The LEGO Movie (2014) – Viel besser, als er eigentlich sein sollte…

Nein, wirklich jetzt! Es gibt eine klare Regel, was Filme betrifft, die nur als Vehikel dienen, um ein Produkt zu verkaufen. Diese Regel lautet, die entsprechenden Filme haben schlecht zu sein. Von Masters of the Universe über The Wizard bis hin zum Playmobil Film. Im Grunde genommen sind sie ein eigenes Filmgenre: Product Placement Movies oder viel mehr Product Movies, bei denen von vornherein klar ist, was sie wollen und wozu sie dienen: Sie kurbeln die Verkäufe an, sorgen für Umsätze und Gewinne, und dementsprechend benötigen sie keinerlei Qualitäten, die darüber hinausgehen. Also, was erlaubt sich dieser verfluchte The LEGO Movie (2014)? Wie kann er es sich erlauben, gut zu sein? Nein schlimmer, wie kann er es sich erlauben mehr zu sein als ein Animationsfilm zum Verkauf von Lego-Spielzeugen? Er macht doch eigentlich alles richtig: Er nennt sich nach dem Produkt, dass er verkaufen will, er ist ein riesiges Showreel über Figuren, Bausets, Stücke; und er packt sogar einige lizenzierte Produkte mit hinzu, von Batman bis Star Wars. Wie kann er sich da nur erdreisten, auch noch verflucht viel Spaß zu machen, ja sogar intelligent, hintergründig, feinfühlig und bewegend zu sein? Es ist mir ein Rätsel, was durch den Kopf der Macher Phil Lord und Chris Miller gegangen sein muss, als sie aus dem Lego Product Movie einen echten Film gemacht haben. Ein Rätsel, dem man dann doch mal auf den Grund gehen sollte…

„Hier ist alles super!“, schallt es im wundervollsten Bubblegum Pop aus den Radios von Steinstadt, einer Welt, die komplett aus den berühmten eckigen Steinen gebaut und von Legofiguren bevölkert ist. Wenn es nach dem Bauarbeiter Emmet (im Original gesprochen von Chris Pratt) geht, ist das auch durch und durch wahr. Wie alle anderen Einwohner und Einwohnerinnen seiner Heimatstadt geht er jeden Tag gewissenhaft seiner Arbeit auf der Baustelle nach: Chaotische, zu bunte Gebäude werden eingerissen und streng nach Anleitung werden neue gigantische Legobauten errichtet. Alle sind zufrieden und versuchen in gemeinsamer Arbeit dieses Brick-Utopia zum schönsten Ort der Welt zu machen. Über all dem wacht President Business (Will Ferrell), der mit Zuwendungen wie dem Taco Dienstag, Fernsehserien wie „Wo ist meine Hose“ und einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche seine fleißigen Untertanen gefügig hält. Eines Abends jedoch entdeckt Emmet auf seiner Baustelle die mysteriöse Wyldstyle (Elizabeth Banks), die auf der Suche nach einem alten Artefakt ist. Da ihre Anwesenheit auf der Baustelle gegen die Regeln verstößt, folgt ihr Emmet, um sie den Behörden zu melden. Wie es der Zufall will, kommt er dabei in Kontakt mit dem von ihr gesuchten Artefakt, dem Stein des Widerstands, der sich unverhofft an Emmets Rücken klammert und nicht mehr zu lösen ist. Wenn es nach Wyldstyle und ihren Rebellenfreunden geht, ist dies der Beweis dafür, dass Emmet der Auserwählte aus einer uralten Prophezeiung ist. Laut dieser ist er der Besondere, der die Tyrannei von President Business beenden und das ganze Universum vor dem Untergang retten kann. Auch Business glaubt an diese Prophezeiung und hetzt seine Lakeien – angeführt von Good Cop / Bad Cop (Liam Neeson) auf die Fersen von Emmet und Wyldstyle. Es beginnt eine wilde Jagd durch das gesamte Lego-Universum, bei der Emmet Bekanntschaft mit allerlei skurrilen Figuren von Batman (Will Arnett) bis Einhorn-Kitty (Alison Brie) macht und lernt, was es mit Business, der Prophezeiung und der Legowelt im allgemeinen auf sich hat.

