Die besten Tragikomödien der 80er Jahre II

Haben wir uns in der letzten tragikomischen Retrospektive noch sehr stark auf das amerikanische Kino, vor allem die Erben New Hollywoods, gestürzt, wird es dieses Mal deutlich internationaler. Mit Wish you were here begegnen wir dem stärksten britischen Dramedy-Beitrag der Dekade, mit Pauline am Strand holen wir ein bisschen französisch nostalgische Romantik in diese schwere Zeiten. Wir leiden und lachen mit der australischen Naturgewalt Sweetie, erleben in Spanien Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs und blicken in russischitalienische Schwarze Augen. Dabei sind die Filme dieser Auswahl nicht nur internationaler, sie sind auch deutlich mutiger und kurioser als ihre amerikanischen Wegbegleiter. Und bei fast allen von ihnen ist die Perspektive eine dezidiert weibliche; auch alles andere als selbstverständlich in diesem doch sehr testosterongesteuerten Jahrzehnt.

Wish you were here [David Leland]

(Großbritannien 1987)

Filme über frühreife Teenager bergen ja immer ein gewisses Risiko: Schnell wirken ihre Protagonistinnen altklug oder einfach nur unrealistisch. Dem lose auf Erinnerungen der Bordellbetreiberin Cynthia Payne basierenden Coming-of-Age-Story Wish you were here passiert dies Gott sei Dank nicht. Das liegt zum einen am exzellenten Drehbuch, das der ebenso weisen wie rebellischen Protagonistin Lynda genug Platz zum Scheitern gibt. Das liegt zum zweiten an dem herausragenden Schauspiel der damals gerade 17jährigen Emily Lloyd. Und es liegt zum dritten an dem erstaunlich gut gelungenen Balanceakt des gesamten Films zwischen Tragik und Komik, zwischen Revolutionsfantasie und optimistischem Teenagerweltschmerz-Drama. Dabei bleibt diese Tragikomödie stets zurückhaltend und bescheiden, verzichtet aus ausuferndes Geplapper und konzentriert sich stattdessen vollkommen auf seine ebenso nachdenkliche wie verzaubernde Atmosphäre. Ein kleiner Rohdiamant in einem Jahrzehnt das bevölkert war von zu albernen, zu glatten oder einfach zu uninteressanten Coming-of-Age Geschichten.

Schwarze Augen [Nikita Michalkow]

(Italien, Sowjetunion 1987)

Die italienisch/sowjetische Koproduktion Schwarze Augen – basierend auf gleich mehreren Kurzgeschichten des berühmten russischen Dichters Anton Tschechow – ist ein faszinierend ambivalenter Film. Zum einen ist er ein Epos der flüchtigen Liebe, begleitet seinen Protagonisten durch verschiedene Länder und Stationen, von einer komplizierten Ehe, über eine kleine Affäre zu einer vermeintlich großen Liebschaft. Gleichzeitig ist er aber auch ein überaus bescheidener Film, der seine großen Themen – Was kann die Liebe? – Was kann die Treue? – Was ist man bereit in ein Versprechen zu investieren? – mit zuckersüßem Charme und einem ironischen Augenzwinkern inszeniert. Er nimmt sich nicht zu ernst und es gelingt ihm dennoch in seiner Wirkkraft monumental daherzukommen. Nicht nur die raffinierte Auflösung der Handlungsknoten, auch das leichtfüßige, hintersinnige Moment seiner ganzen Geschichte geben ihm einen angenehmen, verführerischen Rhythmus, so filigran, das man fast vergisst, was für ein gewaltiges zwischenmenschliches Epos man hier vor sich hat: Tragikomödie, Liebesfilm, Bekenntnisliteratur… und doch noch so viel mehr.

