das groteske Filmmonster, das in seinem Zentrum steht, erahnen lassen. Bei so viel Wildheit tut es dann doch ganz gut, am Schluss noch eine straighte Geistergeschichte vorgesetzt zu bekommen: The Amityville Horror mag nicht ganz so originell wie die anderen hier vertretenen Filme sein, dafür liefert er aber grundsoliden Grusel ab und transferiert das traditionelle Spukhausthema sehr gekonnt in ein modernes Setting.
Equinox [Jack Woods]
(USA 1970)
Equinox ist ein bizarrer Hybrid, ein Anachronismus in beide Richtungen. Er fällt aus der Zeit, sowohl rückwärts als auch vorwärts. Dabei scheint die Geschichte erst einmal aus der klassischen Formel für übernatürliche Horrormärchen entsprungen: Zwei befreundete Pärchen im Wald, ein wahnsinniger Forscher, die Entfesselung von höllischen und dämonischen Mächten, monströse Kreaturen und ein einsamer Kampf ums Überleben… In seiner Grundlage ist Equinox eine Mischung aus prototypischem Slasher (noch ein gutes Stück vor Black Christmas), Terrorfilm und Monsterhorror. Vor allem die monströsen Geschöpfe, die er im Laufe seiner Geschichte auffährt, sind direkte Hommagen an die schönsten B-Movie-Monster der 50er Jahre, trotz eines lächerlich kleinen Budgets mit für die damalige Zeit beeindruckenden, herrlich nostalgischen Effekten auf die Leinwand gezaubert. Auch mit seiner inkohärenten Story, seinem wackeligen Pacing und seiner albernen Ausführung scheint Equinox mehr in die Midnight Movie Ecke der 50er Jahre zu gehören und einfach 10 Jahre zu spät auf diesem Planeten gelandet zu sein. Aber da ist auch noch seine andere Seite: Das Spiel mit höllischen Kamerafahrten, der überdrehte psychedelische Dämonenterror, die dreckige, rohe Inszenierung… Nicht zu unrecht wird mittlerweile oft angemerkt, dass Equinox an vielen Ecken und Enden wie ein Prototyp von Sam Raimis 80er Jahre Klassiker Evil Dead wirkt. Er ist nämlich auch ein Low Budget Fanfilm, mit wenig Geld aber dafür umso mehr Liebe umgesetzt (ganze 2 1/2 Jahre dauerte seine Produktion), ein Wegbereiter für viele LoFi-Horrorkultfilme, die folgen sollten. Und mit seinem düsteren und zugleich hysterischen Look wirkt er zwischenzeitlich eben auch wie fünfzehn Jahre zu früh auf diesem Planeten gelandet. Kritiker damals wie heute können sich nicht einigen: Billiges Trashspektakel? Oder doch unterschätzter Kultfilm? Vielleicht von beidem ein bisschen was, definitiv aber ein Film, den jeder Horrorfan wenigstens einmal im Leben gesehen haben sollte.
Symptoms [José Ramón Larraz]
(Großbritannien 1974)
Auch Symptoms gehört eher in die Low Budget Horrorecke, und doch ist er alles andere als ein alberner Midnight Movie. Das liegt daran, dass Regisseur José Ramón Larraz mit ausgesprochenem Ernst an sein Sujet herangeht. Die Geschichte zweier Freundinnen, die in einem abgelegenen Haus unheimliche Geschehnisse erleben müssen ist ein slow burning Horrordrama, wie es im Buche steht. Statt ausgefallener Effekte und übertriebenem Gore nimmt sich Symptoms viel Zeit für die Erkundung der Psyche seiner Protagonistinnen. Und während er ein angespanntes, tragisches Kammerspiel inszeniert, lässt er dieses ganz behutsam Richtung ausgefallenem Psychohorror eskalieren. Dabei bedient sich Larraz bei Mitteln des Giallo mit weiblicher Perspektive, des Psychothrillers Polanski’scher Prägung und würzt das ganze mit einer ordentlichen Portion Hitchcock Suspense. In seinem Finale darf Symptoms dann auch noch wirklich purer Horror sein, inklusive so manchem derben gory Part. Ohne den Faden zu verlieren wird dies alles zu einer äußerst exquisiten Mischung, die auf alberne Momente verzichtet, für einen dreckigen Low Budget Film erstaunlich gutes Schauspiel, zielsicheren Score und überraschend viel Subtilität zu bieten hat. Ohne Zweifel einer der intensivsten, ernstesten kleinen Horrorfilme des Jahrzehnts.
