SciFi-Kurzrezensionen: The Congress, Interstellar, Young Ones, Apollo 18, Alles eine Frage der Zeit

Zum Start von 2015 und Rückblick auf das vergangene Jahr, noch einmal Science Fiction satt. Nicht alle der hier rezensierten Filme stammen aus dem Jahr 2014, aber alle habe ich irgendwann in den letzten Monaten gesehen. Und so ziemlich alle – abgesehen von Interstellar – findet Ihr auch mittlerweile in eurer Videothek des Vertrauens. Wenn es also für das Ende von 2014, für den Beginn von 2015 noch einmal futuristisch, spacig, prophetisch werden soll, werdet Ihr hier bestimmt den ein oder anderen potentiellen Kandidaten für einen gemütlichen Filmabend zwischen den Jahren zum Jahresauftakt finden.

The Congress [Ari Folman]

(Frankreich, Israel, u.a. 2013)

Krass. Der letzte Film von Ari Folman (Waltz with Bashir) hat mich voll erwischt. Mal abgesehen davon, dass ich nicht wusste, was mich erwartet (auf Teaser, Klappentexte etc. vor dem Filmgenuss zu verzichten, rockt!), wurde mir auch erst bei den Credits bewusst, dass ich hier das neue Meisterwerk des israelischen Ausnahmeregisseurs vor mir habe. Und was für ein gottverdammtes – leider im Filmjahr 2013 ein wenig untergegangenes – Meisterwerk das ist! Als erstes die Tatsache, dass wir hier eine freie, sehr freie Verfilmung von Stanislaw Lems Futurologischem Kongress vor uns haben; so verklausuliert, dass es dem Zuschauer tatsächlich erst zur Mitte der Filmhandlung auffällt. Zum zweiten die Tatsache, dass hier tatsächlich genuin Zeichentrick- mit Realfilm kombiniert wird. Und zum dritten die Tatsache, dass wir es mit dem schönsten selbstreferenziellen metafilmischen Trip seit Being John Malkovich zu tun haben. Und damit bin ich gerade noch bei den Basics dieses durch und durch verzaubernden Meisterwerks: Von der genialen Aktualisierung des interpretierten Stoffes, der großartigen Schauspielleistung und dem verzückend surrealen Script habe ich noch gar nicht angefangen.

Die Schauspielerin Robin Wright (bekannt als „Jääännyyyy“ aus Forrest Gump und aktuell als eiskalte Gattin in House of Cards) bekommt das lukrative Angebot, ihr gesamtes Ich von einem großen Hollywoodstudio digitalisieren und konservieren zu lassen. Die Filmemacher wollen mit der neuen Technik, die dies ermöglicht, endlich eines der kompliziertesten und teuersten Elemente des Filmdrehs, den Schauspieler, los werden und diesen durch leicht zu kontrollierende digitale Abbilder ersetzen. Bestandteil des Deals ist es, dass Robin ab sofort nicht mehr als Schauspielerin und öffentliche Person auftreten darf, dafür aber mit genug Geld entschädigt wird, um ein sorgenfreies Leben zu führen. Trotz einiger Bedenken, stimmt sie schließlich zu, lässt das Prozedere über sich ergehen und zieht sich aus dem Business zurück. 20 Jahre später: Die Welt hat sich verändert, in seinem Digitalisierungswahn hat Hollywood die Kunst und das Leben entscheidend geprägt und ganz neue Formen der Wahrnehmung geschaffen. Eine gealterte Miss Wright ist auf dem Weg zu einem Kongress der Traumfabrik, in der die neusten Errungenschaften und Entwicklungen des digitalen Zeitalters, die vollkommene Kompensation der Realität ermöglichen sollen, präsentiert werden…

Könnte kryptisch klingen. Denn genau das ist The Congress von Anfang bis Ende. Ari Folman nutzt das Tableau von Stanislaw Lems Science Fiction Klassiker, um sich auf sehr poetische, romantische und surreale Weise mit Fragen nach der Authentizität der Kunst, des Menschen und des Lebens auseinanderzusetzen und wandelt dabei zielsicher von einem parabolischen Science Fiction Szenario zu einem philosophischen, mäandernden Trip, irgendwo zwischen Matrix, Stalker, Brave New World, Synecdoche New York und Jan Švankmajer Alice. Heraus kommt ein seltsam abgehobener Hybridfilm, der immer ein wenig neben der Spur, abseits üblicher Narrationen zu balancieren scheint und seine Themen trotzdem jederzeit plastisch und greifbar werden lässt. Irgendwie geht es um die Rolle des Kunst im Leben, um Idealismus und Pragmatismus, um die Verlockungen des digitalen Zeitalters, um das Spiel mit der Realität, um die Sedierung der Gesellschaft und die bösartige Verführung des „Glücks“…. und irgendwie geht es auch immer um mehr.

