Die besten Science Fiction Filme der 80er Jahre – Weitaus besser als sein Ruf: Star Trek V

Trekkies sind echt gut darin, sich auf hohem Niveau zu streiten: Welche ist die beste Star Trek Iteration? Die Original-Serie? The Next Generation? Deep Space Nine oder Voyager werden von manchen auch gerne in den Ring geworfen. Ud die ganz Progressiven schwören gar auf die neue Netflix-Serie, die in vielen narrativen und ästhetischen Punkten komplett mit dem klassischen Star-Trek-Schema bricht. Dann natürlich die Frage nach dem besten Enterprise-Captain: Kirk, Picard, Janeway? Ebenso können Trekkies wunderbar über die Charakteristika der einzelnen Weltraumvölker diskutieren, über die kulturellen Grundfeiler der Vulkanier, der Klingonen oder Ferengi, über Vorzüge und Nachteile der Holodecks oder über physikalische Fragen rund um Gene Roddenberrys Weltraumepos. Worin sich aber die meisten einig zu sein scheinen ist die Zahlenmystik, die die Kinofilme der Saga betrifft. Die Star Trek Filme mit den ungeraden Zahlen sind Mist, die mit den geraden sehenswert. Ist auch einfach, wenn man sich durch den todlangweiligen Star Trek: The Motion Picture (1979) gequält hat, um dann vom grandiosen und durchdachten Star Trek II: Der Zorn des Khan (1982) umgehauen zu werden. Wenn man vom darauffolgenden doch arg konstruierten Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock (1984) konfus zurückgelassen wurde, um kurz darauf im imposanten Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart (1986) von einem Blockbuster überrascht zu werden, den sogar Muggel zu schätzen wussten. Und dann kam dieser Star Trek V: Am Rande des Universums (1989).

Inszeniert von William Shatner (nachdem in seinem Vorgänger Leonard „Spock“ Nimoy im Vorgänger das Regiezepter in der Hand halten durfte); ausgerechnet William Shatner, dieser vermeintlich selbstverliebte Egomane, der auch Ende der 80er immer noch seinen Heldentaten als Captain Kirk in der Originalserie hinterherrannte. Ausgerechnet William Shatner, dem von so manchem Kollegen vorgeworfen wurde – allen voran George Takei – es wäre verflucht schwer, mit ihm zu arbeiten. Ausgerechnet William Shatner, der in seiner – den vorteilhaften Verträgen sei Dank – zwangsläufigen Regiearbeit seiner Tochter eine Rolle zuschanzte und aus dem Werk unbedingt eine Reflexion über die Existenz Gottes machen wollte. Das Ergebnis schien für sich zu sprechen: Die Goldene Himbeere für den schlechtesten Film des Jahres, die schlechteste Regie und den schlechtesten Hauptdarsteller (ein Hattrick für Shatner), zahllose weitere Negativ-Nominierungen, inklusive für den schlechtesten Film des Jahrzehnts; und der Hass der gesamten Kritikerlandschaft, die in episch schlechten 21% bei Rotten Tomatoes widergespiegelt wird. Ja, dieser Film macht es einem leicht, ihn zu hassen; mit all seinen Albernheiten, seiner Überambition, seinen kuriosen Entscheidungen, seinem konfusen Plot… und doch, ich gebe es nicht nur zu, ich schreie es heraus: Ich liebe diesen Film! In all seiner garstigen Unbekümmertheit ist Star Trek V der aufregendste Enterprise-Trip der 80er Jahre: Nicht so durchdacht wie die anderen Teile, nicht so gekonnt, nicht so edel und vollendet; dafür aber mit dem Herz am rechten Fleck und verdammt viel Arsch in der Hose. Star Trek V, dieser verworrene, dumme und dreiste Film ist die mutigste Star Trek Interpretation dieser Zeit überhaupt und trotz alle Schmäh und allem Spott absolut wert, 30 Jahre nach seinem Einschlag neu entdeckt zu werden.