Rabid – Der brüllende Tod [David Cronenberg]
(Kanada 1977)
Und noch einmal David Cronenberg, der in den 70ern nicht nur den Grundstein für eine ausufernde Karriere legte, sondern für einige der besten Horrorerfahrungen dieser Dekade verantwortlich ist. Wie schon The Brood ist auch Rabid eine düstere Mischung aus SciFi Horror, Psychothriller und Bodyhorror, arbeitet mit Mitteln des Vampirfilms und Zombie Movies und entwickelt peu à peu nahezu apokalyptische Dimensionen. Rabid ist ein faszinierendes Monstrum von einem Horrordrama, mit viel Empathie für seine Protagonistin, die sowohl Opfer als auch Täterin ist, als wandelnder Tod durch das ländliche sowie städtische Kanada irrt. Ihre Verlorenheit ist dabei stets so präsent wie die Gefahr, die von ihr ausgeht. Rabid ist pessimistisch und düster, tragisch und agoraphobisch. Ein harter Schlag in die Magengegend seines Publikums, der durch seine Überspitzheit und seine enervierende Atmosphäre alles andere als leicht bekömmliches Genrekino darstellt. Und genau deswegen einer der wertvollsten Beiträge zum Horror der 70er Jahre.
Die Wiege des Bösen [Larry Cohen]
(USA 1974)
It’s alive heißt Larry Cohens Horrorstreifen im Original. Und auch wenn es ein wenig schade ist, dass im deutschen Titel die Frankenstein-Reminiszenz verloren geht, so trifft auch der hiesige Titel den Nagel auf den Kopf. Die Wiege des Bösen ist die Geschichte eines monströsen, mutierten Babys, das mordend umherzieht, verfolgt von seinen Eltern, der Polizei und den Behörden. So albern diese Prämisse klingen mag, It’s alive ist alles andere als ein cheesy Exploitationflick. Auch wenn die Erscheinung des Babymonsters eher albern als furchterregend anmutet, so verliert sich der Film nicht in infantilem Monsterhorror, sondern erzählt angenehm nuanciert ein düsteres Horrodrama, in dessen Zentrum bedingungslose Elternliebe und eine gehässige Kritik an der modernen Wissenschaft stehen. Die Wiege des Bösen ist so stark, weil wir das Monster so selten sehen, und weil er uns sogar Momente spendiert, in denen wir mit dem Monster mitfühlen können. Er ist so stark, weil er den Alptraum junger Eltern als verheerende Schreckensvision inszeniert, weil er Trauer, Verzweiflung und pure Angst jederzeit spürbar werden lässt. Ein Film in dem so viel mehr steckt, als die Verpackung vermuten lässt, ein erschreckend trostloses und zugleich unheimlich spannendes Horrordrama mit starken Emotionen und einer dunklen, verlorenen Atmosphäre.
The Amityville Horror [Stuart Rosenberg]
(USA 1979)
Neben all den kleinen, dreckigen Low Budget Indiestreifen gehört wenigstens ein großer Mainstream-Horrorfilm in diese Liste. Es fällt nicht besonders schwer, für diesen Platz Amityville Horror auszuwählen. Nicht nur, dass der Erfolg für diese Spukgeschichte ziemlich überraschend kam, darüber hinaus ist Amityville Horror ein Film, der zwar eindeutig auf ein Massenpublikum zugeschnitten ist, parallel aber eine Menge Gespür für Details und einen ernsthaften Umgang mit seinem Sujet aufweist. Natürlich ist Amityville Horror in erster Linie eine Spukhausgeschichte der alten Schule. Das „Based on a true story“-Gimmick ist natürlich nicht mehr als ein albernes Gimmick, und alle Geschehnisse sind natürlich ein wenig zu sehr over the top, um noch als vager, mysteriöser Psychothriller durchzugehen. Allerdings kümmert dies weder den Cast noch die Inszenierung. Mit einem nahezu heiligen Ernst irren diese durch das Spukhaus, lassen sich auch von monströsen Stimmen und blutenden Wänden nicht von der Ernsthaftigkeit ihrer Mission, dem unbedingt vorgegaukelten Realismus abbringen, und schaffen somit einen Horrorfilm, der trotz Blockbusterappeal sehr realistisch, fast schon naturalistisch daherkommt. The Amityville Horror will ernst genommen werden, nicht nur als Gruselfilm, sondern auch als Dokumentation realer Ereignisse und als Beweis für die Existenz des Okkulten in unserer Welt. Das kann man blöd finden, aber ähnlich wie bei Mentalmagie braucht es nur ein wenig Suspension of Disbelief und schon wird man von diesem Gruselkabinett gefangen und kann sich (auf unheimliche Weise) verzaubern lassen. Gerade im Vergleich zu den lahmen Krücken nach Conjuring und Insidious, die im letzten Jahrzehnt ähnliches versucht haben (und dabei ziemlich gescheitert sind), lässt sich an Amityville Horror schön darlegen, dass im Horrorgenre früher doch so manches besser war…