Die besten Horrorfilme der 90er Jahre II
Wir machen weiter mit unserer 90er Horrorretrospektive und erwähnen gleich zweimal den King of Horror, Stephen King. Darüber hinaus allerlei Vampiristisches – von der klassischen Gothic Novel Adaption bis hin zu postmodernen Varianten. Außerdem das faszinierende Regiedebüt von Guillermo Del Toro, eine kultige Freakshow von Clive Baker, italienische Zombies, amerikanische Kannibalen und asiatische Mord- und Folterorgien. Die besten Horrorfilme der 90er, Teil 2, direkt nach dem Klick.
Cabal – Die Brut der Nacht [Clive Baker]
(USA 1990)
Lange Zeit vollkommen unterschätzt, hat sich Cabal in jüngster Zeit doch noch zum Kultfilm entwickelt, der von Horrorfans mittlerweile schon auf eine Ebene mit dem Klassiker Freaks gehoben wird. Lassen wir die Kirche im Dorf: Die subtile Nachdenklichkeit von Tod Brownings 30er Jahre Klassiker fehlt Clive Bakers krudem Horrorthriller. Dafür punktet Night Breed an anderer Stelle: Eine rasant inszenierte, dreist zerfahrene Geschichte, ein Kuriositätenkabinett, das man einfach erlebt haben muss, eine ordentliche Portion rabenschwarzen Humors und nicht zuletzt eine mystische Unterwelt die ebenso wie ihre Kreaturen jeglicher Beschreibung spottet. Cabal ist ein verwegener Horrorbilderrausch, der sich selbst keine Limits setzt, dabei bestens unterhält und somit dann doch irgendwie vollkommen zurecht zu einem 90er Jahre Horrorfilmklassiker mutiert ist.
The Addiction [Abel Ferrara]
(USA 1995)
In einer Zeit, in der zahlreiche US-Regisseure den vampiristischen Spuk der Gothic Novels wiederentdeckten, erschuf Abel Ferrara mit „The Addiction“ einen kleinen postmodernen Vampirhorror-Bastard, der sich gänzlich vom Ambiente des klassischen Vampirspuks unterscheidet. In „The Addiction“ wird der Hedonismus-chic des Blutsaugerdaseins zur existenziellen Bedrohung, zur pathologischen Obsession, zur ganz realen Erkrankung. Irgendwo zwischen New Yorker Underground Flair, HIV-Parabel, philosophischem Zorn und blutigen Gewaltexzessen entsteht dadurch eine quälende Horrormär über Isolation und Obsession in der postmodernen amerikanischen Großstadt. Horrorballast im wahrsten Sinne des Wortes und einer der spannendsten Beiträge zum Vampirgenre überhaupt.
Bram Stokers Dracula [Francis Ford Coppola]
(USA 1992)
Auf der Suche nach der akkuratesten Verfilmung des Klassikers kommt man an Francis Ford Coppolas Interpretation nicht vorbei. Das liegt weder unbedingt an der hier erzählten Geschichte noch an dem – etwas großspurigen – Titel, der schon ziemlich direkt für sich reklamiert, die einzig adäquate Literaturverfilmung des berühmten Stoffes zu sein. Nein, es ist das fantastische Setting, das herausragend zwischen dem viktorianischen England und dem atavistischen Transylvanien oszilliert. Es ist die Atmosphäre zwischen verblümtem, gotischem Kitsch und dunklem, gediegenen Horror. Es ist die Liebe zum Detail und der Spaß am Grusel mit Pathos und Gefühl. Klar, ein paar cheesy, alberne Momente gibt es auch. Weder Keanu Reeves noch Winona Ryder glänzen mit großem Schauspiel und vom Look & Feel ist der Film eben auch oft Kind seiner Zeit. Aber diese Masken, diese Kamera, diese Musik. Es passt einfach, ebenso wie der großspurige Titel und so hätte Bram Stoker diesen Film wohl mit einem Lächeln (und einem kleinen Augenzwinkern) abgesegnet.
