Die besten interessantesten Horrorfilme 2018: Mandy mit Nicolas Cage

Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem guten Freund, in dem dieser mich daran erinnerte, dass ich wohl einst – vor über 15 Jahren – Nicolas Cage zu einem meiner Lieblingsschauspieler erklärt hätte. Ehrlich, ich kann mich daran wirklich nicht mehr erinnern, halte es aber, wenn ich an diese Zeit zurückdenke, für absolut plausibel, dass ich zumindest eine große Verteidigungsrede für den oft veralberten, oft nicht ernst genommenen Overacting-Bro gehalten habe. Immerhin waren das damals die frühen 2000er Jahre. Und auch wenn Nicolas Cage zu dieser Zeit schon mit bizarr überzeichneten, testosteronschwangeren Auftritten wie Con Air (1997) oder Gone in 60 seconds (2000) negativ aufgefallen war, war er doch noch ein Stück entfernt von späteren Nutball-Rollen wie The Wicker Man (2006) oder Ghost Rider (2007), geschweige denn den noch späteren noch groteskeren Actionrollen in zahllosen B-Movies. Außerdem war das auch die Zeit von Adaptation (2002) und The Weather Man (2005), wo er zeigen durfte, dass er auch mehr kann als manisch und hysterisch in die Kamera zu grinsen. Anyway, mittlerweile hat Nicolas Cage seinen Ruf als wahnsinniger Overacter weg; absolut zurecht ist er aktuell mehr Meme als Schauspieler, geliebt und gehasst wegen seiner furiosen, bizarren Auftritte, oft verspottet, selten wertgeschätzt. Und ohne wieder eine große Verteidigungsrede auspacken zu wollen: Der Mann kann was. Der Mann kann mehr und hat es sicher nicht verdient, in zahllosen billigen Revenge Thrillern verbraten zu werden. Panos Cosmatos‘ Mandy (2018) hat durchaus das Potential den Ruf von Nicolas Cage wiederherzustellen und auch mehr: Immerhin scheint er fast so was wie eine Verbrüderung zu sein von Cages letzten, platten Rachethrillern, seinem Hang zum Exzentrischen und seinen – zumindest früher – immer wieder überraschend künstlerischen Arbeiten. Denn Mandy ist ein B-Movie Revengethriller, verpackt in einem sehr artifiziellen, zäh fließenden Höllentrip; eine düstere Ode an das simple Action-, Barbaren- und Horrorkino der 80er Jahre, aber auch eine Verbeugung vor dem Surrealismus, dem Giallo und sogar den symbolistischen Werken eines Tarkowskij. Selten zuvor war es so aufregend, Nicolas Cage in Aktion zu sehen.

Man muss Mandy schon zu Gute halten, dass er sein Ding gnadenlos durchzieht. Und das bedeutet in diesem Fall erst einmal die Story gnadenlos auf das Wesentliche zu reduzieren, und bei diesem Wesentlichen dann auch noch tief auf die Stereotypien und Idiotien des klassischen Revenge Horrors zurückzugreifen. Mandy erzählt das, was Anita Sarkeesian vor einigen Jahren als „Damsel in the Fridge“-Trope bezeichnet hat. Der Protagonist – Nicolas Cage als einsamer Wolf und Holzfäller – zieht hier nämlich nicht los, um seine Liebste zu retten, sondern mehr oder weniger um sie zu rächen und damit ihre Seele zu befreien, nachdem sie von der fundamentalistischen Endzeitsekte Children of the New Dawn bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Und das war es auch schon. Viel mehr Story ist hier nicht zu erwarten. Im Fokus steht der einzelne, vom Schmerz gebeutelte Mann gegen das (vermeintlich) übermächtige Böse. Im Fokus steht das Rache Nehmen, das Aufräumen, das der toten Seele Gerechtigkeit Verschaffen. Inszeniert wird die Racheorgie wie ein düsterer Drone- oder Doom-Metal-Song. Mandy ist gewaltig, dunkel, schwer. Mandy ist langsam und brutal und schneidet sich dabei so zäh in das Fleisch seines Publikums, wie sich der Protagonist in das Fleisch seiner Feinde schneidet. In rote, violette und vor allem höllische Farben getaucht, die immer mal wieder an den Giallo-Horror der 70er Jahre erinnern, ist Mandy jedoch nie grell genug, nie laut und vor allem nie weiblich genug, als dass er mehr tun würde, als die Farbgestaltung dieses Genres zu zitieren. Nein, seine Referenzen liegen wo anders:

