Kurzrezensionen: Timecrimes, Der Plan, Exam

Im Moment wildere ich ein wenig durch die Videotheken, um festzustellen, was ich so die letzten Jahre an Filmen im Kino verpasst habe, und natürlich auch, um ein paar Direct-to-DVD Veröffentlichungen abzugreifen, die Dank fehlender PR in den Videotheken-Regalen ein wenig vor sich hinstauben. Sind sie es trotzdem wert gesehen zu werden? Dieses Mal gibt es das volle Mysteryprogramm im Realitätscheck: Der düstere – schon etwas ältere – Zeitreise-Thriller Timecrimes, die an den Kinokassen etwas untergegangene Mystery-Romanze Der Plan und das Kammerspiel Exam, das sich in seiner „Geschlossene Gesellschaft“-Variante ungeniert bei Cube und LOST bedient. Lohnt es sich? Die Antwort nach dem Klick.

Timecrimes [Nacho Vigalondo]

(Spanien 2007)

So war das nicht geplant… Hector hat gerade mit seiner Frau eine schicke Villa auf dem Land bezogen, als er in der Nachbarschaft plötzlich merkwürdige Dinge beobachten muss. Im nahegelegenen Wald entblößt eine junge, wunderschöne Dame auf merkwürdige Weise ihre Brüste, nur um kurz darauf zu verschwinden. Als Hector sich auf die Suche nach der mysteriösen Unbekannten macht, stolpert er über einen vollkommen mit Mullbinden maskierten Fremden, der ohne Zögern damit beginnt, den überrumpelten Hector mit einer Schere zu attackieren. Der Angegriffene flieht und findet schließlich Unterschlupf in einer nahegelegenen obskuren Forschungsstation, weiterhin verfolgt von dem rasenden Killer. Doch an dieser Stelle hat Hectors Odyssee durch Raum und Zeit erst begonnen.

Timecrimes ist einer jenen Mysterythriller, über die man beim ersten Schauen am Besten so wenig wie möglich weiß… und genau das ist sein Problem. Selten hat ein Titel allein derart unverschämt den Verlauf der Handlung gespoilert, wie dies Timecrimes tut. Jepp, Timecrimes ist ein Zeitreisethriller und dieses Wissen allein genügt schon, um die folgende Handlung schrecklich vorhersehbar werden zu lassen. Irgendwann ist dann auch ziemlich klar, dass wir uns in einer klassischen Zeitreise-Tautologie befinden, die ähnlich wie der Klassiker La Jetée (1962) oder sein Remake 12 Monkees (1995) auf die Determination von Raum und Zeit setzt. Und ja, der Film bleibt so bis zu seinem Ende ermüdend vorhersehbar. Verschiedene Variationen der selben Geschichte, das Geschehen des Unausweichlichen, die Vertauschung der Rollen von Jäger und Gejagtem… nichts was sich nicht irgendwie erahnen ließe.

Trotzdem ist der spanische Mysterythriller kein schlechter Film. Das liegt vor allem an der kompakten und rasanten Inszenierung, die mit viel trockenem Humor, ein bisschen Wissenschafts-Goofiness und vor allem schön düsterem Sarkasmus aufwartet. Irgendwie macht es dann doch ziemlich viel Spaß, den überforderten Durchschnittstypen bei seiner Stunden-Zeitreise zu begleiten und dabei seine dunklen Seiten zu entdecken. Da stört es auch nicht allzu sehr, dass die Inszenierung mitunter etwas holprig ist, so manche unlogischen Handlungsweisen bereithält und am Ende die eigentlich spannende Frage nach Tautologien, Paradoxien und der menschlichen Handlungsfreiheit knapp umschifft. Timecrimes wählt sich selbst den denkbar einfachsten Weg, weiß aber auf diesem als straighte Crime-Erzählung zu unterhalten. Kein Meisterwerk, aber gefälliger Überdurchschnitt, der mit einem gewissen B-Movie-Flair und einer ordentlichen Inszenierung zu unterhalten weiß. Kann man sich auf jeden Fall geben.

