Why House of Cards sucks… a little bit
Serien-Sucker Artikel Nummer 4. Nach The Walking Dead, American Horror Story und Game of Thrones muss dieses Mal das politische Treiben von Frank Underwood dran glauben. Warum? Weil es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern wird, bis ich mich von meinem persönlichen Breaking Bad Hype erholt habe. Bis dahin wird jede aktuelle und kommende große Big Budget AAA TV-Serie erst einmal mit Argusaugen betrachtet, unabhängig davon, wie gut sie ist. Auch House of Cards hat mich in seinen ersten beiden Staffeln prächtig unterhalten. Auch House of Cards habe ich regelrecht weggesuchtet (so wie man es heutzutage halt bei guten Serien macht). Ändert nichts daran, dass sich in dem Netflix-Exklusivprodukt eine Menge kleiner und größerer Schwächen finden lassen, dass es immer wieder Momente gibt, in denen man sich einfach nur fragen kann „Warum?“. Jepp, House of Cards, der erste wirklich überzeugende Politthriller seit Jahren, rockt… gewaltig. Die Serie nervt aber auch ein bisschen. Und die Gründe dafür folgen auf den Fuß. Why House of Cards sucks. Nitpicking auf 3… 2…. 1….
Das Fehlen sympathischer Protagonisten
Fangen wir mal klein an: Natürlich scheint es erst einmal ziemlich albern, wenn jemand, der Breaking Bad bedingungslos liebt, sich darüber mokiert, dass eine andere Serie keine sympathischen Protagonisten zum Mitfiebern und Mitleiden zu bieten hat. So unsympathisch und gruselig Walter White / Heisenberg im Laufe von Breaking Bad auch wird, gibt es allerdings doch einen radikalen Unterschied zum fehlenden Sympathiefaktor der Protagonisten von House of Cards: Egal wie viel er mordet, wie viel er betrügt, wie sehr er Grenzen überschreitet, Heisenbergs Motivation bleibt stets plausibel und ist immer mehr als bloße, nackte Bösartigkeit. Bei Frank Underwood ist das anders: Bei ihm regieren ganz allein die Gier, die Sucht nach mehr Macht, der Opportunismus und die Hinterhältigkeit. Es gibt keine spezifischen Szenen, die nachvollziehbar machen, warum er so geworden ist, keine Momente des Altruismus, die diese Dunkelheit aufbrechen könnten, keine feinfühlige Psychologie oder Empathie. Underwood ist so wie er ist… und das ist nicht weniger als der Super Villain in einem Politthriller.
Aber auch die anderen Protagonisten – seien sie nun Freunde oder Gegenspieler Underwoods sind durch die Bank unsympathisch gezeichnet: Der Präsident? Ein schwacher Jammerlappen, der sich von allen Seiten viel zu sehr für kleinste Intrigen missbrauchen lässt. Zoe Barnes? Eine kaltschnäuzige Reporterin, der die gute Story über alles geht und die dabei wohl auch dazu bereit wäre, Leichen in Kauf zu nehmen. Peter Russo, ein passiver, standpunktloser Spielball anderer politischer Akteure. Doug Stamper, nicht mehr als der lange Schatten Underwoods, der keine Skrupel kennt, wenn es darum geht, seinem „Boss“ den Rücken freizuhalten. Und auch Claire Underwood ist nicht viel mehr als eine von Ehrgeiz zerfressene, kaltherzige Karrieristin ohne auch nur ein einziges Ideal, das man in ihrer Branche noch am ehesten erwarten dürfte.
Damit sei nicht gesagt, dass die verschiedenen Akteure langweilig oder eindimensional wären, keineswegs, aber wirklich mitfühlen oder mitfiebern kann man mit keinem einzigen von ihnen. Im besten Fall hassliebt man sie, in den meisten Fällen hasst man sie einfach nur, und in den schlimmsten Fällen ist dem Zuschauer ihr Schicksal einfach egal, weil er sie längst als menschlichen Abschaum abgestempelt hat.
