Die besten Kinderserien der 80er Jahre I

Zu Beginn der 80er-Zusammenstellung bin ich noch fest davon ausgegangen, dass ich spätestens im TV-Bereich an meine Grenzen stoßen würde. Schlicht und ergreifend, weil die TV-Landschaft der 80er Jahre so antiquiert wirkt im Vergleich zu den großen TV- und Streamingserien unserer Zeit. Braucht man wirklich noch Dallas, wenn man House of Cards haben kann, das A-Team in Zeiten von Breaking Bad oder Fantasy Island in einer Welt, in der Game of Thrones existiert? Oh, wie sehr habe ich mich geirrt! Ich bin nunmal ein Kind der frühen 80er Jahre und dementsprechend wurde ich als Kind vor allem in den 80ern TV-sozialisiert. Und was gibt es in dieser Zeit an großartigen Serien für ein jüngeres Publikum zu entdecken! Wie gesagt, diese Zeit hat mich fernsehtechnisch stark geprägt, aber es ist nicht nur die Nostalgie, die die folgenden Serien auszeichnet: Gerade für Kinder- und Familienunterhaltung waren die TV-80er eine glorreiche Epoche. Eine Zeit in der Kinderserien noch nicht reine Cash Cows waren, eine Zeit, in der sich Produzent*innen noch wirklich Gedanken um gute Fernsehunterhaltung für Kinder machten, eine Zeit, in der das Fernsehen für die ganze Familie experimentierfreudig, mutig und magisch war. Daher sollen die ersten 80er Serienretrospektiven auch einem jüngeren Publikum gewidmet sein. Zweifellos, die Nostalgie spielt hier mit rein, ich habe aber bewusst Serien ausgewählt, die auch heute noch funktionieren, die ich auch heute noch meinem Kind zeigen würde: Sprich, keine He-Man, Lone-Star, Ninja Turtles, kein plumpes Actionprogramm zur Ankurbelung des Spielzeugverkaufs. Aber auch nicht bloße pädagogische Fingerübungen. Stattdessen eine gute Mischung aus Wertvollem und Unterhaltsamem, aus Albernem und Mitreißendem. Hier ist der erste Teil einer längeren Serienretrospektive mit dem Schwerpunkt auf Kinder- und Familienunterhaltung. Let’s go.

Alfred J. Kwak [Herman van Veen]

(Niederlande, Japan, Deutschland, Spanien 1989)

{52 Episoden à 25 Minuten}

Nicht nur wegen der extrem sympathischen Musik von Herman van Veen („Plitscher plätscher Feder, Wasser mag doch jeder, geh schon mal nach Haus, ich komm ein Tröpfchen später“) gehören die Geschichten um die clevere und abenteuerlustige Ente Alfred Jodocus Kwak mit zum Faszinierendsten, was die 80er Jahre an Kinderunterhaltung zu bieten haben. Das liegt vor allem an dem mehr als ungewöhnlichen Setup: Ja, Alfred J. Kwak ist mitunter einfach nur naive, unbedarfte Abenteuergeschichte für kleine Kinder, dazwischen aber dann plötzlich wieder überraschend erwachsen, surreal und düster. Von dem niedlichen Äußeren und der Kindlichkeit des Protagonisten darf sich das Publikum diesbezüglich nicht täuschen lassen; Herman van Veens internationale Serie hat es faustdick hinter den Ohren: Sei es durch schwarzen Humor, satirische Spitzen oder trippige Geschichten, die Alfred J. Kwak mitunter wie die Blaupause der wilden Zeichentrickserien des 21. Jahrhunderts erscheinen lassen: Surreal, oft tiefgründiger als erwartet, mutig, fantasievoll und mit einem verschmitzten Augenzwinkern Richtung erwachsenes Publikum.

DuckTales – Neues aus Entenhausen [Jymn Magon, Brad Landreth]

(USA 1987-1990)

{4 Staffeln, 100 Episoden à 25 Minuten}

So mutig und surreal wie Alfred J. Kwak ist DuckTales nicht… dafür ist es Disney, und zwar die Walt Disney Television Studios auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft. Ausgestattet mit zahllosen bekannten Charakteren wie Tick, Trick und Track und Onkel Dagobert erzählt DuckTales eine wundervolle Mischung aus klassischem Disney-Cartoon und Indiana Jones Action Adventure. Sowohl von der Zeichenqualität als auch von der Geschichte sind die neuen Geschichten aus Entenhausen so nah am Kino wie wohl keine andere Zeichentrickserie, ganz gleich ob von Disney oder einem anderen Studio. Die abenteuerliche Suche nach verborgenen Schätzen und der Kampf gegen Bösewichte wie die Panzerknackerbande oder Gundel Gaukeley stecken voller Leben, Freude und Abenteuerlust. Klar, wie es bei den meisten Disneyserien üblich ist, geht es hier nicht sonderlich anspruchsvoll oder pädagogisch zu, das wird aber mehr als wett gemacht durch die überragende Klasse von Dramaturgie und Ästhetik. DuckTales beweist darüber hinaus, dass Disney auch im TV-Format mehr kann, als bloß Cartoon oder Slapstick zu sein; dass man auch mit dem skurrilen Setup Entenhausens mitreißende und spannende Abenteuergeschichten erzählen kann, ohne die Komik des ungewöhnlichen Ortes zu verraten.