Dabei begnügt sich Folman nicht damit, die Analogie des originalen Futuristischen Kongresses – deren implizite Kritik am Sozialismus des 20. Jahrhunderts heutzutage auch eher anachronistisch wirken würde – zu übernehmen: Stattdessen transferiert er die Frage nach einem authentischen Leben perfekt in die Film-, Kunst- und Lebensbewältigungsindustrie des 21. Jahrhunderts und bleibt dabei, im Gegensatz zu seiner Vorlage, erstaunlich ambivalent: Auch wenn es zur Mitte des Films so scheinen mag, als würde hier generell mit dem digitalen Zeitalter abgerechnet, so offenbaren sich nach hinten raus doch zahllose Differenzierungen, (Selbst-)Reflexionen und offene Narrationsebenen. Das mag für viele Zuschauer zu abgehoben, zu philosophisch, vielleicht auch zu spirituell kitschig sein, Folman gelingt es jedoch gekonnt seine sehr komplexen Gedankengänge in wundervolle Bilder und stilvolle Zeichnungen zwischen Videoclip, Anime und durchgedrehten Cartoon zu packen. So wird The Congress gegen Ende beides: Nachdenklich und eskapistisch, verkopft und wunderschön, und ist damit nicht weniger als einer der besten Filme, die ich im Jahr 2014 sehen durfte. Der Traum von einer Literaturverfilmung: Der Vorlage verpflichtet und zugleich deren Rahmen sprengend, neue Gedanken einführend und diese perfekt in das Medium Film transferierend. Ein Meisterwerk von einem Hybridfilm, zwischen Trick und Realität, Text und Bild und ein weiterer Beweis dafür, dass Folman zu den begabtesten Regisseuren unserer Zeit gehört.

Interstellar [Christopher Nolan]

(USA 2014)

Um das gleich vorweg zu sagen: Haters gonna hate! Ich halte Christopher Nolan nach wie vor für einen der begabtesten Regisseure unserer Zeit. Keinem anderen Filmemacher derzeit gelingt so gekonnt der Spagat zwischen Blockbusterunterhaltung und anspruchsvollem, epischen Actionkino, kein anderer Regisseur derzeit bringt so gekonnt sowohl den Popcornjunkie als auch den Cineasten in mir zum Lächeln. Klar, wenn man einen solchen Spagat macht, zieht man automatisch die kritischen Geister an; die die entweder mehr Popcorn oder – weitaus häufiger vertreten – mehr Arthaus wollen. Die, die dir Oberflächlichkeit, Pseudointellektualität oder schlimmeres vorwerfen. Und in den letzten Jahren hat sich dadurch schon so ein kleiner Nolan-Bashing-Trend im Feuilleton entwickelt. Mir unverständlich: Waren doch sowohl die Batman-Filme als auch Inception großartige Popcornkino-Meisterwerke mit einer wohldosierten Portion Intellektualität, die sie zwar nicht zu „Kunstfilmen“ werden lässt, aber doch wohltuend von den Epen eines Cameron oder Spielberg abhebt. Warum ich das alles sage? Weil – so sehr ich Nolan auch liebe – mit Interstellar hat er sich übernommen. Leider.

