Die besten Kinderserien der 80er Jahre III

Einen haben wir noch: In der letzten Kinderserien-Retrospektive begegnen wir mainstreamtauglichem ebenso wie Schrägem und sogar Surrealem. Aus Deutschland überrennt uns eine auf Kinderaugen perfekt zugeschnittene Bizarrerie mit Hals über Kopf, anschließend lassen wir uns von eigentlich so gar nicht ins Kinderprogramm passendem Symbolismus im Anderland verzaubern. Etwas traditioneller und bunter geht es bei den Amerikanern mit Inspector Gadget und den Muppet Babies zu. Und irgendwo dazwischen (und zugleich komplett ab vom Schuss) bewegt sich das herrlich naive Fantasypanorama Doctor Snuggles. Und wenn wir damit durch sind, können wir uns endlich der erwachsenen TV-Unterhaltung der 80er Jahre widmen. Und diese ist ebenfalls – wie das Kinderprogramm – deutlich abwechslungsreicher und qualitativ hochwertiger als gemeinhin erinnert wird.

Hals über Kopf [Rainer Boldt, Stefan Lukschy, Hans-Henning Borgelt]

(Deutschland 1987-1991)

{34 Episoden à 30 Minuten}

Oh Schreck, oh Schreck, das Kind ist weg! Die Leute sind empört! Der hysterische, laute zwischen Punk und Schlager pendelnde Titelsong von Isabel Varell passt wie Faust auf Auge zu dieser anarchischen Serie mit wechselnden ProtagonistInnen und gleichbleibendem Nebencast. Hals über Kopf ist wild, atavistisch und mitunter alles andere als pädagogisch. Jede Episode darf ein neues Kind türmen oder auf andere Art und Weise verschwinden und dabei mit den skurrilen Charakteren, die diese Serie so einzigartig machen, interagieren. Da ist zum Beispiel das wunderbar pointiert, satirisch überzeichnete Ehepaar Wurzel oder der bemühte und zugleich tollpatschig trottelige Polizeiobermeister Hund („Hund wie Katze“). Zusammen bilden sie ein Gesellschaftspanorama, das so BRD und so 80er ist, wie es nur irgendwie geht. Im Grunde genommen ist Hals über Kopf der Beweis dafür, dass satirische Formate, dass sarkastischer Humor, dass bizarre Überzeichnung auch für Kinder funktionieren können. Dabei immer auf Augenhöhe mit dem jungen Nachwuchs: Respektvoll gegenüber den Kindern und so wie es sich gehört respektlos gegenüber den Erwachsenen, die hier ein ums andere Mal von den Jungen vorgeführt werden.

Anderland [George Moorse, Marco Serafini]

(Deutschland 1980)

{45 Episoden à 30 Minuten}

Anderland ist anders. Nicht nur anders als andere deutsche Kinderserien, sondern generell anders als das gewöhnliche Familienprogramm, das man ihm Fernsehen zu sehen kriegt. Meistens entscheiden sich Formate für die Kleinsten, entweder den Kids maximale Unterhaltung zu liefern oder einen maximalen pädagogischen Wert zu transportieren. Anderland will weder das eine noch das andere auf traditionellem Weg erreichen, ist viel mehr eine Herausforderung, ganz bewusst gegen Erwartungen der jungen Zuschauerschaft, aber auch gegen die Erwartungen der Eltern. Gerade dadurch, dass es so sehr mit Sehkonventionen bricht, praktisch Kunst in den Familien-TV-Haushalt einschleicht, ist es um so wertvoller: Irgendwo zwischen Mystery, Surrealismus und sogar Horror. Klar, dass es dabei auch unterhaltend und erzieherisch zugeht, im Zentrum steht aber eine verquere, introspektive Auseinandersetzung mit kindlichen Wünschen und Bedürfnissen, weit über das hinaus was Kinder und selbst Erwachsene vollständig verstehen können. Aber genau in diesem Appell an die Intuition ist Anderland großes Fernsehen, das keine Scheu vor Kryptischem, Unheimlichem und Wahnwitzigsten hat. So gesehen vielleicht sogar die respektvollste Serie des Jahrzehnts, weil sie sich ganz bewusst gegen die viel zu oft antreffende Unterforderung des Publikums entscheidet.

