Die besten Kinderserien der 80er Jahre II
Im Gegensatz zur ersten 80er Kinderserien-Retrospektive wird es dieses Mal deutlich weniger pädagogisch und deutlich stärker auf Unterhaltung ausgerichtet. Außerdem – was ich in der ersten Retrospektive vergessen habe – sei noch angemerkt, dass einige der hier genannten Serien zumindest in Deutschland erst in den 90er Jahren groß rezipiert wurden. Für eine Einordnung in der 80er Dekade soll in dieser wie auch in anderen Listen der Produktionszeitraum entscheidend sein: Und dabei gilt, je zentraler dieser in den 80er Jahren liegt, um so mehr ist die entsprechende Serie prädestiniert dort eingeordnet zu werden. Daher werden hier auch manche Serien fehlen, die bereits in den 70er Jahren mehr als relevant waren (z.B. die Sesamstraße), ebenso wie Serien, die zwar in den späten 80ern zum ersten Mal auf die Öffentlichkeit losgelassen wurden, aber erst in den 90ern zu voller Blüte kamen (z.B. die Simpsons). Und damit genug der allgemeinen Vorworte. In diesem Teil begegnen wir tollen japanischen Fußballstars rund um Captain Tsubasa, Zeitreisenden, Gummibären, zwei wilden Knetfiguren und einem aufgeweckten Radiomoderatoren in Runddorf.
Die tollen Fußballstars [Yōichi Takahashi, Hiromichi Shigegaki, Masao Kodaira]
(Japan 1983-1986)
{5 Staffeln, 128 Folgen à 25 Minuten}
Ich war nie großer Fußballfan und als Kind konnte ich mit Animes auch nicht viel anfangen. Die Geschichten um Tsubasa und die diversen Fußballteams, in denen er im Laufe dieser epischen Manga- und Animereihe von Yōichi Takahashi aufläuft, sollten also überhaupt nicht mein Ding sein. Zumal Die tollen Fußballstars ziemlich repetitiv ist, keine besonderen pädagogischen Leistungen vollbringt und seine Geschichten gerne eindimensional und flach zeichnet. Geschenkt. Irgendwie besitzt Kyaputen Tsubasa einen ganz eigenen, ganz besonderen Zauber, der die Serie von den zahllosen anderen Serien ähnlichen Formates abhebt. Sind es die grandiosen Actionszenen? Ist es das fantasievolle Spiel mit den Möglichkeiten oder viel mehr Unmöglichkeiten innerhalb sportlicher Wettkämpfe? Ist es der gekonnte, pointiert eingesetzte Pathos? Sind es die sympathischen, unbedarften Zeichnungen? Ist es die pure Epicness, die in diesen so trivialen Geschichten ausgebreitet wird? Sind es die dann doch oft überraschend vielschichtigen Charaktere? Ich weiß es nicht… ganz ehrlich. Aber Tsubasa ist ein kleines Juwel japanischer Trickserienkunst, eine ungemein unterhaltsame und verführerische Anime-Show, die gerade in ihrer epischen Breite auf einem einfachen Fundament zu überzeugen weiß. Achja, Nostalgie dürfte in diesem Fall auch eine nicht unbedeutende Rolle spielen.
Die Zeitreisenden [James D. Parriott, Robert Janes, Dean Zanetos]
(USA 1982)
{1 Staffel, 20 Folgen à 45 Minuten}
Yeah! Sollte man sich je Doctor Who als Kinderserie vorstellen, so würde sie wahrscheinlich genau so aussehen. Die Zeitreisenden ist ein wilder Trip durch die verschiedensten Epochen der Weltgeschichte. Als Reiseleiter dient der unbeholfene Lebemann Phineas Phogg, der eigentliche Star und weise Zeitenforscher ist jedoch der gerade mal 11jährige Jeffrey Jones, der seinen Mentoren mit seinem Wissen und seiner Klugheit immer wieder als großen Schaumschläger entlarvt. Und der wirkliche, tatsächliche Star der Serie ist dann doch in erster Linie die Weltgeschichte: Berühmte Persönlichkeiten, wichtige Ereignisse, Konflikte, die ins Lot gebracht werden müssen… das alles nie mit der Trockenheit einer Geschichtsstunde, sondern ungemein beschwingt, wahnwitzig und turbulent erzählt und inszeniert. Voyagers! (Das Ausrufezeichen im Originaltitel sagt eigentlich schon alles) ist ein kleiner Rohdiamant des SciFi-Fernsehens der 80er Jahre, nach gerade mal einer Staffel ungerechtfertigt abgesetzt, ein wenig von der Zeit vergessen und dabei doch so viel besser als die kindliche wie die erwachsene Fantasy- und SciFi-Konkurrenz dieser Ära.
