Filmabend: The Kids aren’t allright

Passend zu unserer Glorifizierung des Teenager-Films der 80er Jahre wird es mal wieder Zeit für einen ausgiebigen Filmabend, mit dem man locker ein viertel Wochenende – sprich Samstag Abend und Nacht – füllen kann. Und auch bei diesem sollen die Teenager im Mittelpunkt stehen, allerdings primär ihre dunklen und morbiden Seiten. Be afraid, the kid’s aren’t allright! Sie lügen, stehlen, morden in den schlimmsten Fällen sogar, werden zu pubertären Monstern und Unglücksbringern für die erwachsene Welt… denn sie wissen nicht was sie tun. Die folgenden Filme veranschaulichen, warum die Kids schon immer böse aber auch verloren, ohne Hoffnung waren, in den 50ern ebenso wie in den 70ern, in den 80er Jahren ebenso wie im neuen Jahrtausend. Eine kleine cineastische Zeitreise durch die Abgründe der Jugend, flankiert von passender Musik, gutem Essen und angenehmer Gesellschaft. Eben alles, was ein traditioneller Homevideo-Abend benötigt.

Vorfilm:

Scenes from the Suburbs [Spike Jonze]

(USA, 2011)

Bevor wir uns auf die Zeitreise in die 50er Jahre begeben, gibt es zur Einstimmung einen ziemlich jungen Film. Scenes from the Suburbs ist trotz seiner gerade mal 30minütigen Länge definitiv einer meiner Lieblingsfilme des Jahres 2011. Spike Jonze dreht hier nicht einfach nur ein Musikvideo für Arcade Fires – btw. großartiges – Album The Suburbs, sondern transferiert Stimmung und Motive des Albums gleich in ein eigenes, kleines cineastisches Meisterwerk. Erzählt werden die teilweise nostalgisch verklärten, teilweise düsteren Erlebnisse von Jugendlichen in einem dystopisch/utopischen Vorort Amerikas. Inszeniert wird die Spiegelung der dunklen Seiten des Teenager-Daseins in einer surrealen Geschichte, in der das Leben durch permanenten Krieg, durch ständige Militärpräsenz gefährdet ist. Meisterhaft verbindet Jonze hier traditionelle amerikanische Narration mit einer düsteren Dekonstruktion des vermeintlich unschuldigen Lebens verschiedener Teenager, was dann direkt hineinführt in eine faschistische Allegorie, in der die Subversion nichts anderes als die Parabolisierung der eigenen Ohnmacht ist, der Kampf um Glück nichts anderes als die Verzweiflung über das eigene Schicksal wiederspiegelt. Ein grotesker, surrealer aber auch wunderschöner, zeitloser – weil aus der Zeit gefallener – Teenager-Alptraum: Beängstigend, faszinierend, mitreißend… einfach nur groß.

Hauptfilme:

…denn sie wissen nicht was sie tun [Nicholas Ray]

(USA, 1955)

Und dann machen wir es erstmal chronologisch und reisen weit in der Zeit zurück, in die glorreichen 50er Jahre, als die Jugend – wie wir schnell erkennen werden – auch schon verdorben und komplett neben der Spur war. Rebel without a cause (so der Originaltitel) ist wahrscheinlich DER prototypische James-Dean-Film über die Verlorenheit der Halbstarken-Generation der 50er Jahre: Waghalsige Mutproben, Autorennen, Zweikämpfe und aufmüpfiges Verhalten gegenüber der Obrigkeit sind die Trademarks der vom Rock N Roll irrgeleiteten Teenager. Aber bereits in diesem Klassiker können wir uns darauf einstellen, was während unseres Filmabends immer wieder thematisiert werden wird: Das Verhalten der jungen Generation kommt nicht aus dem Nichts, sondern ist hausgemacht. Die Verwahrlosung der Eltern, die Ignoranz der Erwachsenen gegenüber den Ängsten und Wünschen der Teens haben ihren maßgeblichen Anteil an deren subversiven Verhaltensweisen.