Und eine wilde Jagd ist das ganze, indeed. The Lego Movie ist ein irre schneller, lauter und bunter Film. Und das beginnt nicht erst mit dem eigentlichen Abenteuer, sondern zieht sich vom Intro (inklusive „Everything is super!“-Dauerfeuer) bis zum apokalyptischen Ende. Hier werden keine halben Sachen gemacht: Während die Hauptcharaktere durch die bunt animierte Lego-Welt reisen (oder viel mehr hetzen und gehetzt werden), gibt es an allen Ecken und Enden etwas zu sehen: Egal ob Produkte aus dem klassischen Lego-Katalog, Figuren, die schon durch allerlei Kinderhände gegangen sind, oder wahnwitzige Konstruktionen der Marke „Verflucht, das sollte ich auch mal bauen!“. Der Lego Film ist vollgepackt mit visuellen Reizen unter konsequenter Ausnutzung der Lego-Möglichkeiten. Natürlich besteht da auch Wasser aus klitzekleinen blauen Steinen, natürlich bedeuten da auch Explosionen, dass Bricks durch die ganze Gegend fliegen, und natürlich können innerhalb von Sekunden Autos zu Flugzeugen, U-Booten oder gar Raumschiffen umgebaut werden. Auch wenn wir es mit einer am Computer entworfenen Plastikwelt zu tun haben, scheint in dieser Welt alles lebendig zu sein, nicht nur die wunderbar animierten Legofiguren sondern auch deren gesamte Umgebung. Selbst in der noch relativ biederen Steinstadt passiert ständig etwas neues. Spätestens, wenn Wyldstyle und Emmet dann in andere Bereiche der Legowelt fliehen, gibt es aber kein Halten mehr: Von Westernszenarios über vom Herr der Ringe inspirierte Fantasywelten, den Weltraum und dem unglaublich bunten, zuckersüßen Wolkenkuckucksheim ist alles dabei: Monumentalität, Kitsch, Düsternis, Albereien… Name it, and you will see it! Und das alles so furios, schnell und überdreht, dass sowohl junges als auch erwachsenes Publikum stets Gefahr laufen den Überblick zu verlieren. Blinzeln ist keine gute Idee, riskiert man doch so, die nächste Referenz, den nächsten nur eine Sekunde andauernden visuellen Reiz zu verpassen.

So wild und actionreich diese Achterbahnfahrt ist, so sehr ist sie auch bemüht, nicht nur chaotisches Abenteuer zu sein. Aufgebrochen wird der Farben- und Formenrausch durch die Freude an popkulturellen Referenzen und ironischen Brüchen. The Lego Movie bemüht sich, Film für die ganze Familie zu sein und ist dabei auch ziemlich erfolgreich. Während Junior von den bunten, blinkenden Bildern gefesselt ist und mit offenem Mund der irren Handlung folgt, dürfen Mama und Papa sich über die zahllosen Anspielungen aus allen erdenklichen kulturellen Bereichen freuen und die kleinen, subtil eingeflochtenen Witze, die eindeutig auf ein erwachsenes Publikum abzielen. Vor allem der dystopische Kern der Legowelt unter Business-Herrschaft besitzt angenehm düstere Anspielungen auf 1984 und Brave New World und die Geschichte hat generell viel Freude daran, sich und ihre Charaktere zu dekonstruieren und immer wieder durch den Kakao zu ziehen. Und dann gibt es natürlich noch den parabolischen Überbau. Dieser begnügt sich nicht nur mit bloßem Symbolismus, sondern entwickelt im letzten Drittel ein großartiges Eigenleben. Den wesentlichen Plot Twist zu spoilern, käme einem Sakrileg gleich. Nur so viel sei verraten: In den letzten 20 Minuten eröffnet der Lego Film eine großartige Metaebene mit ebenso verblüffender wie einleuchtender Moral, die perfekt auf den Punkt bringt, was das Spielzeug Lego so besonders macht. Es gibt nicht nur diesen tollen Aha-Moment, sondern es wird darüber hinaus noch ausgesprochen emotional und warmherzig… und man bekommt ne Menge Lust, sich ein paar Legosachen zu besorgen und gleich mit dem Bauen anzufangen, am besten eine große Wühlkiste, in der die verschiedensten Teile vorhanden sind.

So gesehen macht der Lego-Film am Ende dann doch noch, was er eigentlich soll: Er weckt gehörig Lust auf das beworbene Produkt. Ja, dieser Lego-Film ist die beste Werbung für Lego, die man sich vorstellen kann, nicht nur getarnt als großes Abenteuerepos und Wohlfühlfilm, sondern in der Tat glaubwürdig in deren Form. The Lego Movie ist wie bereits gesagt viel besser als er als Kommerzvehikel sein müsste, gerade aber weil er so viel besser ist, erfüllt er zusätzlich seinen Zweck in jeder erdenklichen Art und Weise. Also angeschnallt und mitgebaut. Hier haben wir es nicht nur mit einer der besten Spielzeugverfilmungen zu tun, sondern darüber hinaus mit einem der schönsten, lautesten und anarchischsten Animationsfilme für die ganze Familie der 2010er Jahre.

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