Alita Battle Angel (2019) – Wenn Robert Rodriguez auf James Cameron trifft

James Cameron ist so ein bisschen der Bono der Filmwelt. Gerne mit politischer Botschaft unterwegs, sind seine Werke immer ein gutes Stück größer, bombastischer und auch teurer als die Konkurrenz. Mit dem Liebesfilmepos Titanic (1997) und dem SciFi-Blockbuster Avatar (2009) hat er zwei der drei erfolgreichsten Filme aller Zeiten zu verantworten. Mit The Abyss (1989) und Terminator 2 (1991) hat er Special FX Standards gesetzt. Mit seinen Dokumentarfilmen in den frühen 2000ern und seinem Engagement auf verschiedenen politischen Feldern hat er bewiesen, dass die Botschaft für ihn ebenso wichtig ist wie ihr Träger. James Cameron ist auch der Bono der Filmwelt, weil ihm dieser Ruf gerne mal ein wenig zu Kopf steigt. War es bereits mit seinen Dokumentarfilmen so, dass er immer mehr wollte als bloße Dokumentationen, stattdessen lieber gleich das ganze Genre revolutioniert hätte, so hat er spätestens mit Avatar den Bogen überspannt. Natürlich sollte das der teuerste, größte, bombastischste und wohl auch beste Film aller Zeit werden. Mit einem fast schon religiösen ästhetischen Inbrunst ist Cameron an das Projekt herangegangen… und hat damit einen der selbstverliebtesten Filme unserer Zeit gedreht. Seitdem war erst einmal eine ausgedehnte, üppige Pause angesagt, bis er sich vor kurzem mit der Ankündigung von drölfzillionen Avatar-Sequels zurückmeldete. Aber er hatte noch ein bisschen mehr im Schlepptau: Robert Rodriguez, Tarantino-Busenfreund und B-Movie-Legende, der sich aber auch für Big Budget Popcorn Auftragsarbeiten in den letzten Dekaden nie zu schade war. Gemeinsam kündigte das neue Dream Team die Verfilmung eines 1991er Mangas an: Alita: Battle Angel (2019) ist die Vermählung zweier doch sehr unterschiedlicher Filmemacher: Perfektionist Cameron trifft auf Schluderer Rodriguez; pathetischer Bombast trifft räudige Action; Augenzwinkern trifft religiösen Ernst. Na, wenn das mal nicht in Cyberpunk-Hose geht…

Im 22. Jahrhundert gab es einen großen Krieg, dessen Folgen bis ins Jahr 2563 – in dem der Film spielt – zu spüren sind. Es gibt eine gigantische Himmelsstadt namens Zalem, die hoch in den Wolken über den Slums von Iron City schwebt. Jeder will dort hingelangen, doch die riesige Insel, das schwebende Eden bleibt nur den Reichsten und Mächtigsten vorbehalten. Die einfachen Leute tummeln sich unten auf den Straßen von Iron City, versuchen sich irgendwie über Wasser zu halten und sammeln den Müll auf, der vom Himmel auf sie herabregnet. Der Ingenieur und Wissenschaftler Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) findet in der riesigen zentralen Müllhalde von Iron City den Oberkörper eines alten weiblichen Cyborgs und baut diesen in seiner Werkstatt mit Ersatzteilen wieder zusammen. Das Ergebnis dieser Arbeit ist Alita (Rosa Salazar): Ein hochentwickelter Cyborg mit dem Aussehen und der Mentalität eines weiblichen Teenagers. Sie kann sich weder an ihre Herkunft noch an ihre Vergangenheit erinnern, ist aber für ihr neues Leben sehr dankbar und wird schnell zum geliebten Familienmitglied Dysons. Bald stellt sich allerdings heraus, dass Dyson mehr ist als ein einfacher Ingenieur und Wissenschaftler. Und Alitas Vergangenheit hält auch noch so einige Überraschungen parat.

Da haben wir ihn also. Den ersten James Cameron Film seit Avatar und damit auch schon ein wenig ein Vorbote für das, was uns bei den für die folgenden Jahre geplanten Avatar-Fortsetzungen erwartet. Denn obwohl Cameron das Regiezepter hier nicht selbst in der Hand hält, ist seine Handschrift unverkennbar: Alita Battle Angel ist ein visuell beeindruckendes Bombastepos mit viel Pathos, ausufernden Actionszenen und einer Story, die „Soziale Botschaft“ fett in ihrem Untertitel trägt. Besonders sticht dabei erwartungsgemäß das Performance Capture der Protagonistin ins Auge. Es ist schon beeindruckend, wie mit Hilfe des Körpers, der Gestik und Mimik Rosa Salazars die komplett am Computer entworfene Alita zum Leben erweckt wird. Ihre Gestaltung ist in der Tat nicht weniger als der nächste große Schritt in der Überwindung des Uncanny Valleys. Was auf Promobildern noch relativ unspektakulär bis irritierend wirkte, wird im fertigen Film schnell zur akzeptierten Protagonistin, die trotz übergroßer Augen und Anime-Optik nach nur kurzer Zeit perfekt ins Setting und das Spiel mit den anderen Charakteren integriert wird. Sowohl der CGI-Abteilung als auch Schauspielerin Salazar verdienen hier größtes Lob, gelingt es ihnen doch eine sehr wagemutige Entscheidung von Cameron/Rodriguez überzeugend auf die Leinwand zu bringen.

