Die besten Fantasyfilme und Märchen der 80er Jahre III

Für unsere letzte Fantasy-Retrospektive wagen wir noch einmal den Blick in die Traumfabrik: Mit Spielbergs E.T., Reitmans Ghostbusters und Marshalls Big zeigt Hollywood, wie sich große Mainstream-Fantasy mit gehobener Qualität produzieren lässt. Für das Big Budget Independent-Kino ist aber auch noch genug Platz, und wer könnte dieses in den 80er Jahren besser vertreten als der Meister des Emo Grusels Tim Beetlejuice Burton höchstpersönlich? Der bekommt auch gleich noch Konkurrenz durch die wunderbare, sträflich unterbewertete Klassiker-Fortsetzung Return to Oz. Und wenn es etwas europäischer, arthausiger und anspruchsvoller sein soll… Wim Wenders poetisches Fantasy-Drama Der Himmel über Berlin und das neuseeländische Düster-Epos The Navigator sorgen für die notwendige Abwechslung zum amerikanischen Bombast-Programm. Egal ob Studio-Produkt oder unabhängiges Kunstwerk, sehenswert sind alle hier genannten Filme, auch wenn wir im Anschluss gerne wieder über die ein oder andere Nennung (und Nicht-Nennung) streiten können.

Der Himmel über Berlin [Wim Wenders]

(Deutschland, 1987)

Wim Wenders… Manchmal hasse ich ihn, manchmal liebe ich ihn. Für das magisch realistische Märchen „Der Himmel über Berlin“ kommt nur das zweite in Frage. Die Geschichte von einem Engel, der vom Menschsein und der Sterblichkeit träumt, ist ein wunderbar poetischer Film, der universelle, humanistische Ideen in ein aktuelles und zugleich historisches Deutschlandbild transferiert und dieses dann fantastisch und magisch transzendiert. In der Auseinandersetzung mit Menschlichem und Göttlichem kreuzen sich Motive eines Dramas, einer hypnotischen, halluzinatorischen Utopie und des fantastischen Kunstkinos, das sich auch nicht davor scheut, Topoi des neuen deutschen Films aufzugreifen und wie selbstverständlich in abstrakte, eskapistische Gefilde zu entführen. Mal rau, charmant, spröde, dann wieder ganz eigenartig, einzigartig verträumt, bis hin zum ästhetizistischen Kitsch mit Überlänge. Und dennoch oder gerade deswegen ein herausragendes Meisterwerk.

Der Navigator [Vincent Ward]

(Neuseeland, Australien, 1987)

Vom Mittelalter in die Gegenwart und zurück… The Navigator ist eine ungewöhnliche, expressionistische, mystisch mysteriöse Mischung aus dunkler, abstruser Mittelalter-Fantasy, aufregendem und actionreichen Zeitreiseabenteuer sowie morbider und prophetischer Zivilisationskritik. Mitunter scheint es so als hätten Astrid Lindgren, Jim Henson und Terry Gilliam zeitgleich das Regiezepter geschwungen: Wenn familiengerechte Fantasy plötzlich zu einem hypnotischen Alptraum wird, wenn lustige und groteske Clashs of the Cultures in dunkle, unheimliche Wahnvorstellungen münden, wenn eine fantastische, surreale Reise ganz abrupt von zynischer, kulturpessimistischer Gesellschaftskritik durchbrochen wird. Und über allem thronen diese ungeheuer gewaltige Dramaturgie, diese atmosphärische Sogkraft, diese einzigartige Bildsprache und dieser ungezwungene Umgang mit mythologischen, soziologischen und psychoanalytischen Motiven. Kein gewöhnlicher Film, kein Film für jedermann; aber für alle, die sich darauf einlassen können, ein nicht so schnell vergessener Trip durch das Fantastische, Reale, Irreale, menschlich allzu Menschliche…. und ein großer, wirklich großer und zeitloser Film.

Big [Penny Marshall]

(USA, 1988)

Leichtere Kost! Die meisten Leser dürften Big kennen, diese kleine fantastische Comedy-Perle zumindest in ihrer Kindheit genossen haben. Falls es so ist, ihr könnt dem Film guten Gewissens auch heute noch eine Chance geben. Die Geschichte eines Zwölfjährigen, der Dank einer Wunschmaschine über Nacht zum Erwachsenen wird und in der Arbeitswelt New Yorks gegen Eitelkeiten, Machtgelüste und übergroße Egos bestehen muss, ist eine wunderbare Hommage an das klassische, amerikanische Fantasykino und zugleich eine wirklich lustige Coming-of-Age-Komödie im Zeitraffer. Tom Hanks ist hier einfach nur großartig, kann wunderbar das Kind im Mann verkörpern. Die Story ist hollywood-üblich brav und pathetisch, steckt aber auch voller leiser, wunderschöner Momente… Und das Szenario ist natürlich eine grandiose Steilvorlage für allerlei Screwball- und Nonsens-Comedy. Ein wirklich toller Film, der den Lauf der Zeit ebenfalls erstaunlich gut überstanden hat.