The kids aren’t allright, because the parents aren’t allright as well. So ungefähr könnte man die Botschaft dieses verdammt spannenden und unterhaltsamen Outsider-Dramas zusammenfassen. James Dean ist natürlich einfach nur groß, die Geschichten mögen – projiziert auf heutige Teenagerprobleme – etwas anachronistisch wirken, sie offenbaren aber gerade deshalb die Universalität von Generationenkonflikten und rebellischer Teenager-Attitüde. Jepp, das hier ist auch Punk und No Future und Generation X und so weiter. Bleibt nicht viel zu sagen, außer: Ein großer Klassiker, ein Meisterwerk des Halbstarken-Films und ein Teenager Nightmare, der auch heute noch bestens unterhalten kann. Der perfekte Einstieg in den Abend.

Das Messer am Ufer [Tim Hunter]

(USA, 1986)

Und weiter gehts chronologisch: Von den Halbstarken der 50er Jahre hin zur Generation „No Future“ der 80er. Das Messer am Ufer habe ich schon bei den besten Teenager-Filmen der Dekade ordentlich abgefeiert. Deswegen erspare ich mir an dieser Stelle all zu große Lobeshymnen und fasse nur kurz zusammen, worauf ihr euch einstellen könnt: Eine wirklich düstere, alles andere als optimistische, viel mehr deprimierende Geschichte über verlorene Jugendliche, eine falsch verstandene, fehl geleitete Punk-Attitüde und einen Mord, der sowohl in seiner Ausführung als auch seinen Konsequenzen die Verlorenheit der gesamten Generation perfekt pointiert wiederspiegelt. Wie gesagt, Wohlfühl-Kino sieht anders aus, und gerade deswegen gehört River’s Edge mit zu den authentischsten, treffsichersten und bittersten Generationenporträts, die es in der Filmgeschichte zu finden gibt. Bereitet euch also auf Magenschmerzen, Unwohlsein und deprimierende Erkenntnisse vor. Das Messer am Ufer ist ein Meisterwerk, alles andere als leicht verdaulich, aber gerade deswegen so wertvoll.

Kids [Larry Clark]

(USA, 1995)

Und auch nach dem Sprung in die 90er Jahre, in der Darstellung einer nach wie vor existenten Teenager-Generation ,kommen die Jugendlichen alles andere als gut weg. Es hat schon seine Gründe, warum Larry Clarks düsteres Generationenporträt Kids bereits bei den provokanten Filmen der 90er seinen Auftritt hatte. Dabei dürfte ausgerechnet dieser Film, trotz naturalistischer minderjähriger Sex-, Drogen- und Gewaltszenen, das bravste – ja fast biederste – Porträt dieses Abends sein. Das liegt nicht zuletzt an der moralischen Attitüde, die immer durch die ästhetisierten Bilder von hedonistischen Jugendlichen durchschimmert. Gewalt erzeugt Gegengewalt, ruchloses sexuelles Verhalten verursacht HIV, Drogen können böse, wirklich bitterböse Folgen haben und so weiter und so fort. Larry Clark pendelt geschickt zwischen ästhetizistischer Heroisierung der Teenage Lust und der moralisierenden Darstellung schwerer Konsequenzen und übertreibt es gerade bei letzterem Moment doch das ein oder andere Mal im Laufe seines Films. Dennoch ist die ungeschminkte Perspektive auf einen verwahrlosten Teenager-Alltag in New York ein faszinierender Trip auf die Straße, in die Hinterzimmer und in die Gedanken Heranwachsender, die vom Leben wenig erwarten, sich dieses Wenige aber unbedingt  mit aller Gewalt nehmen wollen. Ein würdiger und auch krasser Abschluss des realistischen Porträt-Programms und eine gute Vorbereitung auf die nächtliche Nachhut, die noch einmal alle Horror-Register ziehen wird.

