Die besten Science Fiction Filme 2018: Das Indie-SciFi-Drama Prospect

Der Mond, auf dem Cee (Sophie Thatcher) und ihr Vater (Jay Duplass) landen, ist wunderschön. Aber er steckt auch voller Gefahren. Denn der beeindruckende Wald, der die gesamte Oberfläche bedeckt, ist durch und durch von giftigen Sporen durchzogen, die ein Atmen außerhalb von Schutzanzügen unmöglich machen. Zugleich ist der Mond der Hort eines unendlich großen Schatzes. Im organischen Gewebe unter der Erde befinden sich zahllose Perlen, deren Bergung einiges Geschick erfordert, die auf dem Schwarzmarkt allerdings Ruhm und Reichtum versprechen. Genau diesen Perlen jagt Cees Vater in der lebensfeindlichen Umgebung hinterher. Cee will eigentlich nur nach Hause, ist jedoch gezwungen, ihre einzige Bezugsperson bei der gefährlichen Mission zu begleiten. Gefährlich nicht nur wegen der Umgebung, sondern auch weil sie nicht die einzigen Schatzjäger in dem dichten Wald sind. Und manche, wie Ezra (Pedro Pascal) und sein verschwiegener Begleiter, gehen über Leichen, um den Reichtum aus dem Boden zu heben.

Die Welt, in die uns Prospect entführt, ist eine wunderschöne und geheimnisvolle, in erster Linie aber auch eine enge Welt. Die Stärke des Films liegt darin, dass er dem Versprechen von großen weiten Welten, die das Genre sonst auszeichnet, eine beklemmende beinahe klaustrophobische Wirklichkeit entgegenwirft. Egal ob im Inneren des Raumschiffs, in dem Cee und ihr Vater leben, oder im mysteriösen Wald, in dem der Großteil der Handlung spielt, das Gefühl das evoziert wird, ist immer eines des Gefangen- und Ausgeliefertseins. So verträumt die Bilder des Außen sind, so sehr wohnt ihnen auch immer etwas Bedrohliches inne. Diese Atmosphäre korreliert mit der Innenwelt unserer Protagonistin: Cee ist tough, Cee weiß, wie man ums Überleben kämpft, Cee ist aber auch immer den Gezeiten um sich herum ausgeliefert, besitzt nie das volle Handlungsmoment: Getrieben von der Gier ihres Vaters im ersten, durch die Macht des Schicksals gebunden an Ezra im zweiten Akt, und immerfort eingeschlossen in ihrem Raumanzug, der das Überleben auf dem unwirtlichen Planeten erst möglich macht.

In diesem Szenario betreibt Prospect erstklassiges World Building, was nicht zuletzt daran liegt, dass er das so hehre „Show, don’t tell!“-Prinzip ausgesprochen ernst nimmt. Die Welt, in der er spielt, wird ohne große Worte entfaltet. Die Beschaffenheit des Planeten bleibt lange Zeit vage und kryptisch, wird in verträumten wie bedrohlichen Bildern entwickelt, aber nie auserzählt. Hier treffen Fremdheit und Vertrautheit aufeinander. Gerade die Tatsache, dass dem Film ein nur geringes Budget zur Verfügung stand, kommt ihm in diesem Fall zu Gute: Drehort war der Hoh-Regenwald im Nordwesten der USA. Wir sehen Fichten, Tannen, Ahornbäume… einen durch und durch weltlichen Wald, zugleich aber durchzogen von einem hypnotischen Nebel und zahllosen kleinen, leuchtenden Sporen, die ebenso schön wie gefährlich wirken. Und dann wird diese so nahe (und zugleich so ferne) Flora aufgebrochen durch das Herz des Planeten, durch das, was unter seinem Grund stattfindet. Die Glückssucher in Prospect sind nicht einfach nur Schatzjäger, sie sind Kolonialisten und mehr noch, Mörder an einer fremden Lebensform. Auch das wird freilich nie erzählt, erschließt sich aber durch das einzigartige Gewebe, das die gierigen Menschen auf ihrer Suche nach Reichtum freisetzen: Dies scheint organisch, es scheint zu bluten und der Planet scheint unter den Verletzungen zu leiden, die ihm von den Schatzsuchern zugefügt werden. Dieses Bildnis nutzt Prospect Gott sei Dank nicht, um ein spirituelles Mana-Märchen im Stile Final Fantasy zu erzählen. Es gibt hier keinen alles umfassenden Geist, kein göttliches Ganzes, stattdessen wird der brutale Raubbau des Menschen gezeigt, der mit chirurgischer Präzision fremde Lebensformen tötet.

So eskapistisch die Bilder sind, so nüchtern ist Prospect in der Entwicklung seiner Geschichte. Im Laufe des Films verdichtet sich die Handlung auf die Dynamik zwischen Cee und Ezra. Und diese funktioniert ganz hervorragend, vor allem weil die Frage nach der Oberhand und Handlungsmacht immer wieder aufs neue gestellt werden muss. Denn so hilflos Cee zu Beginn wirken mag, so sehr beweist sie in Folge, dass sie sowohl mutig als auch clever als auch verdammt stark sein kann. Ebenso bleibt Ezra lange ein dubioser, suspekter Charakter, offenbart aber schließlich immer mehr eine tiefe Verzweiflung und Traurigkeit hinter seiner vorgespielten Kaltschnäuzigkeit. Der Kampf des ungleichen Paares ums Überleben gleitet nie in den Kitsch ab, sondern bleibt genau das was er ist: Das Zusammenarbeiten ehemaliger Feinde, die gar nicht anders können, wenn sie überleben wollen, die sich aber der Tatsache bewusst sind, dass sie nie und nimmer beste Freunde werden. Prospect ist eben kein plumper Buddy Movie sondern bleibt in seiner narrativen Ausführung ambivalent und realistisch. Dies verdankt er auch seinen beiden herausragenden Hauptdarstellern: Vor allem Sophie Thatcher beweist hier in ihrem Langfilmdebüt, dass sie eine Schauspielerin ist, mit der man in Zukunft rechnen muss.

Alles weitere ist ein schweigsamer Kampf ums Überleben, beinahe ein Kammerspiel in einer epischen und doch so beklemmenden Umgebung. Was der große Rausch war, wie die Menschheit außerhalb des Planeten lebt, wie die Ferne des Alls aussieht, in das die Schatzsuchenden nach erfolgreicher Jagd aufbrechen wollen, wird nicht erklärt. Die Welt, die in Prospect erzählt wird, ist auf das Wesentliche verdichtet und platziert sich genau dadurch an einer offenen Stelle zwischen philosophischen Science Fiction Erzählungen und kargen Spätwestern. Im besten Sinne des Wortes unspektakulär, geheimnisvoll und kryptisch; aber genau dadurch eben auch mitreißend und perfekt auf das eigene Geschehen fokussiert. Prospect ist ein eindrucksvoller Beweis, wie viel mit wenig möglich ist, und wie viel erzählt werden kann, ohne dass viel erzählt werden muss. Gerade in seiner Zurückhaltung eine der spannendsten Science Fiction Weltkonstruktionen der ausgehenden 2010er Jahre.

Ähnliche Artikel