Dabei ist Interstellar alles andere als ein Totaldesaster: Das Set Up ist stimmig, die Bilder sind monumental, die Story beginnt vielversprechend… und der Film bietet eine verdammt immersive Dystopie in seinem ersten Drittel und verdammt immersiven Science Fiction Thrill in seinem zweiten Drittel, und das obwohl er schon in diesen beiden unfassbar viel falsch macht: Das beginnt beim merkwürdigen Pacing, das seinen Rhythmus äußerst inkonsistent zwischen episch langsamer Narration und plötzlich überhasteten Storytelling oszillieren lässt. Das geht weiter bei dem unbeholfenen Springen zwischen verblüffend akkurater Wissenschaftlichkeit und ärgerlich naivem pseudowissenschaftlichen Kauderwelsch. Das betrifft die komplett deplatzierten humoresken Ausflüge ebenso, wie das mitunter krude unlogische Verhalten annähernd aller Protagonisten. Und es endet damit, dass die spannendsten Charaktere viel zu wenig Leinwandzeit spendiert bekommen. Aber Nolan, wäre nicht Nolan, wenn er nicht selbst seine Schwächen irgendwie im Griff hätte (oder zumindest gut kaschieren könnte). So sehr sich die Fehler auch häufen, so unfassbar gekonnt zieht Interstellar seine Zuschauer in den Bann. Und das liegt primär an Nolans Regiekunst: Der Mann weiß einfach, wann er mit großen Bildern verzaubern muss, wann es notwendig ist, auf der Klaviatur der Gefühle zu spielen, wann es Zeit für trockene Dialoge ist und wann das Epikmonstrum zuschlagen muss. Trotz aller Schwächen überrollt Interstellar das Publikum mit schierer Größe, mit dem Versprechen auf mehr, immer mehr. Ähnlich wie Inception wohnt diesem ständigen Treiben, diesem ständigen Fordern, diesem ständigen Streben etwas fast schon Rauschhaftes inne. Auf dem Höhepunkt ihrer Kunst ist die Inszenierung von Nolan quasi cineastisches Heroin: Man will als Zuschauer mehr, immer mehr, lässt sich verführen, hinauf- und hinabziehen, versinkt im Nolanschen Kosmos und ist ganz und gar berauscht von seinen gewaltigen, gefangen nehmenden Ideen…

…und dann verkackt er es. Aber so richtig! Wie gesagt, trotz ihrer Schwächen sind die ersten beiden Drittel von Interstellar großes, ganz ganz großes Kino. Aber was zur Hölle hat Herr Nolan geritten uns diesen Schluss zu präsentieren? Okay, wir sind hier im Science Fiction Genre: Da gehören Gedankenexperimente mit Quantenphysik und Relativität dazu, da darf das Science auch mal zurücktreten und etwas mehr Fantasie, etwas mehr Spiritualität den Platz räumen. Aber warum zur Hölle muss dies derart kitschig inszeniert sein? Woher kommt plötzlich dieser unfassbar grauenhafte Eso-Einschlag? Gerade nachdem der Film zuvor so nüchtern mit seinen Sci-Fi-Dispositionen umgegangen ist? Das letzte Drittel dieses Films ist ein einziges Ärgernis: Klebrig, plump, ungelenk, fernab jeglicher Originalität was Wurmloch- und Relativitätsphilosophie betrifft… Und was das Schlimmste ist: Es hört einfach nicht auf! Wir reden hier von einem Ende auf A.I.-Niveau, auf einem Level mit Signs, einem Ende, das keine noch so dumme Dehnung und spirituelle Erneuerung auslässt, um sich selbst zum cineastischen Heilsbringer zu erklären. So als wollte jemand unbedingt Kubricks 2001 erklären… ohne ihn selbst verstanden zu haben. Der Epilog ist eine Entzauberung des vorher gesehenen durch zu viel, zu bemühte Verzauberung. Ein pathetisches, unentschlossenes Etwas aus den Untiefen der Banalisierung  spannender Topoi wie Monadologie und Relativität. Ein kleinster gemeinsamer Nenner, der clever sein will und in Allgemeinplätzen verloren geht. Zu viel gewollt, zu wenig gekonnt, zu viel bemüht, zu wenig erreicht. Das letzte Drittel ist nicht einfach nur esoterischer Mumpitz, sondern gnadenlos langweiliger, verkitschter Bockmist. Ein Ärgernis nach herausragenden 120 Minuten davor, ein gnadenloser Bullshitregen mit Fremdschämpotential. Warum? Warum zur Hölle?

In Nolan schlummert ein kleiner Shyamalan… das ist leider der vorherrschende Gedanke, wenn man – endlich von den Credist erlöst – das letzte Drittel von Interstellar hinter sich gebracht hat. Man fühlt sich schmutzig, verraten, um ein potentiell cleveres Ende gebracht. So viele Möglichkeiten die Story aufzulösen, und Nolan hat die mieseste von allen gewählt, während der Film sich in pathetischer Selbstzufriedenheit suhlt. Schade, Interstellar hatte das Zeug zum absoluten Science Fiction Meisterwerk. Zum intensivsten Weltraumtrip seit der Odyssee im Weltraum. So bleibt vor allem der stupide versöhnliche, dummdreiste Epilog des ganzen im Kopf. Die 120 Minuten davor sollte man sich trotzdem nicht entgehen lassen. Vielleicht ist es sogar sinnvoll, den Film dann einfach im richtigen Moment auszuschalten, mit der Illusion ein durch und durch stimmiges Meisterwerk gesehen zu haben. In diesem Fall bleibt für das Ende zwar nur das Kopfkino, aber das kann gar nicht schlechter sein als sein real existierendes Äquivalent.

