Rezension zu Vollblüter – Thoroughbreds (2018)

Teenager als Protagonisten haben im Kino des 21. Jahrhunderts eine beachtliche Renaissance erlebt. Dem Vorreiter Hunger Games nachhechtend erschienen in den letzten zehn Jahren zahllose Epigonen, die alle dem selben Rezept folgten: Ein wenig Teenage Angst, ein wenig Teenage Lust, ein wenig Teenage Anger, das ganze eingebettet in ein Fantasy/SciFi-Szenario, ein bisschen dystopisch, ein bisschen utopisch und alles in allem meistens ziemlich berechenbar und für die wenigsten Zuschauer jenseits der 30 tatsächlich unterhaltend. Ein wenig in Vergessenheit geraten ist dabei ein Genre, das vor allem in den 80er und 90er Jahren einen wahren Boom erlebte und für so manchen gelungenen Teenagerstreifen gut war: Der High Society Teenager Thriller. Auch dieser folgte gerne einer gewissen, ab einem bestimmten Moment sehr überstrapazierten Formel: Protagonistinnen, die viel zu reif für ihr Alter waren, eine glitzernde, reiche und dekadente Welt, hinter deren Fassade sich dunkle Abgründe offenbarten, eine Brise schwarzer Humor und eine Menge „Heh, die da oben sind aber ziemlich verdorben“-Katharsis für das gemeine Publikum: Heathers, Eiskalte Engel und in den letzten Jahren unter anderem Stoker sind seine Vertreter. Und auch wenn die Filme dieser sehr klar begrenzten Nische allzu oft in Formelhaftigkeit und Vorhersehbarkeit abdriften, so sind sie generell doch weitaus spannendere Teenagerunterhaltung auch für Nicht-Teenager als all die Maze Runners, Divergents und Twilights der letzten Dekade.

Da die 16jährige Amanda (Olivia Cooke) alles andere als sozialkompatibles Verhalten an den Tag legt, heuert ihre Mutter die ehemalige Sandkastenfreundin Lily (Anya Taylor-Joy) an, um ihrer Tochter Gesellschaft zu leisten und sie am kompletten Abdriften zu hindern. Obwohl Amanda und Lily sich radikal voneinander unterscheiden – die eine ist labil und unsicher, während die andere gar nichts empfindet – freunden sich die beiden Upper Class Teenager doch an und merken schnell, dass sie viel voneinander profitieren können. Besonders Lily gewinnt durch die Auseinandersetzung mit Amandas eiskalter Effizienz so viel Selbstvertrauen, dass sie sogar die Konfrontation mit ihrem tyrannischen und gehassten Stiefvater (Paul Sparks) sucht. Und Amanda ist ihr nur zu gerne dabei behilflich, den Haustyrannen loszuwerden; mit einem perfiden Plan und dem Drogendealer Tim (Anton Yelchin), der sich von den beiden Mädchen leicht in ihren Komplott einbinden lässt.

Mehr als genug Stoff für einen kleinen, bissigen Teenagerflick der guten alten Schule. Allerdings kümmert sich Thoroughbreds inszenatorisch erst einmal relativ wenig um die Tradition der Coming of Age High Society Thriller. Settings und Kostüme atmen zwar den Geist des Nischengenres, in seiner Dramaturgie ist Vollblüter aber nicht um den kalten Glamour, den dieses Genre sonst auszeichnet, bemüht. Kälte und Eleganz gibt es hier zwar durchaus, darüber hinaus aber auch eine ziemlich aggressive, ungewöhnlich schroffe Herangehensweise an den Topos. Am stärksten ausgeprägt ist diese in der äußerst brutalen Charakterzeichnung, die zwar durchaus auf Nuancen setzt, aber dennoch sehr direkt prototypische Charakterelemente den einzelnen Protagonistinnen ein- und sie damit auszeichnet. Diese werden ohne Augenzwinkern und ohne großen ironischen Bruch, dafür aber fast schon pedantisch selbstreflektiert, inszeniert. Im Gegensatz zu anderen Teenagerflicks, die versuchen ihre Klischees zu verbergen, kleidet Thoroughbreds seine beiden Protagonistinnen geradezu in die Klischees, und lässt sie sogar nicht nur mit sich selbst sondern auch den Klischees, die sie repräsentieren, auseinandersetzen. Möglich wird dies vor allem durch die äußerst gelungene Schauspielleistung von Anya Taylor-Joy (The Vvitch, Split) und Olivia Cooke (Ready Player One). Diese verkörpern ihre beiden Protagonistinnen auf den Punkt und zugleich mit einer nicht zu verhehlenden Freude am Überzeichnen, in diesem Fall allerdings ironischerweise weniger durch Over- als viel mehr durch Underacting. Mitunter scheinen sie sich geradezu ein Duell zu liefern, wer kälter und undurchschaubarer wirken kann, gerne auch mal ergänzt um den Kampf um den gelangweiltsten Gesichtsausdruck kombiniert mit der dekadenteste nKörperhaltung. Macht in dem Fall aber gar nichts, passt es doch sowohl zur Geschichte als auch deren Inszenierung.

Denn diese kommt ebenfalls ausgesprochen aggressiv daher. Die Kamera verfolgt ihre Protagonistinnen mitunter beklemmend nah und labt sich geradezu an der obszönen Verfolgerperspektive. Ergänzt durch den dramatischen, düsteren Score, der ebenfalls alles andere als subtil ist, entsteht so eine äußerst dichte, klaustrophobische Atmosphäre, die in ihrer Ambivalenz zwischen ruhiger Anspannung und plötzlichen Eruptionen an Park Chan-wooks Stoker (2013) erinnert. An dieser Stelle ist Vollblüter mitunter auch ein bisschen zu sehr in seine eigene Ambivalenz zwischen beklemmender Stille und brutaler Entladung verliebt und verliert sich hin und wieder in unterkühltem, prätentiösen Pathos. Dabei sind es gerade die – etwas spärlich gesäten – humorvollen Interludien, die dem Film am besten zu Gesicht stehen. Unter all dem düsteren, beklemmenden Make Up, das der Film aufträgt, verbirgt sich nämlich ebenfalls eine fantastische schwarze Komödie, die wirklich gekonnt mit den Klischees des High Society- und Verschwörungsthrillers spielt und sich und ihre Protagonistinnen nie zu ernst nimmt. Leider wird diese Komödie aber dann doch ein bisschen zu oft unter der pathetischen, dunklen, gewollt bösen Fassade versteckt. Gerade gegen Ende gelingt es ihm aber ziemlich elegant, sich dem eigenen Korsett zu entwinden und noch einmal ordentlich gehässig in Richtung Publikum zu lachen. Dabei gelingt ihm ein angenehm fieser runder Abschluss, inklusive dem Augenzwinkern, das ihm davor hin und wieder gefehlt hat.

Thoroughbreds mag kein absolutes Meisterwerk sein, aber er ist ein äußerst unterhaltsamer, elegant in sich geschlossener Drama/Thriller/Comedy-Hybrid, der weitaus mehr Spaß zu bieten hat, als seiner unterkühlten Fassade anzusehen ist.

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