Really that bad? – Rezension zum Razzie-Abräumer „Die Legende von Aang“

Verlacht, verhöhnt, verrissen, von James Cameron den Titel geklaut bekommen, für rassistisch befunden und schließlich mit einem ganzen Sack voller Goldener Himbeeren abgestraft… M. Night Shyamalan – einst gefeiert für seinen Mysterykassenschlager „The sixth sense“, einst zu einem der vielversprechendsten Regisseure deklariert, scheint, nachdem er mit „The Happening“ bereits einen der schlechtesten Filme der 00er Jahre ablieferte und vor kurzem mit der Langweiler-Mysteryproduktion Devil baden ging, ganz unten angekommen zu sein. The Last Airbender – Die Legende von Aang ist der vorläufige Tiefpunkt einer Filmographie, deren folgenden Streichen gar negative Wertungen bei Rotten Tomatoes prognostiziert werden. Bliebt die Frage: Ist Avatar das Aang-Märchen wirklich so schlecht? oder entladen sich hier nur die Wut und die Enttäuschung über den tiefen Fall eines einstigen potentiellen Wunderkinds? Wir wollen das ganze nochmal von vorne aufrollen und machen das mal so ganz erörterungstechnisch. Filmkritik vs. Shyamalan, oder Wieviel ist (nicht) dran an der fantastischen Animekonvertierung fürs Kino?

Die Habenseite

Avatar hat ein wirklich verdammt gelungenes Setting… ist natürlich nicht schwer, dank der Animevorlage. Aber trotzdem kann man nur den Hut ziehen vor der mitunter atemberaubenden visuellen Kraft, mit der die Zeichenvorlage in einen Realfilm umgesetzt wurde: Die Mischung aus Ethnofantasy, Steampunk, Wuxia-Ästhetik und fantastischem Spiel der Elemente ist schick, die Drehorte sind elegant gewählt, die Dörfer und Städte protzen mit Detailtreue, die Computeranimationen können sich durchaus sehen lassen, die Ausflüge in die Welt der Geister sind erhaben mystisch und die Kampfflotten der Herrscher des Feuers wirken gewaltig und bombastisch. Ebenfalls auf der Habenseite: Die Musik. Klar, pathetisch, überzeichnet, aber ordentlich treibend und das Geschehen gut untermauernd. Die Disposition stimmt… ist natürlich ein wenig simpel, aber in sich stimmig und die Fantasywelt wird mit ihren Regeln behutsam aufgebaut, so dass auch der über die Vorlage unwissende Zuschauer nicht überfordert wird. Und dann ist da immerhin noch der Anflug von Komplexität bei der Darstellung des Feuerprinzen Zuko, der zwischen Pflichterfüllung, Liebe zu seiner Herkunft und moralischen Bedenken hin und hergerissen ist… Und dann… okay, dann beginnen die Probleme.

Problem 1: Die Darsteller…

…sind mitunter katastrophal. Durch die Bank. Teilweise unfreiwillig komisch. Immer überzeichnet. Grauenvoll angeleitet. Und sie versprühen keinen Hauch von Sympathie oder Empathie. Ganz böse erwischt es unsere drei jungen Protagonisten. Allen voran Jackson Rathbone, der sich als Held der zweiten Reihe mit ungelenken Bewegungen und debilem Grimassenspiel wohl eher für eine  dumme Teenagerkomödie als für einen Fantasystreifen bewirbt. Der Held der ersten Reihe Noah Ringer alias Aang spielt so hölzern wie es nur geht, während Nicola Peltz fasziniert glotzend durch das Geschehen stolpert. Wie schon bei The Happening, wo Marc Wahlberg wohl die schlechteste Schauspielleistung seiner Karriere ablieferte, darf durchaus die Frage erlaubt sein, wie groß die Schuld Shyamalans an diesem Actingdesaster ist. Denn, heh, wer braucht schon gutes Schauspiel, wenn dem Regisseur die Protagonisten offensichtlich am Allerwehrtesten vorbeigehen?

Problem 2: Die Regie

Womit wir beim zweiten Problem wären: Shyamalan! Dieser scheint seine Protagonisten ohne jegliches Gespür für Inszenierung durchs Geschehen zu jagen. Meistens scheinen die Figuren gar vollkommen orientierungslos herumzustehen, so als hätte jemand vergessen ihnen Regieanweisungen zu geben. Am stärksten fällt dies in den Kampfszenen auf, in den der Großteil der Zeit einfach nicht gekämpft wird. Richtig! Anstatt zu kämpfen stehen sowohl Protagonisten als auch Antagonisten in der Gegend herum, schauen sich an, gehen ein Stück vorwärts, ein Stück rückwärts, springen mal in die Luft, spielen ein wenig mit den Elementen, während vollkommen unmotiviert auf Zeitlupe geschaltet wird. Das ist nicht nur ermüdend sondern fast schon surreal desinteressiert. Gerade so als wollte die Action nicht stattfinden. Stell dir vor es gibt einen Kampf und keiner geht hin! Es muss lange her sein, dass so langweilig inszenierte Actionszenen im Kino zu sehen waren. Aber heh, warum ordentlich inszenieren, wenn das Drehbuch das ohnehin nicht hergibt?