Young Ones [Jack Paltrow]

(USA 2014)

Hat euch das erste Drittel von Interstellar gefallen und ihr findet den Weltraum langweilig? Lieber in der Dystopie der sterbenden Erde verharrend anstatt außerhalb nach Rettung zu suchen? Ihr wollt trotzdem nicht auf Pathos und Hoffnung verzichten? Dann könnte Young Ones der richtige Film für euch sein. Es ist schon erstaunlich wie nahe die Dispositionen der beiden Filme zusammenliegen. Auch Young Ones spielt auf einer verdorrten, vertrockneten Erde, auf denen Landwirtschaftler nicht mehr vernünftig ihrer Arbeit nachgehen können und ums Überleben kämpfen. Auch in Young Ones liegen Untergangsangst und Optimismus nahe beieinander. Und auch in Young Ones steht ein einfacher Farmer zu Beginn im Mittelpunkt des Films. Anstatt seine Fühler jedoch Richtung All und esoterisch angehauchte Erlösung auszustrecken, bleibt dieses Science Fiction Drama auf dem Boden und erzählt einen traditionellen, sehr traditionellen Plot um eine Familientragödie, deren großes Vorbild William Shakespeare zu sein scheint: Ein ebenso liebevoller wie despotischer Patriarch, Liebe und Leidenschaft, Verrat und Intrigen, das ganze garniert mit einer klassischen Rachegeschichte und viel familiärem Ballast den es aufzuarbeiten gilt; willkommen im Theater des 17. Jahrhunderts, camoufliert im postmodernen SciFi-Gewand.

In diesem Kosmos versucht Young Ones die Balance zwischen nüchterner, reifer Erzählung und großem Pathos zu bewahren. Das gelingt oft, leider jedoch nicht immer. Und so plätschert die Handlung gerade im Mittelteil des Films – nach einer spannenden ersten Klimax – ziemlich unspektakulär vor sich hin. Das hochinteressante Setup wird viel zu wenig ausgenutzt und dem Zuschauer kommt mehr und mehr der Eindruck, dass die ganze Geschichte ebenso gut in den USA des 19. Jahrhunderts, im England der Barockzeit oder ganz wo anders spielen könnte. Science Fiction ohne Science Fiction quasi und damit vor allem für Freunde epischer Familiendramen ein gefundenes Fressen, weniger für Science-, Tech und Future-Enthusiasten. Immerhin hat der Film mit Elle Fanning eine der vielversprechendsten Nachwuchsdarstellerinnen an Bord und die macht auch hier ihre Sache mehr als gut, während die anderen Darsteller alle etwas unterengagiert, bisweilen sogar desinteressiert wirken. Alles in allem ist Young Ones ein visuell hochkarätiger, narrative jedoch nur knapp überdurchschnittlicher Film, der zwar nicht richtig begeistern kann, für angenehm subtilen Dystopismus und herrlich nostalgische Bühnenunterhaltung aber allemal gut ist.

Apollo 18 [Gonzalo López-Gallego]

(USA, Kanada 2011)

Found Footage Horror die Drölfte. Dieses Mal im Weltraum, angelehnt an den geplanten – aber nie statt gefundenen – Mondausflug der Apollo 18 Mission (1970). „Auf dem Mond hört dich niemand schreien“ scheint das Motto dieses kleinen garstigen Horrorflicks zu sein, der aus Interviewmaterial, Raumschiff- und Helmkameras sowie – wie es für das Genre üblich ist – vielen unübersichtlichen und verwackelten Bildern eine nette, aber alles andere als mitreißende Gruselgeschichte erzählt. Viel mehr lässt sich dazu auch nicht sagen: Entweder man steht auf das gefundene Amateurbildmaterial oder nicht. Entweder man empfindet es als klaustrophobisch, verstörend und spannend, immer nur die Hälfte des Geschehens mitzubekommen, oder man ist davon angeödet oder bekommt Brechreiz bei chaotischen Schnitten und Schwenks aus der Besserungsanstalt für betrunkene Kameramänner. Ich hatte sehr viel Spaß bei diesem – angenehm kurz und kompakt gehaltenen – Ausflug zur Dark Side of the Moon, meine Begleitung hat sich zu Tode gelangweilt: Neues wird nicht viel erzählt, und jeder der die klassischen Weltraumhorror-Zutaten kennt, wird hier einige wiederentdecken, jedoch ohne, dass es allzu sehr nach Copycat riecht. Die Inszenierung ist – wie so oft in diesem Genre – der Trumpf des Films, und in diesem Fall werden die Kameras allemal kreativer und plausibler als im x-ten Paranormal Activity Aufguss eingesetzt, auch wenn ihre Führung nicht die Klasse des aktuellsten Referenzwerkes Chronicle erreicht. Kann man sich auf jeden Fall anschauen.