Der Plan [George Nolfi]

(USA 2011)

Okay… ich muss zugeben, ich habe „Der Plan“ mit durchaus großen Erwartungen gesehen, einfach weil mich die Story (nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick) angefixt hat. Junger aufstrebender Politiker (Matt Damon) trifft eine wunderschöne, geheimnisvolle Frau, die er unbedingt wiedersehen will. Doch dann meldet sich plötzlich ein obskures Regulierungsbüro bei ihm: Leute, die offensichtlich alle Fäden in der Hand haben, alles kontrollieren und die Politik und das gesamte Leben mit der Hervorrufung kleiner Zufälle manipulieren. Diese Macher im Hintergrund sagen ihm, dass er unbedingt seine politische Karriere fortsetzen soll und die schöne Fremde nie wieder sehen darf. Begründung: Der Plan gibt es vor. Und natürlich darf er als Eingeweihter keiner Menschenseele etwas davon erzählen, sonst winkt die Lobotomie. Klingt spannend. Weniger Spannung verheißt das ungeheur langweilige DVD-Cover, oder wie es meine Freundin ziemlich pointiert auf den Punkt brachte: „Matt Damon läuft mit einer hübschen Frau in der Hand davon. Muss ich nicht sehen.“ Aber naja, man will ja auch sauberen Blockbuster-Mysteryschinken eine Chance geben…

Leider trifft allerdings das DVD-Artwork voll ins Schwarze, was den Verlauf des Films betrifft. Sie finden sich, sie verlieren sich, sie fliehen vor den geheimnisvollen Anderen, dem großen Unbekannten, sie lieben sich und wissen natürlich auch, dass sie füreinander geschaffen sind. The Adjustment Bureau ist vom Ansatz her ein ziemlich interessantes Kreuzüber von Romanze und Mysterythriller, schlägt aber bei seiner Genrepräferenz grundsätzlich immer den falschen Weg ein. So wird es auf Dauer unglaublich ermüdend, immer wieder den liebeshungrigen Matt Damon auf der Suche nach seinem Schatz zu begleiten, beziehungsweise ihn mit diesem gemeinsam fliehen zu sehen. Ohne zu viel zu spoilern: Jedes Mal, wenn sich ein gewisser Mysterythrill ergeben könnte, wird dieser aufgebrochen durch dröge Romcom-Stränge. An und für sich wäre das verschmerzbar, wenn es zwischen den beiden Protagonisten wenigstens ein bisschen funken würde… Tut es aber eben nicht. Stattdessen darf man sich dann auch noch über die Entscheidung gegen den Science Fiction zu Gunsten des Eso-Trips freuen. Jaja, Mitunter erreicht Der Plan fast schon ärgerliche Stadt der Engel (1998) -Dimensionen, sowohl was die aalglatte Bildgestaltung und Inszenierung als auch Inhalt und thematische Schwerpunkte betrifft.

Der Plan ist brav, fast schon schmerzhaft brav. Dazu gehört dann sogar die Reanimation eines der schlimmsten Filmklischees der 90er Jahre: The mysterious and nice black guy. Kaum zu fassen, dass so etwas auch im heutigen Kino noch mit einer solchen penetranten Offensichtlichkeit stattfindet. Eigentlich aber auch egal, weil es nur ein Symptom unter vielen ist, das beweist wie nett, brav, seicht und dröge Der Plan ist. Alles irgendwie ganz putzig und lieb und so, aber einfach mal zum Einschlafen – oder Davonlaufen – langweilig. Erst Recht dadurch, dass die wirklich spannenden Fragen konsequent ausgespart werden und der Film es sich selbst im letzten Drittel mehr als allzu leicht macht. Das Ergebnis: Keine Spannung, keine mitreißende Action, noch nicht einmal eine glaubhafte Liebesgeschichte. Aber immerhin tut er auch keinem weh, will ja überhaupt nicht wehtun… und so bleibt eine durchschnittliche, schnarchige Mysteryromanze übrig, eben genau das, was das Cover-Artwork verspricht, aber eben nicht das, was ich mir von dem Film erhofft habe. Kann man ohne schlechtes Gewissen in der Videothek stehen lassen.

Exam [Stuart Hazeldine]

(Großbritannien 2009)

Hmmm… zum Schluss also zurück zum Independent Film, nachdem Hollywood so enttäuscht hat. Auch bei Exam ist es vor allem die Disposition, die zum Griff ins Videothekenregal verleitet. Eine Hand voll Bewerber für einen wichtigen Posten in einem großen Pharma-Konzern haben bisher alle Bewerbungshürden hinter sich gebracht. Jetzt liegt nur noch eine Aufgabe vor ihnen, und diese soll entscheiden, wer den begehrten Job bekommt. Die Prüflinge sitzen in einem kleinen Raum, haben ein Blatt Papier vor sich, die Zeit (80 Minuten) beginnt sichtbar runterzuzählen und sie drehen das Blatt um, um sich an die Arbeit zu machen. Das Problem: Das Papier ist weiß. Keine Frage, keine Aufgabe, nichts… Wer ab jetzt einen Fehler macht, wird gnadenlos disqualifiziert. Und die Uhr tickt.