Nachtprogramm:

Ein Kind zu töten… [Narciso Ibáñez Serrador]

(Spanien, 1976)

Jepp, Horror steht auf dem Programm, und diese nächtliche Nachhut hat es auch ansonsten in sich. Fernab der realistischen Darstellung verkommener Teenager war seit jeher das fantastische Genrekino an deren potentieller Bösartigkeit interessiert. Und auch hier gibt es die netten, belanglosen Gruselstreifen und den richtig harten Stoff. Warum wir uns nicht für das gruselige Dorf der Verdammten (1960) oder die biederen Kinder des Zorns (1984) entscheiden? Einfach weil es einen großartigen, düster parabolischen Klassiker des Kids-Horrors gibt, der auch Dank der BPjS lange Zeit vergessen war und den es nun in der ungeschnittenen Variante, herausgebracht von niemandem anderen als dem großen Bildstörungs-Label, wieder zu entdecken gilt. Ein Kind zu töten… ist eine grausame, konsequent brutale Dystopie, die sich weniger um das Warum? als viel mehr um das Ob? kümmert, die ein grimmig diabolisches Szenario entwirft und dabei alle Verkommenheit dieser Welt in die Waggschale auf der einen und eine alptraumhafte kaum vorstellbare Vision in die Waagschale auf der anderen Seite legt. Die gesellschaftskritische, brutale Allegorie um mordende, der Erwachsenenwelt die Zähne zeigende Kinder ist ein fantastischer postmoderner Horrorfilm, der durch seinen dystopischen und klaustrophobischen Charme in einer Liga mit Meisterwerken wie Night of the living Dead spielt. Nichts für schwache Nerven, ein Garant für Alpträume und der bösartigste und intelligenteste Horror-Abschluss des Filmabends, den man sich vorstellen kann.

Kulinarisches:

Pizza und Quiche

Wir versuchen die Kids zu verstehen, wappnen uns aber auch gleichzeitig gegen sie. Was lieben praktisch alle Jugendlichen? Pizza! Und was hassen sie? Spinat, Spargel, Lauch… eben den ganzen Gemüsekram. Also warum nicht eine empathische Kombination aus beidem? Lecker klingt die von Lamiacucina vor kurzem erst präsentierte – von mir allerdings noch nicht ausprobierte – Spargelpizza mit Rohschinken. Wenn es keine Pizza sein soll, funktioniert auch eine mehr als gut schmeckende Spargel-Quiche, wie zum Beispiel beim Deichrunner vorgestellt. Vorteil von beidem: Kann vorbereitet, fertig gebacken und später perfekt während des Filmprogramms  auch aus der Hand genossen werden.

Knabberkram

Klar, das Standardprogramm, in diesem Fall aber eher auf der würzigen und herben Seite der Macht. Das Popcorn wird gesalzen, nicht gezuckert, die Chips gibt es mit Salz, Essig, Zwiebeln und Sour Cream, und wenn es doch etwas Süßeres sein soll, empfehle ich einfach mal die wirklich süchtig machenden Snyders Honey Mustard and Onion Pretzel Pieces.

Getränke

Zur Quiche und zur Spargelpizza passt natürlich ein guter Weißwein… Ansonsten muss man sich bei diesem Teenager-Programm nicht schämen, auch auf Teenie-Getränke zurückzugreifen: Cola, Limonaden, Alkopops…passt schon alles…

Atmosphäre:

Die Zuschauer stecken sich noch einmal in ihren jugendlichen Dresscode von einst: Bei mir bedeutet das zerrissene Jeans, Holzfällerhemd, evt. auch ne Basecap, da ich dann doch zu eitel bin, mir wieder einen Iro zu schneiden. Zum Genuss der Filme flezen wir uns ordentlich auf die Couch, in betont lässiger Kids-Haltung. Musikalisch kann der Abend eigentlich nur von passenden, dunklen Teenage-Hymnen eingestimmt werden. Zum Kochen und Gemütlichmachen hören wir uns quer durch klassischen Punk Rock, Grunge und diversen Emocore-Stuff der 90er Jahre. Nirvana, Ramones, Sex Pistols, Offspring, Patti Smith, My Chemical Romance, so lange die Verzweiflung, der Hass und vielleicht auch die Larmoyanz der Jugend hörbar bleiben, ist das alles erlaubt.

Eckdaten:

Filmabend: The Kids aren’t allright

Mitgenießer: Freundinnen und Freunde, am besten langjährige, mit denen man selbst die harte Jugendzeit gemeinsam durchlebt hat.

Programm: 1 Kurzfilm, 4 Langfilme,

Dauer: ~ 8 Stunden

Empfohlener Beginn: 19 Uhr

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Erstveröffentlichung: 2013