Sweetie [Jane Campion]

(Australien 1989)

Und hier dann der wahrscheinlich beste australische Film der 80er Jahre. Sweetie ist ein großartiges Geschwisterdrama, in dem die beiden so unterschiedlichen Schwestern Kay und Sweetie eine Art persönlichen Kleinkrieg austragen, alles unter dem Schirm einer mal warmherzigen, mal komplett dysfunktionalen Familie. Sweetie pendelt in dieser Geschichte stets zwischen sehr ernstem, nervenaufreibendem Psychodrama und kongenialer, fantastischer Farce; manchmal ziemlich rau und dreckig, dann wieder einfach nur charmant und liebenswert. Seine Stärke gewinnt er vor allem durch die Ambiguität seiner Charaktere: Anstatt den einfachen Weg zu gehen und die Wahrnehmung seiner Protagonistin zu umarmen, konterkariert er sie viel lieber, lässt ihre Ansichten und Wünsche auch mal konsequent ins Leere laufen und verliebt sich dann auch geradezu in die ebenso skurrile wie faszinierende Antagonistin seiner Geschichte. Sweetie ist mitunter erbarmungslos, schmerzhaft und peinlich, und dennoch äußerst liebenswert, herzerweichend und optimistisch. All das, wofür das Genre geschaffen wurde.

Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs [Pedro Almodóvar]

(Spanien 1988)

Achja, Pedro Almodóvar… zu ihm gäbe es sicherlich viel zu schreiben. Wollte man gemein sein, würde man behaupten: Kennt man einen seiner Filme, kennt man alle. Das stimmt natürlich nicht, und dennoch gibt es so manchen Trademark von ihm, der sich in all seinen Werken wiederfindet. Und Mujeres al borde de un ataque de nervios (so der opulente Originaltitel) ist fast so etwas wie ein Prototyp dieser Trademarks. Also was haben wir hier? Zum einen sind es Ereignisse. Das mag banal klingen, aber Almodóvars Filme leben immer von kleinen wie großen Ereignissen, die oft unerwartet, oft außerhalb jeglichen Kontexts in die Filmhandlung eindringen. Gerade in diesem Fall macht er das exzessiv und gnadenlos. Zum zweiten ist es das Prinzip Zufall. Auch hier gilt wieder: Eine Handlungsketten muss bei dem großen Spanier nicht aus logischen Gliedern gebaut sein, es kann sich auch schlicht um arbiträre, banale und unbedeutende Elemente handeln, die dennoch eine fatale Wirkung haben. Auch diesbezüglich gilt wieder: Bei den Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs wird dies auf die Spitze getrieben. Dinge geschehen und es macht mitunter keinen Sinn, dass sie so geschehen, wie sie geschehen. Aber verflucht, macht gerade das eine Heidenfreude. Und damit wären wir auch schon beim dritten Trademark: Der Spaß. So ernst manche hier aufgeworfene Themen sind, so lausbübisch, verquer, unkonventionell und vor allem dynamisch werden sie umgesetzt. Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs ist eine Groteske, eine Farce, die sich als Drama tarnt und dann das Lachen doch nicht zurückhalten kann. Ein derber Streich über Beziehungen, Selbstbehauptungen und kleine und große Kämpfe. Vielleicht sogar der beste Film von Almodóvar, gerade weil er so ungeniert wild, laut und gnadenlos ist.

Pauline am Strand [Éric Rohmer]

(Frankreich 1983)

Alles andere als laut und aufgekratzt ist Éric Rohmers Coming of Age Geschichte Pauline am Strand. Auch hier stehen Frauen im Mittelpunkt, sowohl von der Handlung als auch die Perspektive betreffend. Das erfrischende an diesem Film ist, dass er sich immer auf dem Sprung zur klassischen Romcom zu befinden scheint und genau diesen Sprung aber nie konsequent vollzieht. Damit gibt er seinen Protagonistinnen eine Stärke und ein Selbstbewusstsein, die weit über die Frage der Partnerwahl hinausgehen. Natürlich – es sind eben doch die 80er – stehen auch viele Liebschaften in seinem Zentrum, die werden aber nie so erzählt, als ob sie für die Vervollkommnung der Protagonistinnen notwendig wären. Ganz im Gegenteil: Pauline am Strand steckt voller bemühter und scheiternder Männer, deren Gezeter sich beinahe wie eine Staffage zum Porträt der faszinierenden weiblichen Hauptpersonen aufbaut. Die gerade mal fünfzehnjährige Amanda Langlet glänzt als ebenso selbstbewusste wie suchende Pauline und Arielle Dombasle begeistert als abgeklärte und zugleich orientierungslose Marion. Eine stille und leichte, vor allem aber intelligente Tragikomödie mit einer unglaublichen Beobachtungsgabe und dem Talent, plumpe Romantikklischees aufzugreifen und dann komplett in den Wind zu schlagen.

Ähnliche Artikel