DellaMorte DellAmore [Michele Soavi]
(Italien 1994)
Jaja, die Italiener haben horrortechnisch schon gehörig einen an der Klatsche. Zwischen schrillem Gruselballett, infamen Splatterorgien und abstrusen Comedyeinlagen gehört der südeuropäische Horror zu den speziellsten Vertretern des Genres. Auch die Untoten-Saga DellaMorte DellAmore macht da keine Ausnahme. Ein einsamer Friedhofswärter, alltäglich absurder Zombietrott, eine Liebesgeschichte über den Tod hinaus und manche eleganten Twists machen aus dem ebenso charmanten wie originellen Zombiefriedhofromcomhorror Bastard ein außergewöhnliches Vergnügen, das sich nicht vor den italienischen Genreklassikern wie Suspiria zu verstecken braucht. DellaMorte DellAmore pendelt immer äußerst geschickt zwischen sanftem Grusel, berührendem Drama, satter Selbstironie, albern infantiler Comedy und überraschend fiesen Gewalteinlagen.
Candyman [Bernard Rose]
(USA 1992)
Weitaus konventioneller geht es da im US-Horror zur Sache. Doch trotz stringenter Geschichte ist Bernard Roses Candyman alles andere als leicht bekömmliche Genrekost. Der auf einer urbanen Legende beruhende Candyman steckt voller extremer Fallhöhen und hat mit die unheimlichsten und gruseligsten Kinomomente der 90er Jahre zu bieten. Das liegt weniger an der titelgebenden, verfluchten Spukfigur als viel mehr an der grandiosen Inszenierung, die geschickt mit Psyche, Traum und Wirklichkeit spielt und sowohl ihrer Protagonistin (großartig: Virginia Madsen) als auch dem Zuschauer peu a peu den Boden unter den Füßen entreißt. Der Candyman spielt der Wahrnehmung und der Realität infame Streiche und generiert dadurch unter die Haut gehende Angstszenarien und tief ins Fleisch stechende Schockmomente. Einer der effektivsten Horrorgeschichten des Jahrzehnts.
Ringu [Hideo Nakata]
(Japan 1998)
Den berühmt berüchtigten Ruf von heute hatte das asiatische Kino in den 90ern noch nicht. Aber es war auf dem besten Weg dahin. Und einer der großen Wegmarken war zweifellos Ringu, bzw. The Ring – Das Original. Das entsprechende amerikanische Remake von 2002 haben wir ja schon in der 00er Horrorfilmretrospektive für anbetungswürdig befunden. Und auch das Original gehört zur gehobenen Spuk- und Gruselkost. Die Geschichte um mysteriöse Morde in Verbindung mit einem Videobacklink aus dem Jenseits ist ungemein beklemmend, angsteinflößend und in seinen Schockmomenten höchst effektiv. Vielleicht noch nicht einmal der beste Film aus der asiatischen Nische, aber ohne Zweifel jetzt schon ein Klassiker des postmodernen Horrorfilms und damit auch schlicht und einfach ein Stück Filmgeschichte.
Audition [Takashi Miike]
(Südkorea, Japan 1999)
Ein Regisseur, der von dem Boom des asiatischen Kinos in der westlichen Welt gehörig profitierte, ist Takashi Miike. Gegen jede Erwartung gelang es dem mehr als speziellen Regisseur, in Europa und den USA eine nicht zu knappe Fanszene zu gewinnen. Audition gehört immer noch zu den „bekömmlichsten“ Filmen seines Werkes… und ist dabei doch alles andere als gewöhnlich. Was als ruhiges, langsam erzähltes Drama und Parabel über die Einsamkeit in der postmodernen Großstadt beginnt, entwickelt sich peu a peu zu einem bösartigen, brutalen Horrortrip zwischen Psychothriller, Tortureporn und surrealer Alptraumwelt. Audition ist ein knallhartes ungewöhnliches Genremeisterwerk, ein Film der sich tief ins Gedächtnis gräbt und dort lange – viel zu lange – verweilt.