Mandy ist – trotz des weiblichen Namens – ein extrem männlicher Film. Nicht nur, dass das Geschehen in den 80er Jahren verortet wird, auch Inszenierung, Fetisch und Narrative bedienen sich kräftig beim maskulinen Kino dieser Zeit. In Mandy treffen Motive aus Mad Max (1979) auf das Terrorkino und den Proto Torture Porn der späten 70er Jahre (Wes Craven darf hier gleich mehrmals Pate stehen) auf trashige Barbarenfantasien und sehr sehr männliche Rache- und Actionfantasien. Der Protagonist versucht gar nicht zu verbergen, dass er als fanatischer Racheengel vollends aus der Zeit, aber auch aus dem zivilisatorischen Kontext gefallen ist. Seine Mission ist Vergeltung, und in diesem Blutrausch gibt es keinerlei hinzukommende Motive, keinerlei ethische Reflexionen, keinerlei Zögern, Zaudern oder Unsicherheiten. Nicolas Cages Red Miller ist ein Barbar in einer barbarischen Welt, ein unmenschliches Monstrum in einer Welt, in der längst jede Menschlichkeit verloren gegangen ist. Auch wenn Mandy nicht in einem postakolyptischen Szenario spielt, scheint die Apokalypse hinter jeder Ecke zu warten: Vielleicht ist die Welt bereits untergegangen und wir haben es nur noch nicht mitgekriegt, vielleicht ist sie dabei unterzugehen, vielleicht ist sie kurz davor. Vielleicht hat sie es aber auch einfach nur verdient und wir schauen ihr dabei zu, wie dies endlich Dank des Protagonisten verwirklicht wird.

Nicolas Cage erledigt seinen Job in dieser Welt mit grimmiger Verzweiflung, kriegt dabei auch ein paar passend absurde Nicolas Cage Momente spendiert, bleibt aber über die gesamte Laufzeit erschreckend uncagig. Ohnehin, wer hier eine absurde, komische Übersteigerung dieses Kosmos‘ erwartet, wird enttäuscht werden. Mandy nimmt sich ernst, todernst. Die Referenzen werden nicht gebrochen, nicht dekonstruiert und auch nie karikiert. Humor ist hier ebenso fehl am Platze wie Selbstreferenzialität. Anstatt das Genre durch den Fleischwolf zu drehen, wird das Genre hier selbst zum Fleischwolf und das Sujet zum Körper der gnadenlos durch die Maschine malträtiert wird. Im Grunde genommen ist Mandy ein absurd übersteigerter, sich viel zu ernst nehmender Revenge Thriller, der mit all seinen Referenzen und Reminiszenzen deutlich Style over Substance stellt. Aber was ist das für ein Style! Die dröhnende Musik, die dunklen Bilder, das Wabern zwischen Traum und Realität. Mandy ist eben auch ein groteskes, barockes Gemälde, in dem Nacht, Verzweiflung, Hass, Fanatismus und Blut eine erschreckende Melange eingehen. Aber er ist eben auch ein regressives Werk. Ein Film, der seine Vorbilder feiert, der in seinem Männlichkeitsbild schwelgt, ein Film, der völlig ungeniert und ohne Ironie, stereotyp, flach und eindimensional daherkommt. Ja, es schmerzt, dass hier viel zitiert und wenig selbst gedacht wird, dass die Dispositionen nicht einmal in Frage gestellt, der eigene Blick nicht einmal reflektiert wird. Es schmerzt, dass Mandy sich ernster nimmt, als er eigentlich sollte.

Mandy ist ein merkwürdiger Film: Irgendwie zu gewaltig um Durchschnitt zu sein. Zu mächtig, um ignoriert zu werden. Aber er ist eben auch ein ärgerlich konservativer Film. So toll die Bilder auch sind, so einfallsreich das Horrorszenario auch ist, letzten Endes handelt es sich eben doch um einen Old School Revengethriller, der, wie es sich für das Genre gehört, eine Menge Bullshit enthält. Ob man die Inszenierung jetzt prätentiös oder fantastisch findet (ich tendiere zu zweiterem) spielt dabei keine große Rolle. Trotzdem ist er stark genug, um selbst kritische Zuschauer in seinen Bann zu ziehen: Ja, selbst wenn man weiß, was einem hier geboten wird, wie viel hier recyclet und wie wenig hier reflektiert wird, so lässt man sich doch allzu leicht von dieser Höllenvision hypnotisieren und aufsaugen. Und dann gibt es auch noch Nicolas Fucking Cage. Allein wegen dem – und der Vorstellung des irritierten Kopfschüttelns seiner Action- und B-Movie-Fans – lohnt es sich, Mandy eine Chance zu geben. Weit entfernt davon einer der besten Horrorfilme der letzten Jahre zu sein… und doch einer der faszinierendsten seiner Art.

Ähnliche Artikel