Filmabend: Dream a little Dream
Das Kino ist nicht nur im metaphorischen Sinn der Ort der Träume, sondern kann dies auch wortwörtlich sein. Der Traum ist ein Motiv, das zahlreiche Filmmacher inspiriert hat: Von Tarkowskij über Fellini bis hin zu Craven und Nolan. Für unseren Filmabend unter dem Titel „Dream a little Dream“ haben wir uns einen Kurzfilmklassiker sowie drei Langfilme gekrallt, die sich auf unterschiedlichste Weise mit Träumen und Alpträumen auseinandersetzen. Dazu gibt es feine asiatische Küche, seditative meditative Drinks und passende musikalische Untermalung. Dream a little Dream with us…
Vorfilm:
Meshes of the Afternoon [Maya Deren]
(USA 1943 | 15 Minuten)
Würdevoll wird der Filmabend mit einem echten Traum-Klassiker eingeleitet. Klar 18 Minuten sind schon fast ein wenig viel für einen Vorfilm… Anyway, das fiebrige Meisterwerk „Meshes of the Afternoon“ muss man einfach gesehen haben. Ein verstörter, verstörender Trip in Alpträume, Unbewusstes und Unterbewusstes. Gearbeitet wird mit allem was träumerische Filmphantasien auch in Zukunft auffahren werden: Stop-Motion, Zeitlupe, Split-Screens, Verfremdungen des Geschehens, strukturelle Paradoxien und Irrwege… Meshes of the Afternoon ist auch so etwas wie eine stilistische und ästhetische Blaupause für das Kino des natürlich Übernatürlichen und hat daher schon allein als prototypischer Klassiker seinen Platz im Programm verdient. Wem das zu viel ist, der kann sich ja während des Vorprogramms schonmal um das Essen kümmern…
Hauptfilme:
Waking Life [Richard Linklater]
(USA 2001 | 99 Minuten)
Mit welchem Film könnte ein träumerischer Filmabend besser begangen werden, als mit Richard Linklaters surrealistischem, rotoskopisch-phantastischem Trip „Waking Life“? Dieser wurde vollkommen zurecht schon bei den besten Zeichentrickefilmen der 00er Jahre gewürdigt und verdient auch in einem gemütlichen Filmabend zum Thema Traum einen festen Platz: Anhand von scheinbar unzusammenhängenden Episoden, verzerrten Phantasien, melancholischen Gedanken und philosophischen Bruchstücken entwirft Linklater ein mächtiges Traumkaleidoskop zwischen Introspektion, expressionistischer Überhöhung und schwelgerischem Ästhetizismus. Ein phantastischer Trip, der ebenso zum Nachdenken anregt, wie er den Zuschauer einfach nur in der Leere taumeln lässt. Zwischen Geist und wunderschöner Kontemplation, zwischen Träumen und Wachen, eskapististischem Schwelgen und philosophischer Reflexion.
Inception [Christopher Nolan]
(USA 2010 | 140 Minuten)
>Kontrastprogramm: Nach dem surrealen Independenttrip wenden wir uns dem amerikanischen Big Budget Kino zu. Keine Frage, dass ein Filmabend Kontraste bieten muss, und der urbane Heist und Actiontrip über mehrere Traumebenen Inception ist vermutlich der perfekte Wachmacher nach dem weggleitenden „Waking Life“. Um wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen, der kurz darauf erneut weggezogen wird. Um sich in ein wahnwitziges Traumkonstrukt, inklusive zahlreicher Erklärungen und Deutungen hineinziehen zu lassen, das kurz darauf von Agenten, Dieben und Entführern zerschossen wird. Inception ist ein großes Actionfegefeuer, das geschickt mit seinen verschiedenen Ebenen spielt und diese zu einer adrenalinschwangeren Konklusion und Klimax führt. Es wurde so viel über die vermeintliche Intelligenz – oder eben auch den vermeintlichen Mangel an Intelligenz und Logik – diskutiert, dass man fast vergessen hat, was Inception auszeichnet; im Kontrastprogramm zu Waking Life kann diese Erinnerung aufgefrischt werden: Inception ist ein epischer Heist-Movie, der die Traum-Disposition raffiniert nutzt um einen mal unterkühlten, mal hochemotionalen Actionthriller zu erzählen. Anschnallen und mitreißen lassen.
