Die besten Liebesfilme der 90er Jahre II

So hier wie versprochen Teil 2 unserer Liebesfilmretrospektive der 90er. Wie schon in Teil 1 bunt gemischt zwischen Romcoms, Independent, Hollywoodkitsch und obskuren „Anti-Romanzen“…

Wild at Heart [David Lynch]

(USA 1990)

Wenn wir die erste 90er Retrospektive schon mit einem Hollywoodmärchen eingeleitet haben, dann können wir hier erstmal mit der entsprechenden Antithese durchstarten. David Lynch – Erschaffer von düsteren Trips wie Eraserhead und Blue Velvet – hat einen Liebesfilm gedreht. Und das Ergebnis ist genau das, was man sich darunter vorstellt. „Wild at heart – Die Geschichte von Sailor und Lula“ ist ein rauer und düsterer Road Movie, der nicht mit Pathos geizt, seine Protagonisten allerdings im gleichem Atemzug auf eine Fahrt in die Hölle schickt. Er ist ein abartiges und zugleich wunderschönes Kaleidoskop von Liebenden und Hassenden, Verlierern und Verbrechern, badet tief im Morast und holt von Unten die Schönheit der Liebe und des Lebens hervor. Ein heißkalter, hintersinniger, infamer und zugleich moralischer Trip in die Abgründe und die Wildheit von Herzen, die sich gefunden haben.

Aimee und Jaguar [Max Färberböck]

(Deutschland 1999)

Lieben und Leiden zu Zeiten des Nationalsozialismus: Die Romanze, schließlich Affäre und schließlich alles übersteigende Liebe zwischen einer Jüdin und einer deutschen Hausfrau in den 40er Jahren spart ebenfalls nicht an Pathos, ist zugleich aber beispiellos authentisch und scheut sich nicht davor, ihre Protagonistinnen mit Realismus und kritischem Blick zu betrachten. Aimee und Jaguar findet genau die richtige Balance zwischen tragischem Rückblick und melodramatischer bis heiterer und lustvoller Liebesgeschichte. Dank der hervorragenden Hauptdarstellerinnen auch immer mit dem nötigen Respekt für seine Protagonistinnen und dank der gediegenen Regie- und Kameraarbeit auch immer mitreißend genug, um nie in plumpe NS-Düsternis abzurutschen.

Die Brücken am Fluss [Clint Eastwood]

(USA 1995)

Mitte der 90er Jahre war Clint Eastwood (Dirty Harry) schon auf dem besten Wege sich einen Ruf als ausgezeichneter Regisseur zu erarbeiten. Ein Film, mit dem er sowohl inszenatorisch als auch darstellerisch seine Vielseitigkeit unter Beweis stellt, ist das Liebesdrama „Die Brücken am Fluss“. Eine Hausfrau wird durch den Kontakt zu einem Fotografen aus ihrem Trott heraus gerissen und erlebt die Wirren einer plötzlichen und heftigen Liebe. Was die Vorlage für allerlei Kitsch und eindimensionales Ausspielen der Freiheit gegen den Alltagstrott sein könnte, entpuppt sich als sensibles, hervorragend gespieltes Liebesdrama und Kammerspiel. Clint Eastwood bricht hier in jeder erdenklichen Form mit seinem Tough Guy Image und öffnet sich stattdessen vollkommen für humanistische und soziale Topoi. Ein spannendes und mitreißendes Melodram ohne Scheu vor großen Gefühlen und ästhetizistischen Bildern.

Fessle mich [Pedro Almodóvar]

(Spanien 1990)

Große Gefühle, die zu grotesker Obsession und Besessenheit werden, stellt Pedro Almodóvar in seinem Frühneunziger Werk „Fessle mich!“ (¡Átame!) dar. Ein krankhaft Liebender entführt eine Frau – überzeugt, in ihr die Liebe seines Lebens gefunden zu haben – und hält sie über mehrere Tage lang gefangen. Natürlich ist das dann erst einmal bitterböse, unglaublich wenn nicht sogar ungeheuerlich, wenn die Gepeinigte plötzlich tatsächlich Gefühle für den Täter entwickelt; aber Almodóvar erzählt die Entwicklung dorthin so wunderbar charmant, unverkrampft und skurril, dass der erfolgreiche Zwang zur Liebe tatsächlich nachvollziehbar wenn nicht gar romantisch wird. ¡Átame! ist ein kleiner, bösartiger, bitterer und dann doch in seiner eigenen Grausamkeit und Absurdität tiefstromantischer Film, der ohne Scheuklappen und Angst vor Tabus, Fragen nach dem freien Willen der Romantik, der Brutalität Amors und der Chance auf verquere Beziehungen aufwirft.

Ghost – Nachricht von Sam [Jerry Zucker]

(USA 1990)

Ja verdammt! Das ist kitschig, das ist ungeheuer schnulzig, das ist mitunter kaum auszuhalten big emotional und auf die Tränendrüse drückend. Ghost – die Liebesgeschichte zwischen einem umherwandelnden Toten und seiner Verbliebenen –  ist Hollywood-Gefühlskino Over the Top, inklusive innigem Töpfern zu „Unchained Melody“. Aber Kitsch kann hier und da auch karthatisch sein, befreiend und sogar bewegend, vor allem wenn er so charmant erzählt ist, wie in diesem Fantasy-Lovestory-Hybriden. Allein Whoopi Goldberg als medialer Sidekick ist schon den Genuss dieses übergroßen Liebesinfernos wert. Aber auch die schamlose Emotionalität, der naive Idealismus mit dem die Liebe über den Tod hinaus geschildert wird und die perfekt stimmige Chemie zwischen Patrick Swayze und Demi Moore machen „Ghost – Nachricht von Sam“ zu gehobener Hollywood-Liebesfilm-Unterhaltung.

