Apokalyptische Kurzrezensionen: Extinction, A Breath Away, Good Omens

Drei Mal Endzeit, drei Mal Ende der Welt bitte; und zwar in sehr unterschiedlichen Variationen. Also was haben die letzten 12 Monate diesbezüglich für uns im Angebot? Da haben wir zum einen den mysteriösen und zugleich actiongeladenen Weltuntergang mit ner Menge Science Fiction im Netflix-Flick Extinction. Da haben wir zum zweiten den dramatischen, realistischen Weltuntergang im Katastrophendrama und Survivalthriller A Breath Away. Und da haben wir zum Dritten den durchgeknallten, witzigen und epischen Weltuntergang in Form der Amazon-Miniserie Good Omens. Drei Mal das Ende der Welt in sehr unterschiedlicher Ausprägung. Auf welche dieser Apokalypsen man sich einlassen sollte, folgt jetzt.

Extinction [Ben Young]

(USA 2018)

Wenn man es böse mit Netflix meint, kann man durchaus festhalten, dass viele der jüngeren Exklusivfilme des Streaminganbieters so ein bisschen das sind, was früher das Füllmaterial in der Videothek war. Ja, manchmal stößt man auf ein kleines Highlight, oft handelt es sich aber um gut gemeinte aber weniger gut gemachte B-Ware von der Stange. Filme, die gerne mit einer starken Prämisse neugierig machen, in ihrer Ausführung dann aber doch enttäuschen. Genau so ein Film ist Extinction, in dem es um dunkle Vorahnungen eines Familienvaters und um das Ende der Welt geht. Dabei gibt es durchaus einiges, was man dem Film zu Gute halten kann: Die Idee, inklusive sauberem Plottwist ist durchaus originell, das Setting ist überzeugend gezeichnet und auch die Kamera und Special Effects können zwar nicht mit großen Blockbustern mithalten, erfüllen aber voll und ganz ihren Zweck. Leider scheitert der Film in diesem Fall an seinem Pacing.

So vielversprechend und mysteriös der Film auch beginnt, viel zu schnell stolpert er in eine Genreecke, aus der er nicht mehr rauskommt. Gerade hat man sich noch gefragt, was es mit all den Mysterien auf sich hat, die der Film in den ersten 20 Minuten aufwirft, da bricht auch schon die Hölle los, und den Rest der Laufzeit befindet man sich in einem astreinen SciFi-Katastrophenthriller, der kaum Möglichkeiten zur Ruhe und Reflexion bietet. Extinction erzählt vom Ende der Welt im epischen Ausmaß, wie so üblich jedoch in diesem Genre im Fokus zusammengeschrumpft auf den Kern einer klassischen Familie. Und das wiederum ist weder originell noch mitreißend. Da nützt auch der wirklich clevere Plottwist nach Dreivierteln des Film nichts mehr: Extinction ist einfach zu hektisch, zu oberflächlich in seiner Ausgrabung und unterminiert damit all die Cleverness, die eigentlich in seiner Prämisse steckt. Als Black Mirror- oder noch viel mehr Outer Limits Episode, reduziert auf eine Stunde Laufzeit hätte das auch in der Form funktionieren können. So bleibt es aber eine verschenkte Idee, aus der nur Durchschnittsware geboren wird, inklusive peinlicher Off-Erzählung und viel zu langen Erklärbärszenen. Wie damals in der Videothek gilt: Kann man sich geben, wenn man wirklich nichts besseres findet; kann man sich aber genau so gut schenken.

A Breath Away [Daniel Roby]

(Frankreich 2018)

Der französische Endzeitthriller Dans la brume bzw. Just A Breath Away (wie er international benannt wurde) ist da schon ein ganz anderes Biest von apokalyptischem Szenario. Auch hier sind die klassischen Trademarks vorhanden: Eine Kernfamilie in einer großen Stadt (in diesem Fall, Paris), eine plötzlich aufziehende Katastrophe, deren Ausmaß erst einmal nicht feststellbar ist, und folgend der gnadenlose Kampf ums Überleben. In Dans la brume ist die Katastrophe ein dichter und – wie sich schnell herausstellt – giftiger Nebel, der sich über den Straßen von Paris ausbreitet und eine Höhe von mehreren Metern erreicht. Überleben ist nur in den oberen Etagen und auf den Dächern der Metropole möglich. Dorthin fliehen auch Anna und ihr Mann Mathieu, müssen jedoch ihre Tochter zurücklassen, die aufgrund einer seltenen Krankheit in einer Art gläsernen Quarantänestation in der gemeinsamen Wohnung zumindest temporär vor dem Nebel geschützt ist. Der Strom dieser Quarantäneeinheit geht allerdings langsam zur Neige und so müssen sich ihre Eltern über den Dächern der Stadt auf den Weg machen, neue Batterien für das Überleben ihrer Tochter zu besorgen.

A Breath Away ist ein – für einen apokalyptischen Survivalthriller – erstaunlich ruhiger und ungehetzter Film. Statt sich von einer Katastrophe in die nächste zu stürzen, wird hier sehr auf Realismus gesetzt. Die Überlebenden sind einfache Leute, keine Überlebenskünstler, keine Kämpfer und machen entsprechend viele Fehler (aus denen sie erstaunlicherweise dennoch oft genug lebend rauskommen). Ebenfalls spannend an A Breath Away ist die Freude am Auslassen. Anstatt den Zuschauer mit Subplots vom zentralen Geschehen abzulenken, wird hier viel gezeigt, ohne auserzählt zu werden. Blutspuren, zurückgelassene Werkzeuge, Leichen und herumstreunende Überlebende sind zwar immer wieder zu sehen, aber ihre Hintergründe bleiben vage bis komplett unsichtbar. Dadurch ist der Zuschauer permanent damit konfrontiert, auch nicht mehr zu sehen als seine Protagonisten. Dadurch wird deren Frust, Desorientierung und auch Hilflosigkeit permanent spürbar und nachvollziehbar. Mit diesem Muster geht zwar viel an potentieller Epicness verloren, gleichzeitig bleibt das Paris von A Breath Away aber stets ein klaustrophobischer Ort, der es bei einer solchen Katastrophe nunmal einfach wäre. Gegen Ende darf Dans la brume dann sogar den Weg des realistischen Survivalthrillers verlassen und zu einer makaberen Parabel werden, bei der auch die Generation „Fridays for Future“ vor Freude in die Hände klatschen darf. Zwar kein Meisterwerk, aber ein durch und durch sehenswerter Endzeitthriller.

