Predestination (2014) – Zeitreisendes Rätselraten

Es gehört mit Sicherheit zu den nervigsten Plattitüden von Rezensionen, wenn sie eifrig verkünden, dass von dem rezensierten Film bloß nicht zu viel verraten werden sollte. Spoiler und so… Im gewissen Sinne passt das ja zu jedem Film. Jede zu weit gehende Inhaltsangabe raubt dem Zuschauer oder der Zuschauerin ein wenig Unbedarftheit, die den Film vielleicht nicht besser aber allemal interessanter macht. Man kann ausgiebig darüber diskutieren, inwiefern Spoiler den Genuss eines Films kaputt machen (manche Studien weisen sogar auf das genaue Gegenteil hin), aber es ist niemandem übel zu nehmen, wenn er so unbeeinflusst wie möglich den entsprechenden Film sehen will, wenn er es dem Film überlassen will, sein narratives Potential von Sekunde Eins an zu entfalten. Und in der Tat gibt es ja auch Filme, die von ihrer gesamten Struktur und Dramaturgie angelegt sind, um das Publikum zu überraschen oder über verschlungene Pfade zu seinem eigentlichen Kern zu führen. Der Mystery Science Fictioneer Predestination (2014) von den deutsch-australischen Regie-Brüdern Spierig ist ein solcher Film. Wenn selbst der Titel schon zu viel von der Handlung zu verraten scheint, kann man sich sicher sein, dass der Film knallhart einem Konzept der maximalen narrativen Rätselentfaltung von Anfang an folgt. Und in der Tat will Predestination nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern einen Knoten entwirren, vor den Augen des Publikums, mit vielen großen Oho- und Aha-Momenten.

An dieser Stelle sollte dann eigentlich eine kleine Synopsis, eine Zusammenfassung der Handlung folgen. Und genau das ist dann auch ein sehr spezielles Problem bei diesem speziellen Film. Jedes Wort wäre zu viel, würde zu weit vorstoßen in diese Geschichte, die voll und ganz von ihrem verknoteten Aufbau lebt. Daher sei an dieser Stelle wirklich nur angedeutet, worum es in Predestination geht. Prämisse ist die Jagd nach einem zeitreisenden Terroristen, dem so genannten Fizzle Bomber. Diesem ist es offensichtlich gelungen mit einer Zeitmaschine durch die Jahrhunderte zu reisen, um sich den ebenfalls zeitreisenden Strafverfolgungsbehörden immer wieder zu entziehen. Einer seiner Jäger (Ethan Hawke) ist ihm schon ganz nahe gekommen, musste sich gegenüber dem genialen Terroristen dann aber doch geschlagen geben. Es geht aber nicht nur um zeitreisende Mörder und Agenten, sondern auch um eine hochbegabte Frau (Sarah Snook), die in den späten 50er Jahren versucht in einem Raumfahrtprogramm zu landen. Es geht um einen ungewöhnlichen, brüchigen Lebenslauf. Es geht darum, wie sich die Wege des Agenten und der jungen Frau in den 70er Jahren kreuzen. Es geht um die Chancen und Gefahren des Zeitreisens, um die Frage nach freiem Willen und Determination…

