Why Game of Thrones sucks… a little bit

Diese verdammten Wetterwechsel schlagen ganz schön auf meine Stimmung, lassen mich sogar ein bisschen griesgrämig werden. Was gibt es also schöneres in diesem meteorologisch so konfusen Jahr, als den Missmut mit der ganzen Welt zu teilen? Ich mache das in diesem Fall, indem ich die heilige Kuh der derzeitigen Serienlandschaft zur Schlachtbank führe. Versteht mich nicht falsch! Ich hatte bis jetzt eine Menge Spaß an Game of Thrones, und wenn die Serie einfach nur beschissen wäre, wäre ich mit Sicherheit nicht bis Staffel 3 – und wahrscheinlich auch darüber hinaus – dabei geblieben. Was ich allerdings immer wieder feststellen musste in letzter Zeit, ist, dass die Serie von Serienfans mit Geschmack viel zu oft zum besten derzeit laufenden US-Import erklärt wird, gerne auch zur besten Serie überhaupt. Und das kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ja, Game of Thrones ist cool, unterhaltsam, verdammt spannend, hat echt große Momente und so weiter… Aber ein Meisterwerk? Seriously? Dafür hat das Teil einfach zu viele Mängel, zu viele Schattenseiten, und genau denen werde ich mich im folgenden Text widmen: Also gleich zwei Warnungen: Erstens, es wird jetzt erst einmal gehässig. Wessen Fanherz das nicht verkraftet, der sollte nicht weiterlesen. Fanboy/girl-Rage bitte unten in die Comments. Zweitens, der folgende Text ist voller Major-Spoiler. Wer die ersten drei Staffeln Game of Thrones noch nicht gesehen hat, und die Serie noch ungespoilert genießen will, sollte ebenfalls aufs Weiterlesen verzichten. Ich habe die Bücher btw. auch nicht gelesen und habe es auch nicht vor: Vorwürfe nach dem Prinzip „Das ist in den Büchern aber ganz anders/ Das solltest du nicht unterschlagen“ können mir daher gestohlen bleiben. Und jetzt viel Spaß mit meinem vollkommen objektiven, die Serie ins rechte Licht rückenden Rant: Why Game of Thrones sucks… zumindest ein bisschen…

Der holprige Beginn

Selten zuvor habe ich eine Serie erlebt, die sich derart schwer darin tut, ihre Protagonisten und Parteien vernünftig vorzustellen. Das war auch der Grund, warum ich beim ersten Schauen (lange ists her) entnervt nach einigen Folgen aufgegeben habe. Klar, das ist kein Major-Flaw, und das Problem wird spätestens gegen Ende von Staffel 1 besser (auch wenn es sich nie komplett auflöst), aber Game of Thrones macht es seinen Zuschauern maximal schwer, vernünftig in das Geschehen einzusteigen. Im Grunde ist es nicht verkehrt, wenn eine Serie ihr Publikum in die Handlung wie ins kalte Wasser wirft: verschiedene Parteien, konkurrierende Interessen, Intrigen etc… dann aber bitte so, dass man wirklich ins Geschehen hineingerissen wird und nicht das Gefühl hat, erst einmal Stammbäume und Landkarten studieren zu müssen, um wirklich Spaß an den Ereignissen zu haben. Mancher Zuschauer mag das komplex nennen, wie Game of Thrones ihn zu Beginn mit Häusern, Personen und Ereignissen ohne nähere Erläuterung überrennt. Ich nenne es einfach „Schlechtes Storytelling“. Insbesondere, weil es auch weitaus komplexere Serien gibt, die ihre Einführung weitaus gekonnter beherrschen, ohne dabei zum Overexplaining zu neigen: Man denke nur an Twin Peaks (wo immerhin auch eine ganze Stadt im Mittelpunkt steht). Selbst konfusen – weniger guten – Serien wie Lost ist es weitaus besser gelungen, ihre ebenfalls stattliche Anzahl an Protagonisten vernünftig zu etablieren. Game of Thrones erzählt zu Beginn einfach zu viel und vertieft zu wenig. Nochmal, das ist kein Anzeichen von besonders gehobenem Anspruch oder intellektueller Tiefgründigkeit, sondern einfach nur ein nerviger Overkill an einem pseudo-komplexen Beziehungsgeflecht zwischen Menschen, Familien und Orten.

