Die besten Fantasyfilme und Märchen der 80er: Und wann kommt endlich Labyrinth?

Jepp, ich weiß, ich mache mir jetzt wieder einmal ein paar Feinde. Egal, sprechen wir über Die Reise ins Labyrinth (1986). Würden wir nach den Kritiken der damaligen Zeit gehen, würde ich mit meiner nun folgenden „Meehh!“-Rezension womöglich sogar ziemlich im Kritiker-Konsens liegen. Seitdem ist aber einige Zeit vergangen und irgendwie hat sich der Henson Fantasy-Flick zwischenzeitlich zum angesagten Kultfilm entwickelt: Animierter, singende und tanzende Puppen, sarkastischer Humor, ein bisschen Psychoanalyse und Coming-of-Age, eine jugendliche Jennifer Connelly und natürlich ein mit Glaskugeln jonglierender David Bowie… DAVID BOWIE! Klar, dass sich der Film, zu dem immerhin Terry Jones das Drehbuch beisteuerte, früher oder später zum Geek-Hit entwickeln musste. Aber so zwangsläufig die Verehrung auch scheint, ich schaue trotzdem noch einmal genauer hin… und finde – wie zu erwarten war – allerhand, was zum Lästern, Kritisieren und zur Kanonverweigerung einlädt. Also verlieren wir keine Zeit, rein ins Puppen-Getümmel, rein ins Labyrinth.

Ob die Geschichte von der Reise ins Labyrinth originell oder nicht originell ist, dürfte kaum für größere Kontroversen sorgen. Das Drehbuch von Terry Jones bewegt sich mit seiner sachte strukturierten Episodenhaftigkeit in den Regionen klassischer Fantasy-Unterhaltung eines Alice im Wunderland und Zauberer von Oz: Die fünfzehnjährige Sarah (Jennifer Connelly) ist genervt von ihrem einjährigen Stiefbruder, wünscht sich nichts sehnlicher, als dass dieser verschwindet, und dieser Wunsch wird ihr auch prompt von einigen Kobolden erfüllt, die den Plagegeist in eine fantastische Welt entführen. Der Anführer der Bande, der ominöse Kobold King (David Bowie) offenbart dem Mädchen, dass sie dreizehn Stunden Zeit hat, ihren Bruder aus seinem Schloss zu retten, sonst wird er in einen Kobold verwandelt. Und die Reise zum Schloss führt eben durch jenes titelgebende Labyrinth, dass voller Gefahren, Irrwege und Abenteuer steckt. So weit so unoriginell.

Da darf man dann auch gerne mehr hinein interpretieren, als im ersten Moment offensichtlich ist: Die Reise ins Labyrinth ist natürlich eine im Subtext verborgene Coming-of-Age-Geschichte: Der Kobold King in seiner Laszivität steht für die erste Konfrontation mit der Sexualität, der hässliche, liebenswürdige und zugleich zwischen dem Kobold King und Sarah hin und her gerissene Kobold Hoggle – der schließlich zu ihrem wichtigsten Begleiter wird – steht sinnbildlich für das andere Geschlecht, zwischen sexuellem Begehren, Freundschaft und angewiderter Ablehnung. Das liebenswürdige Monster Ludo ist eine Allegorie des Anlehnungsbedürfnisses und des Aufbrechens der menschlichen Oberflächlichkeit. Der Weg durch den stinkenden Sumpf ist der schwere Gang durch die Pubertät, die schließlich in den offenen, unverhohlenen Tanz mit der Sexualität mündet, und so weiter und so fort… Parabolische Möglichkeiten können nach Belieben hinzugefügt werden, nur machen diese die Grundgeschichte nicht im Mindesten interessanter. Dafür bewegt sich einfach zu viel an der Oberfläche und vor allem in schrecklicher Passivität. Ohne ihr Schicksal jemals selbst in der Hand zu haben, stolpert Sarah von einem Abenteuer ins nächste. Die kleinen Allegorien dienen letzten Endes nur als Aufhänger, um bunte, schrille, fantastische und amüsante Interludien einzuleiten. Wäre gar nicht so verkehrt, wenn dem allen nicht so unangenehm der Hauch von Willkür und Beliebigkeit anhaften würde.