Die Liebenden von Pont Neuf [Leos Carax]

(Frankreich 1991)

Mal naturalistisch und exakt, mal überstilisiert und märchenhaft, ist das wunderschöne Pariser Liebesdrama „Die Liebenden von Pont Neuf“ einer der schönsten Filme der 90er Jahre. Die Geschichte um Obdachlose, Außenseiter, Künstler und Traumtänzer bietet ein ganz und gar wundervolles Kaleidoskop der faszinierenden Straßenkultur Frankreichs. Dabei spart das Drama nicht an realistischen, sozialkritischen Darstellungen, versteht es zugleich aber auch vorzüglich – ohne geheuchelte Betroffenheit – den Zuschauer in das Millieu der Ausgestoßenen zu entführen, ihn dort lieben, leiden aber auch einfach nur staunen zu lassen. „Die Liebenden von Pont Neuf“ ist ein Fest der Sinne, ein Spiel mit Bildern und Geschichten, ein Film, nach dem man sich als Zuschauer einfach gut, berührt und befreit fühlen muss.

Sabrina [Sydney Pollack]

(USA 1995)

Nein! Wir wollen uns jetzt nicht auf Diskussionen „Original vs. Remake“ einlassen. Und nein, wir wollen nicht endlos darüber debattieren, wie bezaubernd doch damals Audrey Hepburn war, und das dies niemals wieder zu erreichen ist… Wir wollen einfach nur dieses wunderbar gesponnene Screwball-Märchen genießen, denn das hat es wirklich verdient. Denn ja verdammt, die unglaublich liebenswerte Julia Ortmond ist gar nicht so weit weg von der bezaubernden Audrey, und überhaupt wird hier so viel richtig gemacht, dass es zum Dahinschmelzen ist. Die Gags sitzen, die Funken sprühen, die Darsteller harmonieren. Und auch wenn die Geschichte “ Ehemaliges Mauerblümchen kommt als Frau von Welt aus Paris zurück“ alles andere als originell ist, so weiß uns diese märchenhafte Romcom auch im Jahr 1995 perfekt zu unterhalten – mitunter sogar weitaus schwungvoller und eleganter als das 54er Original.

Schlaflos in Seattle [Nora Ephron]

(USA 1993)

Auch hier gilt wieder: Kitsch darf sein, wenn er so charmant und leichtfüßig inszeniert ist wie in der Großstadt-Romcom „Schlaflos in Seattle“. Ohnehin verdient die Liebesgeschichte mit Tom Hanks und Meg Ryan den ein oder anderen Originalitätspunkt: So begegnen sich die Liebenden im Film selbst so gut wie nie, was es um so erstaunlicher macht, dass die Chemie zwischen beiden zu jeder Zeit stimmt und die Romanze nie in Frage gestellt werden kann. Auch die Wahl ein Kind zum Amor zu machen verdient Beifall, insbesondere wenn diese Rolle von so einem herrlich altklugen und eigensinnigen Knirps erledigt wird. Ja, Schlaflos in Seattle, ist nicht zu Unrecht zum Romcom-Klassiker mutiert, weiß Nora Ephrons Film doch perfekt zu unterhalten und nebenbei auch noch eine ganz und gar verzückende Liebesgeschichte ohne großes Tara zu erzählen.  Viel herzlicher geht es jedenfalls nicht.

True Romance [Tony Scott]

(USA 1993)

Manchmal muss man erst ein paar Leute über den Jordan schicken, bevor man sich der wahren Liebe bewusst werden kann. So läuft es zumindest bei Clarence und Alabama, einem Elvis-Presley-Anbeter und einer Prostituierten, die sich nach dem Mord an Alabamas Zuhälter mit einem gestohlenen Koffer voller Kokain auf einen irren Trip durch die USA begeben. Drehbuchautor für diese irrwitzige Anti-Romanze ist niemand geringeres als Kultregisseur Quentin Tarantino. Und dementsprechend gibt es auch zahllose nerdige Dialoge, irre Typen, viel überstilisierte Gewalt, Drogen und so weiter… Aber im tiefsten Inneren bleibt True Romance doch ein Liebesfilm – ein ungewöhnlicher zweifelsohne – aber doch ein Film, der für die Kraft der Liebe plädiert, der immer Platz für Romantik und gediegenen Pathos hat und sich auch für die Zuschaustellung echter Gefühle nicht zu schade ist.

Notting Hill [Roger Michell]

(Großbritannien 1999)

Ja… und nochmal Hugh Grant. Auch hier ist der britische Charmebolzen voll in seinem Element, irgendwo zwischen verklemmt, unbeholfen, witzig und charmant. Als Love Interest steht ihm – die nicht immer aber hier schon – bezaubernde Julia Roberts zur Seite, die als reicher und verehrter Hollywoodstar praktisch sich selbst spielen darf. Die tragikomische Romanze zwischen dem Durchschnittstypen und der angesehenen Schauspielerin ist angenehm leichtfüßig, immer mit einém sympathischen Augenzwinkern mit der eigenen Unvollkommenheit kokettierend, und nebenbei einfach herzallerliebst, märchenhaft und wunderschön.

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Erstveröffentlichung: 2011