Nach(t)programm:
Paperhouse [Bernard Rose]
(Großbritannien 1988 | 90 Minuten)
Ist noch Ausdauer da? Wenn ja, können wir uns noch von einem dritten Film mitreißen lassen, wenn nicht, wiegt uns dieser vielleicht in merkwürdige Alpträume. Trotz überschwenglichen Ebert-Lobes hat es der britische Gruselfilm Paperhouse nie über ein Nischendasein hinaus geschafft. Das mag vor allem an seinem etwas unbeholfenen Oszillieren zwischen Kinderfilm, traumatischem Horror, Psychothriller und Freundschaftsdrama liegen. Genau diese Mischung prädestiniert ihn aber auch gerade dazu einen verträumten Filmabend abzuschließen. Paperhouse – der mittlerweile immerhin schon über 20 Jahre auf dem Buckel hat – dürfte genau die richtige Mischung zwischen mitreißender Geschichte, unfreiwilliger Komik und fiebrigen Traumsequenzen bieten, um den Abend würdig zu beenden. Die Geschichte der kleinen Anna, die nachts ihr selbstgemaltes Haus besucht, dessen Umgebung sich sukzessive in eine Alptraumlandschaft verwandelt, lehrt uns noch einmal das alptraumhafte Fürchten oder das befreite Lachen oder wiegt uns mit verträumten, ästhetizistischen Bildern sanft in den Schlaf… je nach Façon.
Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.
Kulinarisches
Abendessen
Allzu schwer sollte nicht sein, was uns vorgesetzt wird. Immerhin gilt es cineastische Träume zu unterstützen. Wir garnieren das exquisite Filmmenü mit asiatischen Speisen. Zur Eröffnung gibt es eine einfache, leicht zu kochende und äußerst schmackhafte Kichererbsen-Kokossuppe. Als Hauptgericht servieren wir Pangasius mit Ingwerkruste und Kokos-Spinat. Dass es zum Nachtisch gebackene Bananen gibt, versteht sich da schon fast von selbst. Zum Essen trinken wir einen leichten, halbtrockenen Weißwein.
Fingerfood
Hier darf es ruhig ein wenig süßer sein. Klar, zum Hauptfilm Inception gehört das klassische, kulinarische Kinoprogramm: Nachos mit Dip, Popcorn, vielleicht sogar ein Bier… aber bei den anderen beiden Filmen kann es ruhig ein wenig leichter zugehen: Baisers in handlicher Form, wenn es ein wenig widerlicher sein soll, sind auch Marshmallows passend. Vielleicht sogar kurz über der Kerze angeröstet. Ansonsten alles mit und aus Kokosnuss, egal ob geraspelt oder zu Schokolade verarbeitet. Und frische Kokosnüsse, handlich geschnitten sind natürlich umso gesünder.
Passende Getränke
Gerne kann für den Rest des Abends beim Weißwein geblieben werden. Ebenfalls passend ist Absinth oder ein fluffiger White Russian. Alkoholfreien Genuss versprechen Kokosnuss- und Ananassäfte sowie ganz einfach, minimalistisch erfrischendes Mineralwasser mit Eiswürfeln und einem Spritzer Zitrone.
Atmosphäre
Was noch fehlt, ist die passende Atmosphäre. Gesehen werden die Filme selbstverständlich in der Horizontalen. Also entweder die Couch ausziehen, den Boden mit Kissen und Decken flauschig gestalten oder gleich alle Zuschauer auf dem Bett versammeln. Zur Einstimmung des Abends – sowie zu seinem Ausklang – empfiehlt sich gediegener Postrock von Tortoise, Sigur Ros oder Mogwai. Düsterer Noir-Jazz von Bohren & Der Club of Gore kann sehr schön den Nach(t)film einleiten, während lebendiger Indie Rock von Yo La Tengo perfekt für den Übergang vom ersten zum zweiten Hauptfilm geeignet ist. Zum Drogenkonsum soll natürlich niemand verleitet werden, aber eine selbstgedrehte Zigarette während des Vorfilms kann wahre atmosphärische Wunder bewirken. Die harmlosere Alternative wäre eine Shisha, die beim Bodenflauschen günstig zwischen den Zuschauern platziert werden kann. Mit frischem Fruchttabak darf diese dann den Abend versüßen.
Eckdaten:
Filmabend – Dream a little Dream
Geeignete Mitgenießer: Gute Freunde, Partner; alle bei denen man keine Scham hat sich am Boden, auf dem Bett oder der Couch eng zusammenzukuscheln
Programm: 3 Langfilme + 1 Kurzfilm + Essen
Dauer: ~ 6 Stunden
Empfohlener Beginn: 20 Uhr
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Erstveröffentlichung: 2012