Ravenous [Antonia Bird]
(Tschechische Republik, GB, USA 1999)
Country meets Kannibalismus. Der zynische, derbe Ravenous kreuzt geschickt Wild West Romantik mit brutalem Kannibalenhorror und hieft die Thematik, die ansonsten oft für sinnentleerte Splatterorgien gut ist, in fast schon metaphysische Dimensionen. Dabei nimmt sich der dreckige Rohdiamant nie allzu ernst und spielt stattdessen geschickt mit seinen eigenen Dispositionen: Ein bisschen Psychothrill hier, ein wenig Mystery dort, und dann vollkommen überraschend eine groteske Slapstickszene. Ravenous pendelt ständig zwischen Spätwestern, Psychodrama, okkultem Horror, perfidem Gore und absurder Komödie, verliert dabei nie seinen roten Faden und bleibt so permanent kurzweilig und unterhaltsam.
Stark – The Dark Half [George A. Romero]
(USA 1993)
Stephen King Verfilmung, die Erste. Der Bestseller „Stark – The dark Half“ gehört mit zu den besten Werken des US-Horrorautoren. Die raffinierte Meta-Gruselgeschichte changiert zwischen verspielter Selbstreflexion, düsterem Psychothriller und dämonischem Horror. George A. Romero (Night of the living Dead) ist die entsprechende Verfilmung ausgesprochen gut gelungen. The Dark Half gehört zu den konservativeren King-Verfilmungen. Im Gegensatz zu Kubrick verzichtet Romero darauf Stark seinen eigenen Regiestempel aufzudrücken und bewegt sich stattdessen vorsichtig im klassischen King-Kosmos. Das freut natürlich Fans der Vorlage, ebenso wie den Großmeister des Horrors selbst, der sich mehrfach als großer Romero-Fan outete.
Cronos [Guillermo Del Toro]
(Mexiko 1993)
Eine faszinierende Mischung aus Insektenhorror, Faust-Topoi und Vampirismus ist der intelligent, eklektische Horrorschocker Cronos von Guillermo del Toro (Pans Labyrinth). Del Toro nutzt geschickt Motive aus zahllosen klassischen Horrorfilmen und generiert daraus ein ganz eigenes düsteres und beklemmendes, okkultes Psychodrama. Cronos ist sowohl melancholisch als auch schwarzhumorig, beängstigend, metaphysisch und zugleich ganz real brutal und blutig. Eine intelligente Mischung aus poetischem Minimalismus, hartem Reißer und abstrakten bis surrealem Psychohorror. Ohne Frage eines der spannendsten Regiedebüts des Jahrzehnts und neben „The Addiction“ eine der originellsten Adaptionen vampiristischer Mythen.
Misery [Rob Reiner]
(USA 1990)
Stephen King, die Zweite. Auch Regisseur Rob Reiner wählt bei seiner Verfilmung des Psychothrillers Misery eher den konservativen Weg. An mehreren Stellen entschärft er gar die Vorlage, reduziert die in der Vorlage ungemein detailliert beschriebene physische Gewalt auf ein nahezu erträgliches Niveau. Das ist in dem Fall aber alles andere als schlimm, denn Misery lebt voll und ganz von dem herausragenden Wechselspiel zwischen James Caan und Kathy Bates. Diese spielt die fanatische Literaturliebhaberin mit Vorliebe für Äxte und Fesseln faszinierend bösartig und mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor. Dadurch gelingt es ihr immer wieder, die absurde Disposition der Geschichte abzufedern und den Fokus voll und ganz auf das klaustrophobische Psychoduell der beiden Protagonisten zu lenken.
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Erstveröffentlichung: 2011
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