Inspector Gadget [Andy Heyward, Jean Chalopin, Bruno Bianchi]

(USA 1983–1986)

{2 Staffeln, 86 Episoden à 30 Minuten}

Man kann natürlich viel über amerikanische Zeichentrickkost, deren fehlenden Anspruch, deren fehlenden pädagogischen Qualitäten und deren komplette Überzeichnung schimpfen… Nicht aber über Inspector Gadget. Na klar, wie bei so vielen US-Trickprodukten aus diesem Jahrzehnt geht es auch hier vor allem rasant zu, Reflexionen und Verschnaufpausen gibt es kaum, und dennoch hat der Noir/SciFi/Comedy-Hybrid so einiges zu bieten, was ihn nicht nur für seine Zeit besonders sondern auch generell zeitlos werden lässt. Da wäre der wunderbar verquere Umgang mit dem mit tausend Gadgets ausgestatteten tollpatschigen Protagonisten: Der Inspektor ist nämlich im Grunde genommen nicht der eigentliche Held der Serie, viel mehr ist das seine clevere Nichte Penny/Sophie, die mit Hund und einem erstaunlich prophetischen Device ausgestattet Gadget nicht nur aus der Klemme hilft, sondern en passant auch gleich sämtliche Bösewichte ausschaltet. Da wäre der Oberschurke Dr. Kralle, der wunderbare Karikatur eines Bond-Bösewichten, inklusive teuflischem Lachen und schnurrender Katze, ist. Da wäre die atemlose Action, die immer gekonnt zwischen Spannung und Slapstick pendelt. Und da wäre nicht zuletzt der fantastische Umgang mit Themen wie Kybernetik, Technologisierung und die vielfache Ohnmacht des Menschen angesichts der sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten. Inspector Gadget ist eine große Trickperle, weitaus cleverer, als man auf den ersten Blick vermutet, und zudem verflucht unterhaltsam und komisch.

Muppet Babies [Jeffrey Scott]

(USA 1984-1991)

{7 Staffeln, 107 Episoden à 25 Minuten}

Natürlich hätten die Macher bei einer Vorschulversion von Jim Hensons berühmter Muppet Show den sicheren Weg gehen und einfach ein Broadwaystück für Kleinkinder inszenieren können: Ein wenig Musik hier, eine kleine pädagogische Note da… wahrscheinlich wäre so etwas wie ne zweite, schillernde Sesamstraße dabei herausgekommen. Gott sei Dank hat Jeffrey Scott einen anderen Weg eingeschlagen und eine nicht nur originelle sondern auch äußerst abwechslungsreiche Trickserie geschaffen. Die Muppet Babies erleben nicht nur einfach so Abenteuer, nein, sie tauchen richtig ein in ihre fantastischen Welten. Und dabei darf alles als Vorlage dienen, was greifbar ist: Abenteuer, Fantasy, Science Fiction, ja sogar Horror, gerne auch mit zahllosen Referenzen auf Literatur, Film und Popkultur. Dadurch gewinnt Muppet Babies wie schon seine Mutter die Muppet Show ein deutlich breiteres Publikum als intendiert, beziehungsweise bei einer klassischen Samstagmorgen-Kindertreckserie erwartet. Der Lohn: Zahllose Emmys, eine äußerst lange Lebensspanne und ein Kultstatus, der bis zum heutigen Tag anhält.

Doctor Snuggles [Jeffrey O’Kelly]

(Großbritannien, Niederlande 1980)

{13 Episoden à 25 Minuten}

Tja, für wen ist denn nun Doctor Snuggles eigentlich geschaffen? Wenn man ehrlich ist, für niemanden so richtig. Um für ältere Kinder oder gar Erwachsene zu funktionieren, ist die Serie viel zu naiv, zu niedlich und zu kitschig. Und um Kleinkinder zu begeistern ist sie eigentlich zu verrückt, ja auch in ihrer Verrücktheit irgendwie zu erwachsen, zu distinguiert und alles in allem zu britisch. Genau das macht aber den Charme dieser kurzlebigen, dafür aber umso besondereren britisch niederländischen Koproduktion aus. Bei Dr. Snuggles darf die Welt noch heil sein und zugleich voller Wunder stecken. Alles darf leben und atmen (ehrlich, alles!), alles und jeder darf am bunten, naiven unbedarften Tanz mit der Welt teilnehmen, und dem Erfinder- und Entdeckergeist sind keine Grenzen gesetzt. Doctor Snuggles ist ein wenig auch ein Eintauchen in einen unschuldigen, unbedarften kindlichen Geist, ein Eintauchen in eine Welt, in der nicht alles Sinn ergibt, immer aber etwas zum Erleben und zum Staunen einlädt. Allein die Tatsache, dass unter anderem Douglas Adams und Richard Carpenter höchstpersönlich für einige Episoden verantwortlich waren, sollte für die Qualität der Serie sprechen… Ja, schräges Nischenprogramm, aber definitiv Sehens- und Entdeckenswertes.

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