Weniger überzeugend ist hingegen das Art Design der der Geschichte zu Grunde liegenden Welt. Iron City, die Cyborgs, das populäre Rollerball… das alles ist zwar wie die Protagonistin technisch auf höchstem Niveau umgesetzt, allerdings visuell und inhaltlich zu generisch, um wirklich beeindrucken zu können. Alles scheint bekannt, alles scheint irgendwo schon einmal gesehen. Das ist dabei nicht einmal so sehr die Schuld des Films, ist doch seine Vorlage immerhin fast 30 Jahre alt und durfte selbst des öfteren als Inspirationsquelle für diverse Filme und Serien von Elysium bis Black Mirror herhalten. Genau das fällt seiner Verfilmung hier aber auf die Füße. Man erkennt zu viel wieder, und was vor 30 oder 20 Jahren noch originell war, kann gerade in dem kurzlebigen SciFi-Genre heute schnell abgenutzt wirken. Umso schlimmer, dass Alita Battle Angel nicht an seiner Vorlage halt macht. Mit kräftigem Anlauf rast er darüber hinaus durch die Science Fiction Geschichte der letzten Dekaden und nimmt visuell alles mit, was er auf dem Weg aufliest. Seine ganze Gestaltung lässt so fast jede Eigenständigkeit vermissen, alles wirkt irgendwie zusammengeklaubt und schön bunt angemalt, ohne dass ein eigenständiger Charakter entstehen würde.

Aber das ist nicht das größte Problem dieses Genre-Epos. Für einen Film, der so stolz auf seine Schauwerte ist, kommt Alita Battle Angel nicht nur zu generisch sondern auch viel zu geschwätzig daher. Viel zu oft will der Film erzählen, anstatt zu zeigen, oder – schlimmer noch – erzählen, während er zeigt. Sowohl Off Stimme als auch innerfilmische Erklärbären kommen dabei kaum zur Ruhe. Zu erzählen gibt es hier in der Tat eine Menge: Mit den irdischen Slums und dem Paradies im Himmel, mit einer Zeit, in der Cyborgs und Menschen kaum noch auseinanderzuhalten sind, mit einem gefährlichen Ballkampfsport zur Unterhaltung der Massen und mit einer privatisierten Verbrechensbekämpfung betreibt Alita Battle Angel ordentlich World Building. Und wenn er damit fertig ist, erzählt er auch noch ne Menge Story, weiter und weiter, so als hätte er Angst davor, es könne plötzlich zu still werden. Gerade das Finale wirkt dann auch hoffnungslos überfrachtet mit Plots und Subplots, bis wirklich über alles wenigstens einmal geredet wurde. Bei all diesem vergisst Alita aber ein wenig, die Welt nicht nur zu erzählen sondern auch zu ergründen. So facettenreich die einzelnen Themen auch sind, so wenig werden sie über das Erzählte hinaus vertieft. Sowohl Welt als auch deren Hintergründe sind im Battle Angel Kosmos erschreckend flach, oberflächlich und hin und wieder sogar ärgerlich stereotyp. Dass der Film seine Welt und sich selbst viel zu ernst nimmt, kommt der Gesamtatmosphäre dabei nicht zu gute. Robert Rodriguez, eigentlich bekannt für schelmische Augenzwinkern lässt hier kaum seinen spitzbübigen Humor erkennen, stattdessen hält er sich eng an das Skript und vor allem das, was einen Cameron-Film ausmachen sollte.

Denn das ist Alita Battle Angel letzten Endes: Der Versuch von Robert Rodriguez einen James Cameron Film zu drehen. So ganz mag er dabei zwar nicht auf seine Trademarks verzichten, jedoch kommen diese alle in enorm heruntergekurbelter Form zur Geltung: So gibt es hier zwar auch ausufernde Kampf- und Actionszenen, jeglicher Form der sonst Rodriguez-typischen Brachialität beraubt, kommen sie aber erschreckend handzahm und familientauglich daher. Egal ob abgetrennte Gliedmaßen (natürlich nur die künstlichen), brutale Roboterhunde oder derbe Kneipenschlägereien: Alles wirkt wie durch eine große Popcorntüte gefiltert. So richtig wollen die Späße des Regisseurs dann auch nie zünden, und die epischen Ambitionen schlagen das potenielle Augenzwinkern. Man kann es nicht anders sagen: Das Projekt Robert Rodriguez meets James Cameron ist ziemlich in die Hose gegangen: Für einen spaßigen Popcornflick zu ernst, für ein bombastisches SciFi-Epos zu geschwätzig und für eine philosophische Mangaverfilmung zu oberflächlich. In einer Zeit, in der das Science Fiction Genre schon ziemlich vor sich hin darbt, kann auch das potentielle Blockbuster-Dreamteam leider keine neuen Akzente setzen.

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