Problem 3: Das Drehbuch

Also Problem Nummer drei: Shyamalan. Denn dieser hat nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch verfasst. Und das besteht zu 90% aus ungemein hölzernen Dialogen, infantilen Sprüchen, unlustigen Onelinern und vollkommen überzeichneten psychologischen Vertiefungen. Dass Shyamalan ein kruder Drehbuchautor ist, durfte er ja schon das ein oder andere Mal unter Beweis stellen und auch hier macht er keine gute Werbung für sein schriftstellerisches Talent. Die Dramaturgie beschränkt sich auf dutzende Ortswechsel, die Geschichte selbst ist eine Abfolge von wenig bis gar nicht zusammenhängenden Ereignissen, durch die die Figuren eher passiv gejagt werden, als dass sie in irgendeiner Form deren Entwicklung aktiv beeinflussen könnten. Aber heh, so etwas kann immer noch im Schnitt gerettet werden.

Problem 4: Der Schnitt

Denkste. Spätestens beim Editing wird aus dem kruden Kaleidoskop ein unübersichtliches Wirrwarr. Wer auch immer für den Schnitt verantwortlich war, er hielt die inszenierten Momente wohl für nicht besonders aussagekräftig, weswegen er fast alle wesentlichen Szenen, die eine Charakter- oder Storyentwicklung böten, auf ein Minimum stutzte und mit der – wie schon erwähnt – gelungenen Musik unterlegte. Dadurch geschieht unglaublich viel im Vorbeigehen. Handlungsstränge werden anscheinend wahllos übersprungen, spannende Momente in Zeitraffern abgehandelt, während die langweiligen Kampfszenen unnötig in die Länge gestreckt sind. Momente der Entwicklung finden dadurch nur rudimentär statt, werden zur kleinen Möchtegernoper und selbst der nette Score beginnt an diesem Punkt zu nerven. Ärgerlich wird es erst Recht, wenn durch die hektische Zusammenschusterung Logiklöcher und Erklärungsnöte entstehen: Moment, wie sind die Protagonisten da wieder raus gekommen? Wo sind wir jetzt? Warum wird dieser Plotteil nicht zu Ende erzählt? Dem Schnitt scheint irgendwann nur noch daran gelegen, schnell zum nächsten Punkt des Haupthandlungsstrangs zu kommen, gerade so, als wolle er uns die Patzer der kläglichen Inszenierung ersparen, als wolle der Film so schnell wie möglich zu Ende gehen. Und dafür ist man ihm ab einem gewissen Punkt auch tatsächlich dankbar…

Really that bad?

Um damit auch gleich zu der Beantwortung der Anfangsfrage zu kommen: Ja, The last Airbender ist schon ein ziemlich schlechter Film. Krude inszeniert, hölzern gespielt, wirr geschnitten, oft genug unfreiwillig komisch (allein die Inszenierung des Feuerkönigs als Mischung aus Adolf und Cäsar wäre einen eigenen Verriss wert) und ohne Sinn für Zusammenhänge. Und doch gibt es einige, wenige Lichtblicke. So merkwürdig die Inszenierung und die unkonventionelle Erzählweise Shyamalans auch sind, in die Fantasywelt der Elemente passen sie weitaus besser als in Real Life Szenarien. Durch die unorthodoxe, einfache Filmstandards unterlaufende Haltung entwickeln sie fast schon eine Form von faszinierendem Surrealismus, ungewöhnlicher Falschheit. Was in dem ‚realistischen‘ Setting von „The Happening“ einfach nur ärgerlich war, ist hier auf seine eigene, dumme Art und Weise beinahe charmant. Man spürt – nicht nur dank der tollen Kostüme und Settings – durchaus das Herzblut mit dem Shyamalan hier am Werk war. Irgendwie geht das sogar so weit, dass man den Film mögen möchte, und sich immer wieder ärgert, dass man es dank seiner unzähligen Defizite einfach nicht kann. Dennoch darf durchaus insgeheim Respekt gezollt werden für diese karge, isolierte, wirklich ungewöhnliche (meistens im schlechten Sinne des Wortes) Herangehensweise an den Stoff zwischen Fantasy und Ethnomythologie. Ja, es macht zwischenzeitlich Spaß und ist irgendwie anders… wirklich anders. Nicht im abstrakten Arthaus-Sinn, nicht mit der stolzen Antihaltung eines Independentregisseurs, sondern fast schon naiv, unbedarft gegen einfachste filmische Regeln verstoßend.

Okay, diese Metaebene macht aus der Legende von Aang weder einen guten noch einen sehenswerten Film, aber dann doch einen Sympathieträger unter den Schlechten. Die Himbeere hat sich das krude Werk redlich verdient. Aber bei aller Häme, bei allem Spott, tut er uns doch ein wenig leid. Nicht nur wegen der verschenkten Möglichkeiten der ausgezeichneten Disposition, sondern auch wegen seiner Unbekümmertheit, wegen der charmanten Schlichtheit, mit der er sich seinem eigenen Versagen hingibt. Ein Mitleidsdaumen nach oben also. Irgendwie traurig, irgendwie schade, vor allem aber schlecht. Ach, Mr. Shyamalan. Unter den Schlechten gehören sie wirklich zu denen, welchen man es gönnen würde, gut zu sein!

Erstveröffentlichung: 2011