Kommen wir zum Positiven: Die Kulissen sind großartig: Bunt, düster, episch, klaustrophobisch… sie funktionieren praktisch in jeder Variation. Allein die Escher-Reminiszenz am Ende vergoldet die Settings des Labyrinths, die aber auch schon zuvor immer grandios zwischen expressionistischer, surrealer Kunst und Hollywood-Opulenz pendeln. Jim Hensons animatronische Puppen sind der Wahnsinn. Nicht nur den Vergleich zu Trickeffekten der damaligen Zeit, sondern auch den Contest mit heutigen animierten Fantasywesen können sie locker bestehen. Es ist unglaublich, wie lebendig, liebenswert und zugleich aufregend die zahllosen wuseligen Wesen gestaltet sind, die das Labyrinth beherbergt. Egal ob Freund oder Feind, egal ob Minutenauftritt oder treuer Weggefährte: Die Wesen aus Hensons Hand und Feder sind nicht einfach animiert, sie leben. Ich kann mich nicht erinnern in irgendeinem anderen Film so liebevoll und detaillierte Puppenwesen gesehen, so leicht Empathie mit animierten Wesen empfunden zu haben. Die Kobolde, Zwerge, Monster und Trolle aus Labyrinth lassen die Muppets – zumindest von der technischen Seite – weit hinter sich und können sich auch ohne Probleme mit den meisten Pixar-Wesen messen. Also warum zur Hölle, wurden ihre Charaktere dann zumeist so eindimensional und uninteressant gestaltet. Abgesehen von Ludo und – mit Abstrichen – Hoggle bleibt kein Wesen charakterlich länger in Erinnerung… Technik ist eben doch nicht alles, und so verschenkt der Film an dieser Stelle so unzählig viel Potential, dass es fast schon wieder schmerzt.

Einzig noch gruseliger als diese Charakterlosigkeit ist die darstellerische Besetzung. Nichts gegen Jennifer Connelly, aber in diesem Labyrinth wirkt sie einfach fehl am Platze: Hölzern, unkoordiniert – oft unfreiwillig komisch – stolpert sie durch die bunte Fantasywelt. Und dann natürlich David Bowie… ach… David Bowie. Ich liebe ihn, seine Verwandlungskünste, sein androgynes Image, sein Spiel mit den Rollen… Aber was zur Hölle hat er sich bei dieser gedacht!? Der Kobold King ist die Quintessenz von 80’s Lächerlichkeit: Ein in Strumpfhosen gesteckter Schaubudenmagier (Oh, diese Kugeln!), der sich nicht entscheiden kann, ob er sexy oder albern wirken will. Meistens entscheidet er sich für das zweite, jongliert mit seinen Kugeln (Oh, diese Kugeln!) und blickt irgendwie, irgendwie…. einfach irgendwie in die Kamera, als wolle er das Publikum um Verzeihung bitten. Ohnehin hat Labyrinth auch abseits von diesen beiden Zirkusfiguren so unglaublich viele Goofyness-Momente zu bieten: Die Musical-Einlagen, die Tänze, der Maskenball, das Ende mit der großen Puppenparty… und gleichzeitig bemüht er sich an so vielen Stellen ernst genommen zu werden, bemüht er sich an so vielen Stellen nicht ernst genommen zu werden, nimmt er sich ernst, wenn er es nicht sollte, macht er sich über sich selbst lächerlich, wenn er es nicht sollte, und wirkt dabei vor allem inkonsistent, unentschlossen und wankelmütig.

Ist Die Reise ins Labyrinth also ein schlechter Film? Nope! Dafür ist er an vielen Stellen doch zu gut. Die Puppen sind wie gesagt der Wahnsinn und rechtfertigen allein schon die Reise. Die Kulissen sind herausragend, die Atmosphäre ist oft stimmig…. und gerade diese Lächerlichkeiten machen ihn auch irgendwie groß, machen auch irgendwie nachvollziehbar, warum er zum Kultfilm mutieren musste. Bei aller Albernheit, bei aller Peinlichkeit, es macht Spaß der konfusen Sarah dabei zuzuschauen, wie sie den freakigen Kobold King jagt (oder umgekehrt), es macht Spaß über die fast surrealen Musikeinlagen, den nervigen 80er Score und die fragmentarische, episodische Handlung zu lachen… Ja, meinetwegen, Labyrinth verdient seinen Kultstatus und ist mindestens ein okayer Film. Angesichts der ganzen trashigen Komponenten reicht das aber noch lange nicht aus, um zu den besten Fantasyfilmen der 80er Jahre zu gehören. Fazit: Sehenswert? Ja! Kultstatus? Von mir aus. Meisterwerk? Nie und nimmer!

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Erstveröffentlichung: 2012