Halten wir uns nicht lange mit der Story auf; die ist schnell erzählt: Spocks (Leonard Nimoy) Halbbruder Sybock (herrlich überdreht: Laurence Luckinbill) kapert die Enterpise um mit ihr ins Zentrum – nicht den fucking Rand – des Universums zu fliegen. Dort vermutet er nämlich Gott und setzt daher all seine telepathischen und hypnotischen Kräfte ein, um dem Schöpfer von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Aber wie gesagt, dieses narrative Grundgerüst ist eigentlich nur zweitrangig, viel grandioser ist, was Shatner alles an kuriosen Momenten in sein Star-Trek-Regiedebüt hineingepackt hat. Das beginnt bereits mit der ersten Szene seines Captain Kirk (William Shatner). In der darf dieser nämlich heroisch im Yosemite-Park Freeclimbing praktizieren, um kurz darauf mit seinen Freunden Spock und „Pille“ McCoy (DeForest Kelley) gemeinsam am Lagerfeuer „Row row row your boat“ zu singen. Klingt albern, ist es auch. Aber diese Szene hat mehr zu bieten als ihre infantile Pfadfinderromantik. Tatsächlich kulminiert hier bereits alles, was Shatners Vision auszeichnet: Diese unverschämte Mischung aus Heroisierung Kirks, kombiniert mit albernen – dafür aber umso komischeren – Neckereien und Scherzen zwischen den Crewmitgliedern und – man höre und staune – einem plötzlich auch für Star-Trek-Verhältnisse durchaus tiefem, philosophischen Kern. Die drei reden nämlich ans Lagerfeuer gekuschelt über den Tod. Und auch irgendwie über den Sinn – oder Unsinn – des Lebens. Über sich, über die Welt, und über das, was jenseits dieser Welt warten könnte.

Es ist nicht zu dreist zu behaupten, dass Shatner mit „Star Trek V: The Final Frontier“ (so der deutlich passendere Originaltitel) einen philosophischen und poetischen Film drehen wollte, sondern darin auch partiell erfolgreich war. Partiell erfolgreich, da – auch wenn es viele seiner durchgedrehten Ideen in das finale Skript schafften – doch einige der zentralen Plotelemente des Films der Studioschere zum Opfer fielen. Der wesentliche Gehalt der Shatner’schen Philosophie hat es aber in diesen Film hineingeschafft. Und dieser Gehalt ist eine durchaus saftige Kritik an Religion, Religionsgemeinschaften und Erlöserphantasien. Star Trek V ist ein bisschen so etwas wie der nietzscheanische Gegenentwurf zum spirituellen, hoffnungsvollen ersten Star-Trek-Film. Wo dort dem göttlichen Geist der Technik gehuldigt und schließlich der Geburt eines neuen Wesens beigewohnt wird, erwartet die Suchenden in Star Trek V nur hoffnungsloses Ödland und ewige Gefangenschaft hinter der finalen Grenze, wo eigentlich Gott, Eden oder irgendetwas in der Art zu vermuten wären. Wo in anderen Star Trek Filmen gebannt dabei zugeschaut wird, wie die Spiritualität trotz aller Wissenschaftlichkeit der Roddenberry-Welt über die Technik triumphiert, gibt es in Star Trek V keine spirituelle Führung, sondern einen religiösen, wahnhaften Scharlatan. Shatner selbst gab an, beim Entwurf seines Schurken von TV-Predigern inspiriert worden zu sein. Und oh ja, was für ein wahnwitziger – und auch alberner – Schurke dieser Sybock doch ist! Laurence Luckinbill spielt ihn unter der Regiefuchtel von William Shatner als bärtigen Propheten, der sich immer selbst ein wenig seiner Scharlatanerie bewusst zu sein scheint, dessen Streben aber immer wieder über alle Bedenken triumphiert: Ein großer mächtiger Hypnotiseur auf der einen, ein esoterisches Kind auf der anderen Seite: Brutal und skrupellos, zwischendurch aber auch verzweifelt, verängstigt und hysterisch.