Die simplen Problemlösungen und Grenzüberschreitungen
Ein gewisses „I don’t care!“-Gefühl wird auch dadurch erzeugt, dass die Konflikte von House of Cards – so groß, gefährlich und nervenaufreibend sie auch sein mögen – manchmal, leider zu oft auf allzu simpelste Weise gelöst werden. Der Ursündenfall der Serie ist diesbezüglich bereits in Staffel 1 zu finden, wenn Underwood gezwungen ist, sich mit einem renitenten Gewerkschaftsführer auseinanderzusetzen. Wie löst er den Konflikt? Durch große Intrigen, geschicktes Manövrieren, die Strategie eines echten Staatsmannes? Nope. Stattdessen trifft er sich mit dem Gewerkschaftsboss unter vier Augen und provoziert diesen so lange, bis der ihm schließlich ordentlich eine langt. Die daraus entstandene offensichtliche Wunde scheint genug zu sein, um dem (von Underwoods Bösartigkeit und seiner eigenen Unbeherrschtheit) überraschten Konkurrenten einen Kompromiss abzuwringen. Das ist wirklich Problemlösung auf unterstem Kindergartenniveau und dem raffinierten, zuvor klug taktierenden Wesen Underwoods einfach nur unwürdig.
Und nach diesem Sündenfall ziehen sich die simplen Problemlösungen leider wie ein roter Faden durch die Serie, garniert mit Grenzüberschreitungen, die in ihrer Brutalität zwar den Zuschauer treffen, in ihrer Plumpheit aber irgendwie nie so ganz zum Charakter des Protagonisten passen wollen: Die Morde zum Beispiel, Underwood würde sich nie im Leben auf derart radikale Weise die Hände selbst schmutzig machen (wozu hat man denn Lakaien?), die mitunter fast schon albern leicht zu durchschauenden Intrigen, die Überredungskünste aus dem Grundkurs der Reverse Psychology, und so weiter und so fort. Viel zu oft wird es Underwood einfach viel zu leicht gemacht. Und sein Charakter wirkt dadurch plumper und unkreativer als er in Wirklichkeit ist, wie so manch andere raffinierten Schlachtpläne Gott sei Dank noch oft genug zwischendurch unter Beweis stellen.
Die permanente Überzeichnung
Damit eng verwandt sind die permanenten Überzeichnungen der Serie, die in einem satirischen Kontext natürlich grundsätzlich kein Problem sind… aber bei all seinen Absurditäten kann sich House of Cards nie so ganz entscheiden, ob es nun ernsthaftes Drama, spannender Politthriller oder doch bissige Parodie auf den Politbetrieb sein will. Daraus resultierend passen satirisch überspitzte Szenen oft nicht zu kurz zuvor mit großem Pathos aufbereiteten Dramenelementen, spannende Thrillermomente zerschießen komplett den Humor vorheriger spitzbübiger Comedyelemente und tragische Momente werden vollkommen untergraben von anschließenden parodistischen und selbstreferenziellen Taschenspielertricks. Nichts gegen ein Oszillieren zwischen den Genres, aber wenn jedes Genre für sich bereits eine Überzeichnung des Genres selbst darstellt, wenn der Thrill übermäßig packend inszeniert wird, die Karikatur übertrieben karikierend und die Tragik übertrieben theatralisch, dann wird umso deutlicher, wenn diese so divergierenden Momente miteinander kollidieren.
Futter für Politikmüde, Demokratieverdrossene und Verschwörungstheoretiker
Vielleicht gar nicht so sehr ein Fehler der Serie aber mit Sicherheit ein Problem, dass durch unreflektierte Rezeption von ihr getriggert wird: Alles in House of Cards ist Intrige, alles in House of Cards ist Verschwörung, konspirativer Opportunismus und brutalst möglicher Egoismus: Ein – im satirischen, überdrehten Gewand sicherlich notwendiger – permanenter Schlag in die Fresse des politischen Diskurses, der leider von viel zu vielen Zuschauern für bare Münze gehalten, als nackte Realität wahrgenommen wird. Und so wird dann auch gerne mal aus der Verschwörungstheoretikerecke, von antidemokratischen Ideologen und populistischen Demagogen auf das Geschehen der Serie zurückgegriffen, um zu beweisen, wie verkommen die Demokratie und politische Öffentlichkeit sind. Es mag nicht die Schuld der Serie sein, wenn Zuschauer nicht in der Lage sind an der Realität angelehnte Überzeichnungen in einem satirischen, fiktionalen Kosmos wahrzunehmen, aber nichtsdestotrotz kann sich dies als Gift im politischen Diskurs offenbaren, insbesondere hierzulande, wo das Treiben von Underwood und Konsorten gerne mal als Legitimierung von plumpem Antiamerikanismus, stupider Demokratiefeindlichkeit und von Stereotypen durchsetzten Konspirationstheorien und – Ideologien herangezogen wird.
