Die besten Horrorfilme 2017: The Autopsy of Jane Doe

Dem Mainstream-Erfolg der Conjuring-Reihe und der Verliebtheit des Feuilletons in den so genannten Post Horror sei Dank: Das Genre boomt gewaltig, sorgt nicht nur für volle Kinosäle sondern auch immer wieder für neue Kritikerlieblinge (denen dann wiederum ironischerweise nachgesagt wird, ein Genre zu retten, das Rettung im Moment wirklich nicht nötig hat). Es gibt aber auch eine andere Seite der Medaille: Es hat sich in den letzten Jahren ein kaum zu übersehender Graben in der Welt des Horrorfilms aufgetan, ein Graben, der bis dato in dem Genre noch nicht existierte. Auf der einen Seite die Publikumslieblinge, die Saw-Franchise, die Conjurings und Paranormal Activities; von der Kritik oft verlacht und meistens missachtet. Auf der anderen Seite, die – meist vollkommen zurecht – von der Kritik gelobten Filme, deren Haupttrademark es allerdings ist eben nicht bloß Horror zu sein: Familientragödien wie Hereditary (2018), Horrorsatiren wie Get Out (2017) oder düstere Slow Burner wie It follows (2014). Ihnen allen gemein ist, dass sie das Genre nicht einfach bedienen sondern dekonstruieren, sprengen oder auch einfach nur erweitern, während die reinen, traditionellen Horrorfilme unserer Zeit tatsächlich oft ziemlich durchschnittliche, lahme Trope-Maschinen mit abgedroschenen Jump Scares und langweiligen Geschichten sind. Da fragt man sich doch als Freund des Genres: Muss ich ab sofort immer auf dessen Subversionen zurückgreifen? Kann es nicht einfach auch mal wieder einen klassischen, gerne auch etwas formelhaften, Beitrag zum Horrorgenre geben, der trotzdem verdammt gut ist? Nicht Post Horror, sondern Horror Horror… oder einfach nur Horror? Es kann. Auftritt Jane Doe, die wahrscheinlich unheimlichste Tote der letzten Jahre.

Jane Doe ist der in den USA gebräuchliche Name für eine Leiche, deren Identität noch nicht festgestellt wurde. In diesem Fall weist die von der Polizei am Ort eines Verbrechens gefundene Jane Doe (Olwen Catherine Kelly) allerdings so einige weitere ungewöhnliche Merkmale auf: Ohne äußere Verletzungen liegt sie in einem offensichtlich extra für sie geschaufelten Grab im Keller eines Einfamilienhauses, dessen Bewohner brutal ermordet wurden. Die Tote wird noch in der Nacht in die private Pathologie von Tommy (Brian Cox) und seinem Sohn Austin (Emile Hirsch) gebracht, wo die beiden sie obduzieren und so schnell wie möglich eine Todesursache feststellen sollen. Schnell müssen die beiden jedoch feststellen, dass es sich um alles andere als eine gewöhnliche Leiche handelt, deren inneren Verletzungen nicht im Geringsten zu ihrer äußeren Erscheinung passen. Als dann auch noch ein heftiger Sturm tobt und die beiden in ihrem Leichenhaus von der Außenwelt abgeschnitten sind, realisieren sie, dass irgendwelche Kräfte versuchen, sie von ihrer Arbeit abzuhalten… um jeden Preis.

Ein Horrorfilmrezept für einen klassischen Schocker zu schreiben, ist wahrscheinlich gar nicht mal so schwer: Man nehme ein mysteriöses Szenario, irgendeine Option für gruselige, grauselige Bilder, man nehme ein abgeschottetes, düsteres Setting mit vielen Ecken und Nischen, hinter denen sich etwas verstecken lässt, man lerne sein Jump Scare 1×1, et voilà, fertig ist der nächste Horrorfilm. Dass die Umsetzung dieses Rezepts in der Küche dann alles andere als einfach ist, durften in den letzten Jahren diverse Regisseure viel zu oft unter Beweis stellen. Und so tut es richtig gut mal einen Film zu sehen, der streng – wirklich streng – nach Rezept gekocht ist und dennoch einen Heidenspaß macht. An André Øvredals US-Debüt The Autopsy of Jane Doe ist nichts, aber nun wirklich gar nichts, sonderlich originell. Und das ist in diesem Fall überhaupt nicht schlimm, denn der Regisseur von Trollhunter (2010) weiß einfach, wie ein solcher Blaupausenfilm zu inszenieren ist, ohne dass er langweilig wird. Knackige 86 Minuten nimmt er sich gerade mal Zeit dafür, und so besitzt der Film wie seine titelgebende Figur auch kein Gramm Speck zu viel. Nach einer äußerst kurzen Exposition wird das Publikum direkt hineingeworfen in ein düsteres Kammerspiel, das geschickt zwischen Bodyhorrorszenen und Mysterygrusel hin- und her springt und dabei nie mehr sein will, als es ist.

Brian Cox und Emile Hirsch leisten einen absolut soliden Job, der wahre Star des Films ist allerdings Olwen Catherine Kelly, der es gelingt trotz radikaler Totenstarre ihrer unbekannten Leiche außerordentlich viel Präsenz, Stärke und Unheimlichkeit mit auf den Weg zu geben. Die Kamera macht genau das was sie machen soll, verbirgt in den richtigen Momenten, zeigt in den richtigen Momenten und enthüllt nie zu viel des sich langsam steigernden Schreckens. Da ist man auch gewillt, dem Film ein bis zwei überflüssige Fake Jump Scares zu verzeihen; irgendwie gehören sie halt zum Rezept und hier werden sie Gott sei Dank sparsam eingesetzt. Was man dem Film allenfalls vorwerfen kann, ist, dass er nicht so recht zu einem gewaltigen Crescendo findet. Anstatt die Daumenschrauben anzuziehen, verharrt er doch etwas zu bräsig im Standardhorror-Setting und kann dadurch nicht mal annähernd so effektiv gruseln und schockieren wie andere Genrevertreter wie zum Beispiel der Barbadook oder Hereditary. Andererseits wird er so auch nie zur hysterischen Lachnummer wie all die Annabelles und Nuns da draußen.

Alles in allem kann festgehalten werden: Die Autopsie der Jane Doe ist ein grundsolider, gelungener Horrorstreifen, der null Experimente wagt und dabei sehr sicher und gekonnt über die Ziellinie fährt. Wahrscheinlich der beste konservative Genrebeitrag der letzten Zeit und ein guter Beweis dafür, dass man nicht immer alle Konventionen über Bord werfen muss, um einen sehenswerten Horrorfilm zu inszenieren. Stephen King mag das. Ich auch.

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