Es war einmal… das Leben [Albert Barillé]

(Frankreich 1986)

{26 Episoden à 25 Minuten}

Spürst du es in dir, das schöne Leben, das Hoffnung gibt… Ein ohrwurmträchtiges Titellied ist nicht immer Qualitätsindiz für eine Kinderserie. Das gilt gerade in den 80ern, einem Jahrzehnt, das voll war mit fantastischen Ohrwurmstücken für die TV-Familienunterhaltung. In dem französischen Körpererkundungsformat Il était une fois… la Vie ist aber genau das der Fall: Ein Blick auf den liebevollen Vorspann mit der epischen, pathetischen Musik genügt, um sich in die Serie zu verlieben. Und enttäuscht wird man auch nicht von dem, was dann folgt. In Es war einmal… das Leben dürfen wir alles sehen, was den menschlichen Körper spannend macht: Von der einzelnen Zelle über die verschiedenen Organe bis hin zu den Grundlagen des Lebens: Der Verdauung, der Immunabwehr und der Fortpflanzung. Es war einmal… das Leben gelingt es dabei auf äußerst gekonnte Weise, Wissen zu vermitteln und zugleich zu unterhalten, weder mit Humor noch mit Pathos zu geizen und dennoch immer den richtigen Ton zu treffen. Kein Wunder, dass die Personifizierungen der Blutkörperchen oder dem Gehirn als Schaltzentrale mittlerweile mehr als ikonisch geworden sind, kein Wunder das zahllose Leute unserer Generation mit großer Wehmut auf diese fantastische Biologiestunde und die Abenteuer im menschlichen Körper zurückblicken: Sing das Lied mit mir, auf das Leben und auf das Glück… Es ist schön das Leben, es ist schön, so wunderschön, das Leben…

Janoschs Traumstunde [Jürgen Egenolf, Uwe-Peter Jeske, Wolfgang Urchs]

(Deutschland 1985-1989)

{2 Staffeln, 26 Episoden à 30 Minuten}

Als Disclaimer vorweg geschickt, ich bin nicht der größte Janosch-Fan. Ohne Zweifel, der Mann hat mit Oh, wie schön ist Panama (1978) eines der besten Kinderbücher aller Zeiten geschrieben. Wahr ist aber auch, dass gerade sein Meisterwerk und erfolgreichstes Buch deutlich von seinen anderen Geschichten abweicht. Janosch selbst bezeichnete es gar als Verzweiflungstat wegen des damaligen Misserfolges seiner bisherigen Kindergeschichten. Er bezeichnete es als Kitsch und als Rache an der Kinderbuch- und Kritikerzunft. Daher sollte man sich nicht zu sehr von der ersten Episode – eine Verfilmung von Oh wie schön ist Panama – der Janosch Traumstunde in die Irre führen lassen. Die folgenden Episoden sind deutlich abstrakter, grummeliger und auch einfach merkwürdiger, sind sie doch Verfilmungen von Janoschs weniger bekannten und auch weniger beliebten Geschichten. Aber sie funktionieren auf der Flimmerkiste ganz vorzüglich, vielleicht sogar besser als in Kinderbuchform. Die Macher Egenolf & Jeske verstehen sich darin, den Eigensinn, die Spitzbübischkeit und den trockenen Humor des schlesischen Autors in einfache wie verzaubernde Animationen zu bannen. Die ruhige und zurückhaltende Atmosphäre der Serie passt perfekt zu den mitunter holprigen, gerne auch gegen den Strich gebürsteten Themen der Vorlagen, und Dank des geschickten Spiels mit Musik und Farbe gewinnen einige Episoden sogar gegenüber den sperrigen Büchern. Insofern dürften selbst Janosch-Nicht-so-doll-Finder hier manche Perle entdecken. Und allein für die Panama-Verfilmung (und die herrlich grotesken Popov-Stücke) lohnt es sich einzuschalten.

Löwenzahn (Peter Lustig)

(Deutschland 1981 – heute)

{39 Staffeln, 395 Episoden à 25 Minuten}

Peter Lustig ist Gott. Nur um das noch einmal hervorzuheben. Und Peter Lustig hasst Kinder nicht. Nur um dieses Jahrzehnte alte Vorurteil nochmal aus dem Weg zu räumen. Können wir jetzt über die Sendung reden? Gut. Löwenzahn ist nicht nur Blaupause sondern auch Quintessenz, was Edutainment/Infotainment für Kids betrifft. Nie zuvor und nie danach hat eine Kinderserie im deutschen Fernsehen derart gekonnt Didaktik, Pädagogik und Unterhaltung unter einen Hut gebracht. Nie zuvor und nie danach hat es derart viel Freude gemacht, zu lernen, zu lachen und sich einfach nur an der Lebensfreude und an der Entdeckerlust einer Serie zu beteiligen. Die Abenteuer und Reisen Peter Lustigs stehen ganz oben in der Ehrengalerie der deutschen TV-Unterhaltung, neben der Sendung mit der Maus und Logo!. Natürlich passt der Schöpfer und Protagonist der Serie mit seinem Outsider- und Ökocharme perfekt in die frühen 80er Jahre (wahrscheinlich war er sogar der erste „grüne“ TV-Star Deutschlands), aber es ist mehr als das… Peter Lustig, neugieriger Bauwagenbewohner, Welterkunder und Wissenssammler ist authentisch. Er ist nicht einfach da, um Kindern etwas beizubringen, sondern er liebt es auch, selbst zu lernen, neue Dinge zu entdecken und das Leben zu erforschen. Diese Neugierde überträgt sich ganz natürlich auf das Publikum, egal wie alt oder jung es sein mag. Insofern ist Löwenzahn wohl die Kinderserie hier, die am ehesten als perfekte Familienunterhaltung durchgeht, und an die selbst Menschen Anschluss finden, die nichts mit Kindern am Hut haben. Und um das nochmal zu wiederholen: Peter Lustig hatte nichts gegen Kinder, er respektierte sie sogar weitaus mehr als das Gros der Erwachsenen anno dazumal. Er wollte nur – genau aus diesem Grund – nicht gerne mit ihnen drehen.

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