Warum House of Cards trotzdem rockt…
Kevin Spacey…
Verdammt ist dieser Mann in dieser Rolle gut: Süffisant, charmant, bösartig, über Leichen gehend… Kevin Spacey scheint in seiner charismatisch trockenen Art, mit seiner diabolischen Spitzbübigkeit wie geschaffen für die Rolle des gnadenlosen politischen Aufsteigers. Und er spielt diese Trümpfe perfekt aus. Oh, wie man liebt es ihn zu hassen! Wie man hasst es ihn zu lieben! Und wie man sich permanent dabei erwischt ihm trotz kompletter Amoralität jedes Mal erneut die Daumen zu drücken. Perfektes Schauspiel in einer grandiosen Rolle von ein wirklich großen Schauspieler. Mehr ist dazu nicht zu sagen…
…und der restliche Cast
…außer vielleicht, dass es auch beim anderen Cast nicht viel anders aussieht. Egal ob Robin Wright, Cate Mara oder Michael Kelly. Alle Darsteller spielen ihre Rollen hervorragend: Ihre Stärken, ihre Schwächen, ihre verborgenen und sehr oft offensichtlichen dunklen Seiten. Selbst wenn irgendwie alle Charaktere in House of Cards potentielle Unsympathen sind, gewinnt man sie doch lieb, weil jeder auf seine Weise aus diesen schwachen, gnadenlosen, selbstsüchtigen, über Leichen gehenden Protagonisten das beste herausholt. House of Cards ist bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt, weist eine herausragende Schauspielregie auf und wird dadurch zu einem abgründigen Sittengemälde eines verkommenen Politzirkus.
Das hervorragende Skript
Ein Skript, das gleich in zweierlei Maß begeistert: Zum einen die Zeichnung eines komplexen Netzes, in das zahllose Personen verstrickt sind, in dem aber dennoch niemals – wie in so vielen anderen Politthrillern – die Übersichtlichkeit verloren geht. Die Fäden laufen zusammen, auseinander, werden kurz gelöst, nur um anschließend wieder in einem fulminanten Knoten stramm gezogen zu werden. Das Drehbuch von House of Cards vergisst nie etwas. Und was zu Beginn einer Staffel noch eine Bagatelle zu sein schien, offenbart sich plötzlich gegen Ende der selben Staffel als entscheidendes Knotenende, um die Handlung weiter zu treiben. House of Cards ist fortlaufende Seriennarration auf dem höchsten Level, der es immer wieder gelingt in einzelnen Episoden das große Ganze zu betonen, an Zusammenhänge zu erinnern und diese in Formvollendung fertig zu knüpfen.
Und zum zweiten, natürlich die Dialoge: Die sich nie Blöße geben, die immer auf den Punkt sind, eine Menge Ballast der Gesamthandlung und Charakterentwicklung mit sich tragen und dennoch in ihren spezifischen Momenten die richtigen, in diesen Momenten passenden, Töne anschlagen. House of Cards birgt die besten Dialoge (und Monologe) des vergangenen Serienjahrzehnts: Clever, pointiert, plausibel, manchmal komisch, manchmal tragisch, manchmal atemberaubend… jedoch immer den Geist der gesamten Serie in sich tragend.
Der atemberaubende Rhythmus
Und wie sich die Serie dann von Dialog zu Dialog, von Handlungsstrang zu Handlungsstrang durch ihre Gesamterzählung hangelt, das verdient schon besonderen Beifall. House of Cards ist oft Politthriller auf Speed, sprintet von einer menschlichen Katastrophe zur nächsten und findet ganz unerwartet genau im richtigen Moment die Zeit durchzuatmen. Welch ein grandioses Pacing, das sowohl in den einzelnen Episoden als auch im gesamten Staffelverlauf beibehalten wird! Ein Rhythmus, der die Serie nie langweilig werden lässt, aber ebensowenig überfüllt oder überlädt. Der politische Kampf als perfekt durchkomponiertes Musikstück zwischen High Speed Passagen, eleganten Bridges, elegischen Melodien und Momenten purer Ruhe und Zurückgezogenheit. Drehbuch und Inszenierung gehen hier Hand in Hand und zaubern einen ganz eigenen mitreißenden Kosmos.