Die eindeutige Gut/Böse-Zuordnung…

Pseudokomplex, weil… die Rollen einfach mal viel zu klar verteilt sind. Da können Fans mir noch so viel von differenzierter Charakterzeichnung erzählen, bei Game of Thrones sehe ich diese einfach nicht. Die Sympathien sind eindeutig: Die Starks sind die guten, edlen Nordmänner, die Lannisters sind die durchtriebenen, arroganten und degenerierten Bösewichter aus dem Süden. Der Mordversuch an Bran durch Jamie, das arrogante immer bösartiger werdende Verhalten Joffreys, die Durchtriebenheit Cerseis… selbst wo diese Negativbesetzung des Hauses Lannister aufgebrochen wird, natürlich im Badass-Sympathieträger Tyrion, wird sie auch schon im Ansatz relativiert, da dieser als Fremdkörper innerhalb seiner Familie dargestellt wird (selbiges gilt auch für den eindeutigen Unsympath im Hause Stark, Theon Greyjoy, der abstammungstechnisch nicht einmal zu der edlen Familie gehört). Und auch außerhalb der prominenten Familien werden die Figuren so eindimensional gezeichnet, wie es eben möglich ist. Praktisch jeder Charakter lässt sich mit ein, zwei Tributen bestens belegen und damit dann auch gleich in ein gut/böse-Schema – oder die erweiterte D&D-Version von chaotisch/gut, rechtschaffend/böse etc. – einordnen. Die gute Daenerys und ihr böser Zwilling Visery, der Rauhe-Schale-weicher-Kern Krieger Khal Drogo, der an allem desinteressierte, hedonistische Robert Baratheon, die edel leidende Sansa Stark… Doch, doch, wir wissen schon ziemlich früh, wen wir mögen und wen wir hassen sollten.

…und der misslungene Versuch, diese aufzubrechen

Um so merkwürdiger wird es dann, wenn Game of Thrones versucht, gehasste Charaktere plötzlich sympathisch und ungehasste Charaktere plötzlich als „schwierig“ darzustellen. Nein, verdammt nochmal: Da kann Jaimie Lannister noch so vergnügt einen verbalen Schlagabtausch nach dem anderen mit Brienne liefern, da kann er noch so rührende Geschichten über seinen Werdegang erzählen. Der Mann hat ein Kind aus dem Fenster gestoßen und zum Invaliden gemacht. Ihr schafft es nicht mehr ihn zum sympathischen Badass werden zu lassen. Egal was ihr versucht. Selbiges gilt für Theron: Soll ich tatsächlich Mitleid mit ihm bekommen, weil er gefoltert wird? Never ever. Das klappt einfach nicht. Dafür war er zuvor einfach zu schleimscheißerisch arschig… Ich soll Catelyn plötzlich mit anderen Augen betrachten, weil sie Jaimie freilässt und Jon Snow herablassend behandelt? Nö, dafür wird sie im Ganzen einfach zu edel, zu nachdenklich, zu sehr moralisch bemüht inszeniert. Jedes Mal, wenn Game of Thrones versucht, Tiefe in die Charakterzeichnung zu bekommen, scheitert die Serie auf ganzer Linie.

Die Klischees

Was auch einfach mal daran liegt, dass Game of Thrones in seiner Figurenzeichnung keine Klischees auslässt. Schauen wir mal: Das kleine Mädchen, das nicht mit Puppen spielen sondern Kämpferin werden will und dessen Wunsch sich in einem großen Abenteuer erfüllt? Check! Der edle Krieger, der den Intrigen am Hof mit radikaler Ehrlichkeit begegnet und daher sein Leben verliert? Check! Der kleine Außenseiter, der intelligenter als alle anderen ist und dadurch immer wieder gegen die Großen gewinnt? Check! Der sensible Außenseiter, der die Chance bekommt, sich in großen Gefahren zu beweisen? Check! Der düstere, bedrohliche Mystery-Man, der irgendwann beweist, dass er eigentlich ein guter Kerl ist? Check. Der brutale, bösartige König, dem der Thron gar nicht zusteht. Check! Die missverstandenen „Wilden“? Die durchtriebene, hinterhältige und bösartige Magierin? Der treue Gefolgsmann? Die androgyne Ritterin? Die bedingungslos liebende Mutter? Check, check, check und check. Echt, Originalität sieht anders aus.