Ohnehin wird dieses hier entworfene Star Trek Universum von allerhand ambivalenter, absurder und bizarrer Kreaturen und Szenarios bevölkert. Die Siedler von Nimbus III sind als leicht zu beeinflussende Anhängerschar von Sybock dabei noch die traditionellste Spezies. Dazwischen tummeln sich aber dreibrüstige Katzenladys, eine heruntergekommene Weltraumspelunke, die mit ihren Bewohnern eine Mischung aus Star Wars‘ Mos Eisley und Total Recalls Venus Ville zu sein scheint und ein „pompöses“ Steinmonster, das leider dem zu geringen Budget und der Final Cut Schere zum Opfer fiel. Bizarr sind hier aber nicht nur die äußeren Umstände sondern auch die Verhaltensweisen der altbekannten Crew, die unter der Regie von Shatner jede Erhabenheit von sich werfen darf: Ein erotischer Tanz von Uhura, um die Söldner abzulenken, Spock in Raketenschuhen, Scotty als Slapstickgarant, und dann natürlich dieser großartige Moment, in dem Kirk, Spock und Pille mit ihren Urängsten konfrontiert werden und diese in einer herrlich überdrehten Dinner Theater Szene bekämpfen müssen. Wo die vorherigen Star Trek Filme – den vierten als launige SciFi-Komödie außen vorgelassen – versuchten, die bunte Star Trek Galaxie mit Würde und Respekt zu besiedeln, erzählt der fünfte Teil ein absurdes Weltraummärchen, in dem sich alle Protagonisten und Protagonistinnen herrlich neben der Spur verhalten dürfen.

Aber, mal ganz blasphemisch gefragt, ist es nicht genau das, was bereits die Originalserie auszeichnete? Diese absurden Szenarios, diese albernen Gefahren, diese merkwürdigen Außerirdischen? War es nicht genau das, was die Schnarchnasen Star Trek, der Film, die Suche nach Mr. Spock und der Mainstreamdarling Zurück in die Gegenwart vermissen ließen? In vielen großartigen Momenten war Star Trek nämlich zuvor – und danach – alles andere als erhaben und würdevoll, sondern laut, schrill, skurril und überzeichnet. Genau jene glorreiche groteske Seite des Roddenberry-Kosmos lebt Shatners Star Trek Vision aus. Dabei kann die Geschichte am Rand im Zentrum des Universums auch böse und sogar dekonstruktiv sein. The Final Frontier wird schließlich durchbrochen und der fünfte Teil weidet sich an all dem spirituellen Humbug, den man erwarten durfte. Nach eigenen Angaben plante William Shatner die Begegnung mit der vermeintlich göttlichen Entität in ein riesiges Höllenfeuer zu verwandeln, in dem schließlich Satan persönlich auftritt, um die Suchenden in die Hölle hinabzuziehen. Oh, was wäre das für ein grandioses Finale geworden! Stattdessen sehen wir die zweitbeste Auflösung, die selbst nicht so genau weiß, was sie erzählen will, dies aber mit einem Karacho macht, das man in Star Trek Filmen sonst lange suchen muss. Dann darf es noch einmal laut, ungehobelt und unerhört werden, gerade so als wolle Shatner sagen „Mit Vernunft langweilen könnt ihr euch woanders. Bei mir gibts Rambazamba!“ Wofür Gott jetzt ein Raumschiff braucht, wird dabei nicht beantwortet, eben so wenig, was genau wir da gerade eigentlich gesehen haben. Macht aber auch nichts, so lange die drei Stooges am Ende wieder am Lagerfeuer sitzen und „Row row row your boat“ singen dürfen.

Ja, Star Trek V ist ein alberner Film, ein vielen Punkt kindischer, naiver und überambitionierter Film. Aber im Gegensatz zu den geraden Vorläufern macht dieser Odd Star Trek eine Menge Spaß, eben wegen seiner unsauberen Art und wegen seiner dreisten, angstlosen Jagd nach dem Unbekannten. Gerade weil die Special Effects ebenso wie die Bilder damals schon komplett überholt waren, ist der fünfte Enterprise-Kinoflug erstaunlich gut gealtert: So sehr aus der Zeit gefallen, dass sein Anachronismus zu seinem Vorteil wird. Und mit seiner Freude am Skurrilen und Bizarren ist er zudem wahrscheinlich weitaus näher am Serienoriginal als Gene Roddenberry – der den Film wohl ziemlich doof fand – und seine Anhänger sich eingestehen können. Auch und gerade 30 Jahre nach Erscheinen ist dieser bombastische Trash eine Wiederentdeckung wert. Und mit seinem philosophischen, religionskritischen und bisweilen antispirituellen Überbau vielleicht sogar der im Kopf jüngste Star-Trek-Kinovertreter. Ein bisschen Mut zur Albernheit und zu kruder Narration und Ästhetik vorausgesetzt erlebt man hier einen wunderbar verquasten SciFi-Trip: Nicht nur so schlecht, dass er schon wieder gut ist, sondern ganz ehrlich mit all seinen Macken und Schwächen auch irgendwie verdammt gut. Aber eines auf jeden Fall: Weitaus besser als sein Ruf!

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