Die besten Tragikomödien der 90er Jahre II

Weiter geht es mit dem lachenden und weinenden Auge sowie der Königin aller Genre-Mashups. In dieser Liste taucht gleich zweimal Jim Carrey auf; einmal als unfreiwillig Gefangener in einer dystopischen, gigantischen Reality TV Serie, einmal als Comedylegende Andy Kaufman. Darüber hinaus ein Beitrag zum American Dream der 90er Jahre, der sich nie so ganz zwischen Zynismus und Melancholie entscheiden kann, ein Wes-Anderson-Klassiker und ein gehässiger Brite, der nicht nur Tragikomödie, sondern auch Groteske, Thriller und noch vieles mehr ist.

American Beauty [Sam Mendes]

(USA 1999)

Wenn es – neben Matrix – einen 90er Jahre Film gibt, dem gerne vorgeworfen wird, schlecht gealtert zu sein, dass ist es Sam Mendes‘ Midlife Crisis Dramödie American Beauty. Tatsächlich gibt es so einiges, was an diesem damaligen Publikums- und Kritikerliebling heute heftiges Kopfschütteln verursachen kann. Die unkritische Darstellung des lüsternen 40jährigen, die Verbindung von Selbstfindung und plumpem Konsumismus, die Glorifizierung von Stalkertum und infantiler Selbstermächtigung… ABER, nicht nur, dass American Beauty all diese Motive maximal als Tableau für etwas Größeres dienen, er nutzt dieses Tableau auch maximal geschickt, um seinen größeren Gedanken perfekt zu inszenieren. Letzten Endes ist American Beauty fast so etwas wie der Prototyp aller „Enjoy Life“-Filme des frühen 21. Jahrhunderts, eine wundervolle Verbindung von Lachen über die Bitterkeit des Lebens und maximalem Ernst, wenn es darum geht, diese von sich zu streifen. Und am Ende eben doch vor allem ein wundervolles, philosophisches Understatement: Das Leben ist schön, wir sehen es nur manchmal einfach nicht.

Rushmore [Wes Anderson]

(USA 1998)

Im noch jungen 21. Jahrhunderts ist Wes Anderson so etwas wie big Darling des amerikanischen Independentkinos. Den Grundstein für seine Karriere setzte die wundervolle Coming-of-Age Tragikomödie Rushmore, in der Anderson auf grandiose Weise Privat School Romantik mit skurriler Gesellschaftssatire und bitterbösem Eskalationsdrama mischt. Dabei wirkt Rushmore – verortet in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts – wie so viele Filme Andersons angenehm zeitlos, aus der Zeit gefallen, in seinem ganz eigenen Zeitverständnis mäandernd und entwirft damit perfekt pointierte universell menschliche Aussagen. Getragen wird dieses kleine Juwel vor allem von Jason Schwartzman, der seinen Protagonisten mit viel Lakonie und einem omnipräsenten Augenzwinkern verkörpert. Selbst wenn man die mittlerweile etwas überreizten Topoi und Bilder von Wes Anderson über ist; dieses Meisterwerk ist es auch über 20 Jahre nach seinem Entstehen wert, neu entdeckt zu werden.

The Truman Show [Peter Weir]

(USA 1998)

Man darf nicht unterschätzen, welche fundamentale Rolle Peter Weirs Truman Show für die weitere Karriere von Jim Carrey haben sollte. Zuvor hatte Mr. Ace Ventura Dumb and Dumber The Mask den Ruf der große neue Nachwuchs-Pausenclown Hollywoods zu sein, ein Fratzenschneider und infantiler Situationskomiker, jedenfalls niemand, dem man eine ernste Rolle zutraut. In Truman Show durfte er zum ersten Mal beweisen, dass er mehr kann. Die epische Antizipation von Reality TV wäre in den Händen von vielen Regisseuren wohl zu einer absurden Satire verkommen. In denen von Weir (Club der toten Dichter) jedoch nicht. Der Veteran des großen emotionalen Blockbusterkinos findet hier genau die richtige Mischung aus Tragik und Komik und lässt Careys Truman zu einem empathischen Protagonisten werden, über den der Zuschauer weniger lachen kann, als viel mehr mit ihm Mitleid empfinden und mitfiebern. Dadurch wird Truman Show zum großen humanistischen Manifest zwischen dystopischem Drama, skurriler Komödie und großen menschlichen Gefühlen.

Der Mondmann [Milos Forman]

(USA 1999)

Wahrscheinlich die größte Schauspielleistung in Jim Carreys Karriere. Im Biopic des genialen Komikers Andy Kaufman darf Carrey einmal alles sein: Clown, Freak, beschützenswertes Kind, Bösewicht und vor allem einfach nur Mensch mit Träumen und Ambitionen. Aber auch über die Leistung Carreys hinaus ist Formans Tragikomödie eine wunderbare, episodische Mischung aus tragischen und komischen Momenten, die sich gegenseitig abwechseln, befruchten und problemlos überlappen. Das Ergebnis ist ein herrliches Zeitporträt und die einfühlsame Darstellung eines bewundernswerten Mannes, der immer ein bisschen drüber und zugleich perfekt auf den Punkt war.

Kleine Morde unter Freunden [Danny Boyle]

(Großbritannien 1994)

Das hier ist wirklich ein kniffliger Genrebastard: Danny Boyles Regiedebüt Shallow Grave ist nämlich nicht einfach Tragikomödie und erst recht nicht einfach Drama, Krimi, Thriller, Komödie oder sonst etwas. Die Geschichte von einer WG, die in einen mörderischen Strudel aus Habgier und Misstrauen hineingezogen wird, ist ein gemeiner, gehässiger und auch ziemlich dreckiger Film; eigentlich eine schwarze Komödie im beste und bösesten Sinne des Wortes. Gleichzeitig ist dieser Fiesling von einem Film aber auch eine epische Tragödie über das Ende von Freundschaft, über Narzissmus und Egomanie, die sich dabei gerne in griechische Dimensionen aufschwingt. Wie gesagt, schwer zu greifen, schwer zu fassen und noch schwerer zu kategorisieren. Aber allemal ein wunderbar perfides Erlebnis zwischen Lachen, Weinen und ja auch sehr viel Schrecken.

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