Die übertriebene Ernsthaftigkeit

Wenn schon die Figuren in ihrer Einfachheit praktisch auch in ein Kinderbuch passen würden, wie lässt man dann seine Serie dennoch schön erwachsen wirken? Richtig: Mit Ernst! Mit Pathos! Mit Sex und Gewalt! Im Prinzip das, was Christopher Nolan mit Batman probiert hat. Das, was moderne Horrorfilme à la Saw unentweg versuchen. Das, was heutzutage jedes Videospiel von Tomb Raider bis Last of us macht. Offensichtlich reichen schon ein paar herausgerissene Gedärme und Full-Naked-Scenes, um eine Geschichte in den erwachsenen Status zu heben. Aber kindliche Simplizität bleibt simpel, auch wenn sie mit Kübeln von Blut übergossen wird. Da macht Game of Thrones keine Ausnahme. Eher irritiert bisweilen die mitunter vollkommen demotivierte Gewalt, enttarnt sie sich doch schnell selbst als Effekt, dessen Ziel vor allem die Affekt-Stimulation ist. Klar, das funktioniert oft genug, und zu Beginn hat man als Zuschauer auch das Gefühl „Boah! Die trauen sich was!“ Aber irgendwie nutzt es sich dann auch ziemlich schnell ab. Irgendwann rollt man doch genervt mit den Augen und denkt sich nur: Ja, ich habs verstanden: Ihr seid mutig und brutal und dreckig und düster… aber herrgott, erwachsener werdet ihr dadurch auch nicht.

Die Unfähigkeit, ein Szenario wirklich zu erzählen

Und schließlich, der meiner Meinung nach größte Schwachpunkt der Serie: So viele tolle Szenarien, so viele Möglichkeiten mit diesen zu arbeiten… und sie bleiben einfach ungenutzt. Game of Thrones ist Narration mit ADHS, gesegnet mit einem ungemein nervtötenden Konzentrationsmangel und der Unfähigkeit bei einer Geschichte wirklich mal dabei zu bleiben. Ich spreche nicht von der episodischen Struktur, die ist gut gelöst: Ich spreche von den Ereignissen selbst: Eddard Stark am intriganten Hofe? Viel Potential für spannendes, tiefgründiges Storytelling… Bereits in Staffel 1 durch „einen Kopf kürzer“ aufgegeben. Jon Snow an der Mauer… die Chance für packende und düstere Paranoia, einen langsamen Spannungsaufbau, für unheimliche nächstliche Begegnungen… ach was solls, ab in den Norden zu den Wildlingen mit ihm. Daenerys verheiratet mit Khal Drogo. Unterwegs mit den Dothraki und ihrem ehrgeizigen Bruder… Was eine spannende Dreieckskombination. Hineinfinden in die Gruppe, Konflikte mit der eigenen Herkunft, eine sich entwickelnde Liebe… Ach nee, der Bruder nervt: Zieht ihm eine goldene Krone auf. Hmmm… und was machen mir jetzt mit Khal? Och der kann dann ja eigentlich auch gleich sterben. Heh, eine interessante Stadt: Qart. Intrigen, Oberflächlichkeit… Och nöö diese Hexenmeister und ihr Haus der Unsterblichen scheint spannender… zumindest für eine Folge… Ach was solls, weiter gehts… Arya arbeitet für Lord Tywin… Cool! Was wenn er vielleicht, oder sie, oder… ohh da ist sie schon wieder auf Wanderschaft…