Ghostbusters [Ivan Reitman]

(USA, 1984)

Wir bleiben Hollywood treu und richten unseren Blick auf eines der größten Action/Comedy/Fantasy-Spektakel der 80er Jahre überhaupt. Ivan Reitmans Ghostbusters ist groß, richtig groß, und hat mehr von allem: Mehr Grusel, Mehr Action, Mehr Fantasy, Mehr Wortwitz, mehr Rasanz… Die Achterbahnfahrt durch das von Geistern heimgesuchte New York, das Gaga-Fest zwischen Parawissenschaft, Geisterfeuerwehr und Schleim (vor allem Schleim) ist fast so etwas wie eine Blaupause für die zahllosen Comedy/Action/Fantasy-Hybride der jüngsten Filmgeschichte. Und dabei macht der Film auch heute noch so viel Spaß, dass er zweifellos in jeden gut sortierten Werte- und Filmkanon eines jeden Geeks, Nerds, cinephilen Freaks und Blockbuster-Liebhabers reingehört. I’m afraid of no ghost.

Beetlejuice [Tim Burton]

(USA, 1988)

US-Kino zwischen Hollywood, Arthaus und Independent-Wirrnis… da gibt es ja schon so einige. Einer der exponiertesten Vertreter des Stil-Mashups dürfte Tim Burton sein, der in den 80ern – und ja auch in den 90ern – im Gegensatz zu heute noch originell, einfallsreich und vor allem unverbraucht war. Mein Gott, Beetlejuice kann jedenfalls nichts dafür, dass Burton diese verdammte Gothic/Emo/Schlumpf-Ästhetik tausendmal wieder und immer wieder aufgewärmt hat. Bei der bitterbösen, zynischen Geistergeschichte um jenseitige Plagen und die Suche nach Erlösung funktioniert sie auf jeden Fall noch hervorragend. Und auch über die Schauwerte hinaus bietet dieser kleine, fiese Horror/Comedy/Fantasy-Flick eine Menge sarkastischen Humor, abgedrehte fantastische Ideen, viel Herzblut und eine angenehme Tiefe, immer zur rechten Zeit, nur um im nächsten Moment wieder von derbem, brutalem Slapstick niedergetrampelt zu werden. Einer der besten Filme des Regisseurs überhaupt.

E.T. – Der Außerirdische [Steven Spielberg]

(USA, 1982)

Okay, nur weil der wesentliche Protagonist ein Alien ist, muss man einen Film noch lange nicht dem Science Fiction zuordnen. Viel mehr ist E.T. ein wunderbares, im besten Sinne des Wortes klassisches Märchen, dass von der Offenheit der kindlichen und der Ignoranz der Erwachsenenwelt handelt. Und nochmal okay, nur weil ein Film gefühlt zwei ganze Dekaden jedes verdammte Jahr zu Weihnachten lief, heißt das noch lange nicht, dass er ein nerviges Kitschfest ist. Viel mehr ist E.T. eine wundervolle, berührende fantastische Erzählung, die das Herz am rechten Fleck hat und sich auch nicht vor großen Gefühlen ängstigt. Und nochmal okay, nur weil ein in den 90ern irgendwann durchgedrehter Regisseur eine wundervoll animierte, Schauspieler enthaltende Puppe durch gruseliges CGI-Gewusel ersetzt hat, bedeutet das noch lange nicht, dass der Originalfilm deswegen zu verdammen wäre… Genug gesagt: Schaut euch E.T. an, die 80er Variante, den Klassiker, das Herzstück des fantastischen Kinos der damaligen Zeit, ein Film, der auch heute noch – egal wie oft er auch über den Bildschirm wackelt – verzaubern, begeistern und unterhalten kann.

Return to Oz [Walter Murch]

(USA, 1985)

Und zum Abschluss noch ein mehr als streitbarer Kandidat… der Vergleich mit dem großartigen Original Der Zauberer von Oz (1939) liegt auf der Hand, und allzu gerne lästern Cineasten über diese scheinbar verquaste Fortsetzung, die dem Geist des Originals nicht gerecht wird. Das Argument geht spätestens dann baden, wenn man zusätzlich die literarischen Vorlagen von Frank Baum  heranzieht. Diese bieten nämlich keineswegs die blumige, liebreizende Atmosphäre der berühmten Musical-Verfilmung mit Judy Garland, sondern sind düstere, erwachsene und mitunter ziemlich brutale Abrechnungen mit dem Märchen- und Fantasy-Genre… und all das serviert auch der Film von 1985: Oz wird zum dunklen, mysteriösen Ort, in dem Kinderträume auf mitunter alpraumhafte Weise gespiegelt werden. Klar, 80er Jahre typisch enthält die Verfilmung der Oz-Fortsetzungen Im Reich des Zauberers von Oz (1904) und Ozma von Oz (1907) auch manche albernen, kitschigen, naiven Momente… aber Hölle, ist das bisweilen unheimlich, dicht, spannend und stellenweise wundervoll nonkonformistisch! Das geht bis zum überbordernden Gothicgrusel-Bombast irgendwo zwischen Hollywood und Arthaus, zwischen Fantasykitsch und traumatischem, doppelbödigem Psychohorror. Damit taugt der etwas konfuse „Oz – Eine fantastische Welt“ nicht zum Klassiker wie das herzzerreißend schöne Garland-Märchen, geht aber ohne Probleme als mitreißender, unterschätzter Fantasy-Trip durch, der weitaus mehr Aufmerksamkeit und weniger ignorante  pro forma Ablehnung verdient hätte.

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Erstveröffentlichung: 2012