…und damit ist dann doch irgendwie schon zu viel gesagt. Predestination präsentiert sich von Beginn an als verschwungenes Rätsel. Bewusst kryptisch erzählt tastet er sich vorsichtig nach vorne, lässt sehr bewusst aus, gibt vage Hinweise und entfaltet dann doch, vor allem in Monologen und Dialogen, seine eigentliche Geschichte. Es scheint dabei fast so, als wolle er sein Publikum zum Rätseln einladen, als wolle er in jeder Sekunde bewusst machen, dass es hier um Geheimnisse geht, um Rätsel, deren Entschlüsselung wir nun beiwohnen dürfen. Das Puzzle um die Verbindungen unserer Hauptakteure steht voll und ganz im Zentrum der Geschichte. Mehr noch, Predestination ist derart hingebungsvoll damit beschäftigt, seine Rätsel zu stellen und zugleich zu lösen, dass er kaum Zeit für eine Handlung im eigentlichen Sinne hat. Er verknotet und entknotet, erzählt und erklärt, und dazwischen passiert in der Tat ziemlich wenig. Dadurch unterscheidet er sich auch deutlich von Mysterydramen oder Actioneers ähnlicher Machart. Während ein Shyamalan zum Beispiel zwischen all seinen Rätseln immer genug Zeit für Spiel, Dramatik, Grusel und Humor hat (unabhängig davon wie gut diese im jeweiligen Film funktionieren), wo Nolan seine Verschachtelungen nur als Kadrage für gigantische Actionfeuerwerke benutzt, wo Duncan Jones über die Rolle von Mensch und Technik philosophiert, hat Predestination keine Zeit sich mit solchen cineastischen Profanitäten abzugeben. Er stellt sich so sehr in den Dienst seines Puzzles, dass alles andere drumherum an Bedeutung verliert.

Das birgt durchaus ein gewisses Frustpotential, vor allem wenn man einen „richtigen“ Film mit „richtiger“ Handlung erwartet. Immer wenn die Geschichte einen spannenden Schlenker erhält – und man hofft, nun endlich ein wenig dramatisches, actionreiches Return of Investment zu erhalten – wird auch schon die nächste Verknotung aufgegriffen, das nächste Rätsel angegangen. Predetermination schlängelt sich so von Fragezeichen zu Fragezeichen, von Punkt zu Punkt und kommt nie richtig in die Gänge. Umso schmerzhafter, dass ab einem gewissen Punkt bestimmte Rätsellösungen vorhersehbar werden. So verknotet der Film sich zu Beginn präsentiert, so leichtfertig lüftet er zu früh manchen Schleier und wird dadurch zumindest für passionierte Filmrätselknacker doch zu leicht durchschaubar. Die ein oder andere Anspielung ist dann eben doch zu offensichtlich, die Erinnerung an ähnlich gelagerte Schachtelgeschichten zu präsent. Und mit einem La Jetée (1962) oder einem Time after Time (1979) kann er es bei aller Liebe weder ästhetisch noch dramaturgisch aufnehmen. Das erstaunliche: Bei all seinem missglückten Pacing, bei all seiner verkopften Fokussierung auf das große Rätsel, obwohl es kaum Action oder Handlung im eigentlichen Sinne gibt, funktioniert dieser merkwürdig ungelenke Mysterytrip ziemlich gut. Dank des massiven, die Handlung dominierenden Rätsels wird die Spannung permanent aufrecht gehalten. Predestination mag nicht sonderlich elegant sein, aber er motiviert dazu, entschlüsselt zu werden. Und als Zuschauer freut man sich diebisch, wenn man den ein oder anderen Twist schon vor seiner Auflösung korrekt vorhergesehen hat. Da er kein Interesse daran hat, als kryptisches Kaleidoskop zurückzubleiben, beantwortet er in seiner Laufzeit von immerhin fast hundert Minuten auch sämtliche relevante Fragen und kommt äußerst befriedigend rund daher. Auch Ethan Hawke und Sarah Snook, die den Film praktisch im Alleingang tragen, liefern eine solide Arbeit ab.

Predestination mag kein vollkommenes Meisterwerk sein, aber er ist letzten Endes ein überraschend runder Hybrid aus Mysterythriller, konfuser Zeitreisechose und SciFi-Drama. Vielleicht ein bisschen ungelenk, vielleicht ein bisschen zu verkopft und geschwätzig, aber konsequent in seinem Zeitreisekonzept, konsequent in seinem Rätselfokus und dadurch erfrischend anders als andere Filme ähnlicher Bauart. Wer Source Code, Timecrimes oder Déjà Vu etwas abgewinnen kann, darf auch gerne dieser kleinen Genreperle eine Chance geben.

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