Und dieses Prinzip zieht sich durch die ganze Serie, betrifft praktisch jeden Charakter, jedes Szenario. Immer wieder denkt man: „Wow, das könnte spannend werden!“ Nur um dann ein oder zwei Folgen später zu erleben, dass das interessante Szenario wieder beendet ist. Gerade so, als hätte Game of Thrones Angst vor zu viel Tiefe, davor, eine Geschichte wirklich mal zu erzählen. Das ist vor allem so schade, weil die entworfenen Geschichten mitunter echt verdammt gut, originell und interessant sind. Man möchte, dass damit was gemacht wird, dass das Szenario entfaltet, inszeniert, erzählt wird und dadurch Anspruch und Tiefe gewinnt. Nichts dergleichen. Die gelungenen Geschichten bleiben im Ansatz hängen und werden von der nächsten Geschichte abgelöst. So entwickelt sich weder Spannung noch Tiefe und die Szenarien scheinen so, als würden sie nur dazu dienen, die Charaktere weiter zu bringen… oder besser gesagt, weiter stolpern zu lassen. Das ist kein besonders tiefgründiges Storytelling sondern einfach ein unentwegter Griff in die Ideenkiste… ein Stakkato-Run durch die einzelnen Ideen, ohne diese jemals Geschichte werden zu lassen. Darunter leiden Dramaturgie und Narration ebenso wie Pacing und Timing. Game of Thrones bleibt an der Oberfläche der sich schnell abwechselnden Ereignisse. Angst vor zu viel Entwicklung, Angst davor, ein Szenario könnte sich abnutzen, Angst in die Tiefe zu gehen? Keine Ahnung, woran es liegt. Mit dieser narrativen Feigheit wird auf jeden Fall ne Menge Potenzial verschenkt… und als Zuschauer fühle ich mich immer wieder herausgerissen aus einer eigentlich tollen Atmosphäre.

Warum Game of Thrones trotzdem cool ist…

Ja verdammt, ich habe trotzdem viel Spaß mit dieser Serie. Ich könnte mir die Antwort auf das „Warum?“ jetzt einfach machen und sagen: Wegen Tyrion Lannister. Das ist einfach mal der coolste, intelligenteste und interessanteste Bad-Ass-Charakter, den ich seit Walter White im Fernsehen sehen durfte. Aber es gibt auch noch andere Gründe: Dank der ADHS-Narration und der Courage auch Protagonisten – bis zu DEM Sympathieträger in Staffel 1 – sterben zu lassen, hat Game of Thrones jederzeit etwas angenehm Unberechenbares. Viel zu viele Serien und Filme sind viel zu feige, wenn es um ihre Tode geht. Hier kann echt jeder sterben, egal wie sympathisch und beliebt er bei den Fans ist. Auch die zahllosen WTF-Momente halten mich bei der Stange: Immer wenn ich als Zuschauer kurz das Gefühl bekomme, es könnte jetzt doch etwas berechenbar werden, passiert einfach etwas, was meinen Atem stocken lässt. Sei es die Geburt der Drachen in Staffel 1, die Geburt des Dämonen in Staffel 2 – und der anschließende Tod eines echt sympathischen Charakters -, seien es die unerwartet krassen Folterszenen oder die wirklich brutale Entlarvung eines fast liebgewonnenen Schlitzohrs als grausames Monster (Yeah! Lord Baelish is an ass. But he rocks!). Sicher darf man sich nie sein.  Jede Minute, jede Sekunde lauert ein 180°-Turn. Außerdem stimmt die Atmosphäre. Klar, dieser düstere, dreckige Mittelalter-Look ist jetzt auch nicht soooo originell, aber im Gegensatz zu anderen Medieval-Fantasy-Szenarien wird dankenswerterweise auf jede Romantisierung, jeden Pathos der Glorie verzichtet. Man kämpft nicht für Freiheit, Vaterland oder krude Ideen von der Rettung der Welt. Die Kriege haben – selbst wenn von den Sympathieträgern gefochten – nichts Heroisches. Es geht eben doch einfach um den fucking Kleinkrieg zwischen mehreren herrschsüchtigen Familien. Da sind die Starks im Grunde auch nicht besser als die Lannisters, opfern zahllose Soldaten auf dem Schlachtfeld, nur um zwei Familienmitglieder zu retten, ein wenig Rache zu üben und ihren Teil vom Kuchen abzubekommen. Eine angenehme Abwechslung zu überpathetischen „Wir retten die Welt“ Fantasy-Schinken wie Lord of the Rings (wenn ich dazu meine Meinung veröffentlichen würde, würde ich gleich den nächsten Fanboy/Girl-Rage riskieren).

Also, summa sumarum: Game of Thrones macht Spaß! Ich mag die Serie! Es gibt keinen Grund, in den Comments auszurasten! Aber von einem Meisterwerk ist dieses Drache-, Zombie-, Ritter- und Hofspektakel meilenweit entfernt. Zu viele Schwächen, zu viele nervige Kleinigkeiten. Spaß macht es zweifellos… warum es aber DIE Serie sein soll, wird sich mir wohl in diesem Leben nicht mehr erschließen. In diesem Sinne: I swear to you, sitting a throne is a thousand times harder than winning one!

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