Die satirische Überzeichnung
Ja verdammt, das Geschehen in diesem Kosmos ist mitunter ein Schlag in die Fresse der Demokratie. Es ist mitunter pures Hohngelächter auf politischen Idealismus, eine bösartige Abrechnung mit Volksvertretern, mit demokratischen Idealen, mit der Korrumpierbarkeit eines ganzen Systems! Und genau in dieser Bösartigkeit schlicht notwendig. Hinter all seiner Eleganz birgt House of Cards enormes subversives Potential, indem es das Böse in den heiligen Hallen der Politik nicht einfach nur darstellt, sondern uns auch zu seinem Komplizen macht: Wenn Underwood süffisant, die vierte Wand brechend, mit dem Publikum flirtet, sich mit einer „Scheiße, ich muss mich nicht rechtfertigen“-Attitüde rechtfertigt, mit teuflischem Charme um die Gunst des Zuschauers wirbt, hat er uns im Sack… und beweist damit, dass wir nicht einfach nur unschuldige Zuschauer sondern auch Komplizen von Korruption und Egoismus, von Opportunismus und Narzissmus sind. Dann erlebt die Serie ihre stärksten Momente, wenn sie eben nicht dem verschwörungsideologischen Zuschauer Futter für sein „Die da oben!“ gibt sondern ihm auch gleichzeitig einen „Auch du!“ Spiegel vor sein verdutztes Gesicht hält. Ironischerweise bricht House of Cards in seiner satirischen Selbstreferenzialität die Grenzen von oben und unten auf und lässt seinen Hauptschurken durch sein Identifikationspotential menschlich, allzu menschlich erscheinen und enttarnt damit die Unmenschlichkeit seines eigenen Publikums, das sich – Ambiguitätstoleranz vorausgesetzt – nicht mehr hinter einem Schimpfen auf „die da oben“, verstecken kann, sondern erkennen muss, dass ein Frank Underwood und eine Claire Underwood in jedem von uns schlummern.
Eleganz und Sexappeal
Was auch gar nicht so schlimm zu sein scheint, wenn man bedenkt, wie elegant, stilsicher und auch einfach nur sexy diese abscheulichen Protagonisten doch sind. Und nicht nur die: Das gesamte Setup von House of Cards ist heiß… verflucht heiß. Von wegen langweiliger Politikalltag, von wegen graue und verstaubte Büros, von wegen Akten wälzen und langweilige Diskussionen führen! Politik ist in House of Cards auch immer purer Sex: Erotisch, verführerisch, wunderschön… Man fiebert mit den Underwoods mit, weil sie den Kampf um die Macht genießen, so etwas wie Erotik in dieses alltägliche Spiel hineintragen: Die Blicke, die Gestik, die Mimik. Immer wenn House of Cards sich vom Realismus entfernt, um den politischen Alltag als spannendes, antiromantisches, adrettes Katz- und Mausspiel darzustellen, wird es zu purem politischen Eskapismus, zu einem Erotikfilm, dessen Inhalt nicht unbedingt (aber auch) sexuelles Begehren ist sondern viel mehr Macht, Geld und Einfluss. Ein schicker Balztanz auf dem politischen Parkett: Böse? Ja. Aber auch nobel, erlesen und pittoresk: Der Transfer der Dramaturgie klassischer Sittengemälde der Vormoderne in den postmodernen Politikbetrieb. Scheiß drauf, dass dies nicht viel mit der weitaus trockeneren, langweiligeren Realität gemein hat! Wir schauen gebannt zu und lieben es, Teil dieser eleganten, dämonischen Welt zu sein.
So…
…Falls noch Zweifel bestehen: Ich liebe diese Serie, den Reigen, die Bösartigkeit, die Überzeichnung, ja selbst die Schwächen wie das manchmal etwas zu schnelle Oszillieren zwischen Satire, Drama, Sex and Crime. Ich liebe den Sex-Appeal seiner Protagonisten, die Dunkelheit und Abgründigkeit seines Geschehens, die Überspitzungen und Übertreibungen und vor allem die unfassbar schicke Atmosphäre. Und so kann ich auch gut und gerne über größere Schwächen wie die viel zu simplen Problemlösungen, das Fehlen wirklicher Sympathieträger und die offene Frage „Wie zur Hölle soll es nach dem Ende von Staffel 2 noch weitergehen?“ hinwegsehen. Falls Ihr es noch nicht getan habt: Gebt euch House of Cards; selbst wenn ihr – wie ich – keine großen Politthriller-Fans seid. Diese Serie besitzt alles, was einen zeitlosen TV-Klassiker ausmacht.
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2 Antworten auf “Why House of Cards sucks… a little bit”