Exam hat damit erst einmal alle Zeit der Welt und jedes denkbare Potential, um ein wirklich spannendes und vor allem nicht überdramatisiertes Kammerspiel zu erzählen. Und das nutzt er zu Beginn auch überraschend ausgiebig und gut. Erfreulich, dass der Film in Echtzeit erzählt wird, dass dadurch die Spannung und Anspannung der Kandidaten, die Verzweiflung über die scheinbar fehlende oder zumindest unsichtbare Aufgabe spürbar wird. Ebenso erfreulich, die realistische Unaufgeregtheit zu Beginn des Films: Den Disqualifizierten droht weder Tod noch Folter, sie werden einfach – auf zugegeben etwas ruppige Weise – aus dem Raum begleitet. Exam beweist in seinem ersten Drittel, dass eine spannende Mysteryidee auch ohne existenzielle Krise, ohne fantastische, überbordernde Angst erzählt werden kann. Stattdessen geht es ’nur‘ um einen großartigen Arbeitsplatz, und doch fiebert man als Zuschauer mit den Bewerbern mit, gerade weil die Inszenierung genug Raum gibt, sich Gedanken über die Möglichkeiten der Lösung zu machen.

Doch dann baut Exam peux a peux ab. Und das liegt schlicht daran, dass er kein Vertrauen in seine eigene Vorgabe, in seine spannende Disposition hat. Exam verliert, indem er sich stattdessen schamlos bei Mystery-Vorbildern bedient. Mit den Dialogen unter den Kandidaten beginnt das Trauerspiel: Die prototypischen Protagonisten sind fast schon ärgerlich dreist bei Cube geklaut: Der Autist, die Geheimnisvolle, die Fürsogliche, der Choleriker… Dazu kommt, dass diese Stereotypen Szenarien nachspielen, die schamlos der ersten LOST-Staffel entliehen sind. Und zwar so offensichtlich und dreist, dass man fast „Plagiat!“ schreien möchte. So gibt es den arroganten, hinterlistigen Redneck, der vom undurchsichtigen Araber mit Hilfe des moralisch eigentlich integeren Good Guy gefoltert wird… What the Fuck? Und ja, Exam klaut nicht nur, sondern klaut auch noch ziemlich schlecht. Die Dialoge bewegen sich im unteren Durchschnitt, die psychologische Komponente bleibt flach und unplausibel, und überhaupt wird das ganze Geschehen plötzlich viel zu brutal, zu sehr zum Kammerspielthriller, der unbedingt hochspannend und mitreißend sein will.

Trotz dieses ärgerlichen Interludiums fängt sich Exam gegen Ende wieder recht gut. Nach der „aufregenden Phase“ kehrt ein wenig Ruhe zurück, die Charaktere finden sogar wieder Zeit sich der Aufgabe zu widmen. Aber irgendwie hallt diese Anbiederung an den Mysteryhorror nach. Es tut fast schon weh, dass Regisseur und Produzent Hazeldine nicht die Courage hatte, seine gute Ausgangsidee durchzuziehen, dass er sich unbedingt beim amerikanischen Blockbuster-Thriller anbiedern musste. Das vergellt den Spaß an der faszinierenden Idee und öffnet Tür und Tor, um Fehler zu bemerken. Denn Exam kann es – einfach wegen seines mangelnden Budgets – nunmal nicht mit dem klassischen 00er Blockbuster-Kino aufnehmen: Die Darsteller knapper Durchschnitt, die technischen Spielereien ein wenig cheesy, das Skript von Löchern durchsiebt… Nee, so richtig Freude macht das Ganze dann nicht mehr, auch weil das Ende mit einem gewollten – überhaupt nicht funkenden – Mindfuck daher kommt. Schade. Die Idee war da, das Konzept grandios, der Beginn überraschend unaufgeregt. Und dann bleibt Exam im unteren Durchschnitt stecken. Ein bisschen weniger Copycat, ein bisschen weniger Hollywood-Attitüde, ein bisschen mehr Mut zur eigenen Unaufgeregtheit und das hätte echt was Großes werden können. So bleibt es unterer Durchschnitt mit erfreulichen Ausreißern nach oben und ärgerlichen Ausreißern nach unten. Kann man sich ansehen, muss man aber keineswegs.

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