Luzie, der Schrecken der Straße [Ota Hofman, Jindřich Polák]
(Tschechoslowakei, Deutschland 1980)
{6 Folgen à 30 Minuten}
Gutes Kinderprogramm aus dem Osten Europas… schaut nach Tschechien! Beziehungsweise, wir befinden uns ja immer noch in den 80er Jahren, in die Tschechoslowakei. Bereits in den 70ern haben unsere östlichen Nachbarn mit der Kinderserie Pan Tau bewiesen, dass sie vielleicht auf dem ganzen europäischen Kontinent die verzauberndste Familienunterhaltung aus dem Hut zaubern können. In Luzie, der Schrecken der Straße schlagen die Schöpfer jener Serie wieder zu und beweisen mit einem Handstreich, dass sich äußerst ernste, realistische und sozialkritische Themen wunderbar mit Fantasiereichtum und Imaginationskraft kombinieren lassen: Im Mittelpunkt stehen nämlich nicht nur eine kriminelle Jugendbande und das Bedürfnis eines kleinen Mädchens seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, sondern auch und vor allem zwei verrückte Knetmännchen, die den Alltag der Protagonistin und der ganzen Stadt gehörig auf den Kopf stellen. Dabei oszilliert die Miniserie geschickt zwischen pädagogischem Ernst und Lobgesang auf die Vorstellungskraft des kindlichen Geistes, zwischen Sozialdrama und irrwitziger Fantasykomödie. Eine wirklich bezaubernde Serie, die als 6-Teiler ebenso verzaubert wie als knapp zweistündiger (etwas zurechtgeschnittener) Kinofilm.
Disneys Gummibärenbande [Jymn Magon, Art Vitello]
(USA 1985-1991)
{6 Staffeln, 65 Folgen à 25 Minuten}
Unterschätze niemals die Macht eines epischen Ohrwurmintros: „Hüpfen hier und dort und überall…“. Aber auch abgesehen von dem markanten Titeltrack ist die Gummibärenbande Disney Zeichentrickserienkunst at its finest. Irgendwo zwischen opulenter Mittelalterfantasy, Schlumpfenspaß, Märchenzauber und actionreicher Abenteuergeschichte besitzen die Gummibären neben Duck Tales das beste Pacing, das der Walt Disney Company im TV je geglückt ist. Der Zeichenstil ist großartig, pendelt zwischen quietschbunt, niedlich und mitreißend bombastisch. Die Charaktere, egal ob Mensch oder Bär, egal ob Held oder Bösewicht, sind so charismatisch, wie es nur geht, und die Gesamtatmosphäre ist ungemein charmant, knuddelig und dennoch mitreißend. Als erste große animierte Disneyserie ist die Gummibärenbande fast im Alleingang verantwortlich für den Zeichentrickserien-Boom der späten 80er und frühen 90er Jahre und der beste Beweis dafür, dass Zeichentrick im TV genau so episch und verführerisch sein kann wie auf der großen Leinwand.
Hallo Spencer [Winfried Debertin, Angelika Paetow]
(Deutschland 1979-2001)
{275 Episoden à 30 Minuten}
Noch so ein Dauerbrenner, dieses Mal aus Deutschland: Hallo Spencer war in meiner Erinnerung immer so etwas wie der große Bruder der Sesamstraße. Auch wenn die originär deutsche Serie nichts mit Jim Hensons Puppen oder der amerikanischen Sesame Street zu tun hat, gibt es doch so manche Gemeinsamkeiten, was Stil, Konzept und Ausführung betrifft. Und in der Tat ist Hallo Spencer trotz pädagogischer Elemente immer etwas jugendlicher, turbulenter, weniger educational als die berühmte Serie Made in USA. Das liegt natürlich in erster Linie an dem ungemein sympathischen, für eine Kinderserie überraschend reif agierenden Protagonisten Spencer. Hinzu kommt aber ebenso ein Dorf voller schräger, verrückter, liebenswerter Charaktere, die eben nicht einfach nur skurrile Puppen zur Kinderbelustigung sind, sondern lebendig scheinende, nuanciert gezeichnete Charaktere, die alle ihren ganz eigenen Entwurf vom richtigen Leben haben: Seien es der wilde Drache Poldi, der verschrobene Künstler Nepomuk oder die Mitglieder der Rockband Quietschbeus. Jede einzelne dieser tollen Figuren ist es alleine wert Runddorf einen Besuch abzustatten; und gemeinsam bilden sie dann erst recht ein wundervolles, detailverliebtes Diorama, dem es mit Leichtigkeit gelingt, die ganze Familie für sich zu gewinnen.