Good Omens [Douglas Mackinnon]

(GB 2019)

Die Amazon-Verfilmung von Terry Pratchetts und Neil Gaimans Roman Ein gutes Omen. Die freundlichen und zutreffenden Prophezeiungen der Hexe Agnes Spinner (1990) dürfte wohl für viele Nerd-Literaturliebhaber eine der am sehnlichst erwarteten Filme/Serien des Jahres 2019 sein. Mit Wehmut verbunden ist die nun veröffentlichte Miniserie (6 Episoden) aber auch: Immerhin gab es bereits zu Beginn der 2000er die Idee, den irren Weltuntergangsstoff verfilmen zu lassen, und zwar von niemand geringerem als Terry Gilliam. Mit niemand geringerem als Johnny Depp und Robin Williams in den Hauptrollen. Was wäre das für eine Traumhochzeit gewesen, was hätte daraus werden können! Nun gut, angesichts der Tatsache, dass bis dato eine wirklich gute Pratchett-Verfilmung immer noch auf sich warten lässt, nimmt man als ausgehungerter Fan das, was man kriegen kann. Und das ist im Falle dieser Adaption von Douglas Mackinnon durch und durch sehenswert. Dass das Drehbuch vom Good Omens Zweitautor Neil Gaiman verfasst wurde, ist hier deutlich zu spüren. Der Irrsinn, die Komik und auch die Epik der Vorlage werden fast 1:1 auf die Leinwand übertragen…

…aber eben leider nur fast. Woran liegt es? An der Geschichte kaum, entspricht diese doch ziemlich genau der Romanhandlung: Engel Erziraphael und Dämon Crowley arbeiten zusammen, um das Ende der Welt zu verhindern. Die Apokalypse soll durch den wiedergeborenen Antichristen eingeleitet werden. Dieser wurde bei seiner Geburt allerdings vertauscht, und so ist es gar nicht so einfach den Weltenvernichter zu finden, der ein friedliches Dasein als elfjähriger Dreikäsehoch in einer idyllischen englischen Kleinstadt führt: Dazu kommen noch Hexen, Hexenjäger, (natürlich) die vier apokalyptischen Reiter, ein äußerst knuffiger Höllenhund und eine Menge Verwechslungen und schräger Zufälle. Und davon ist im Film aber auch wirklich so ziemlich alles aus der Vorlage vorhanden. Was dagegen leider sehr stark verloren geht, ist der sehr spezielle, subjektive Humor, der das Buch auszeichnet. In diesem bekamen nämlich viele Protagonisten kleine – und verdammt pointierte – innere Monologe spendiert. Dadurch entstand stets ein großartiger Kontrast zwischen den Wahrnehmungen der einen und Wahrnehmung der anderen Seite: Gut und böse wurden zu fast zufälligen Kontradiktionen, Seiten, die letzten Endes mehr Motive, Hoffnungen und Ängste teilten als sie wussten, beziehungsweise als ihnen lieb war. Dem Blick in die Gedanken beraubt, sind die Figuren in der Verfilmung deutlich flacher, weniger lebendig, weniger witzig; und eine Menge Empathie bleibt auch auf der Strecke.

Zweiter Malus: Die vollkommen überflüssige Streckung der Erzählung auf stolze sechs Stunden. Mit nicht ganz 300 Seiten ist das englischsprachige Original nämlich alles andere als ein dicker Wälzer und legt dementsprechend ein mitunter aberwitziges Tempo vor, während es im Achterbahnritt Richtung Weltuntergang rast. Viel von diesem Esprit geht in der zu langen – und zwischendurch immer auch mal langatmigen – Umsetzung verloren. Es gibt zu viele Momente des Innehaltens zwischen den verschiedenen Episoden des Wahnsinns und dadurch mehr Verschnaufpausen, als der Miniserie guttun. Aber genug gemeckert, denn Good Omens macht vieles auch verdammt richtig. Da wäre als erstes der Cast zu nennen, der durch die Bank herausragend besetzt ist. Natürlich sind es vor allem Michael Sheen und David Tennant die als ungleiches Engel/Dämonen-Duo starke Akzente setzen. Aber auch der junge Sam Taylor Buck erledigt als Antichrist Adam einen superben Job, Adria Arjona überzeugt als konfuse Hexe Anathema und Jon Hamm bleibt trotz kurzer Auftritte als schmieriger Erzengel Gabriel lange im Gedächtnis. Die Settings sind mit viel Liebe zum Detail gewählt, Humor, Action und Pathos halten sich gut die Waage und auch der Transfer der 90er Jahre Handlung ins 21. Jahrhundert funktioniert tadellos. Trotzdem schade, dass die Verfilmung von Pratchetts womöglich bestem Roman nicht ganz der große Wurf geworden ist, die sie hätte sein können. So bleibt eine spannende, witzige und unterhaltsame Apokalypse mit kleinen Längen. Eine sehenswerte Miniserie zu einem absoluten Must-Read-Buch.

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