Alles eine Frage der Zeit [Richard Curtis]

(Großbritannien 2013)

Und zu guter Letzt dann noch eine nette kleine Abwechslung zur üblichen Genrekost. Alles eine Frage der Zeit ist eine Zeitreisegeschichte, die wie so viele Genrevertreter um das klassische „Nein, das ist so unlogisch!“-Aufschreien nicht herumkommt, sich aber Gott sei Dank auch nie bemüht, wissenschaftliche Plausibilität vorzugaukeln. Erzählt wird die Lebensgeschichte von Tim Lake, dem am 21. Geburtstag von seinem Vater offenbart wird, dass er wie alle männlichen Mitglieder der Familie durch die Zeit reisen kann. Einzige Einschränkung: Er darf nur an Orte und zu Zeiten zurückkehren, die er persönlich erlebt hat, und damit in seinem jungen Körper die Zukunft ändern, kurz bevor es ihn zurück in die Gegenwart verschlägt. Tim denkt gar nicht erst daran, mit diesen Fähigkeiten zum Superhelden, Superschurken oder Propheten zu werden. Stattdessen nutzt er sie tatkräftig, um die Frau seines Lebens zu finden und für sich zu gewinnen.

Ja, in der ersten halben Stunde kommt „Alles eine Frage der Zeit“ als typisch britische, trockene und zugleich sentimentale RomCom mit übersinnlichem Kniff daher. Wir beobachten einen schüchternen, sympathischen, leicht geekigen Tollpatsch, wie er versucht die Manipulation der Zeit für sich zu nutzen, um ein wenig mehr Erfolg im Leben zu haben. Ein raffinierter Beginn, der sich aber ebenso als raffinierte Irreführung erweist. Denn anstatt die traditionellen Klischees romantischer Komödien durchzudeklinieren, offenbart sich diese Tragikomödie spätestens nach ihrer ersten Hälfte als astreines Biopic, dass nicht nur die Adoleszenz ihres Protagonisten, sondern gleich auch seinen halben Lebensweg erzählen will. Anstatt in den wilden Twenties hängen zu bleiben, gehen wir weiter, durch die erste große Beziehung, über die Ehe, den Beruf, Freundschaften und Feindschaften, Probleme in der Familie bis hin zu den Sorgen und Nöten eines gestandenen erwachsenen Mannes.

Damit sei nicht gesagt, dass „Alles eine Frage der Zeit“ plötzlich richtig düster, mutig oder sogar kontrovers werden würde. Trotz mancher tragischer Momente und schwererer Themen bleibt der Film von Anfang bis Ende leicht; mehr noch: Er genießt geradezu seine Seichtheit, versucht sich gar nicht erst in übertriebenen Konflikten oder unheimlichen Science Fiction Momenten. Das ist Schwäche und Stärke zugleich. Während der Zuschauer sich langsam gewahr wird, keinen dunklen Plottwist mehr erwarten oder ersehnen zu können, kann er sich voll und ganz auf die lockere, manchmal trockene, manchmal komische, manchmal traurige und oft sentimentale Stimmung dieses Dramas einlassen und wird dabei mit viel Herzschmerz, gelungenen Pointen und stimmigen Lebensweisheiten belohnt. „Alles eine Frage der Zeit“ ist ein Feel Good Movie im besten Sinne des Wortes: Lieblich, leicht, perfekt katergeeignet, unterhaltsam und mit einer zwar bekannten aber dennoch schönen „Enjoy your Life!“-Botschaft gesegnet. Das zaubert selbst dem grummeligsten Zyniker ein Lächeln auf die Lippen und spielt in den besten Momenten durchaus in einer Liga mit Indie-Komödien wie Garden State. Wer Lust auf einen Film ohne Bad Vibes, mit viel Lebensbejahung und wunderschönen Momenten hat, macht mit dieser netten, kleinen und subtilen Tragikomödie nichts verkehrt.

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