Lass das mal den Papa machen! – Rezension zu „Stromberg – Der Film“

Nicht Lars von Triers neuster provokanter Streich Nymphomaniac, nicht das abgefeierte und mit Preisen überhäufte American Hustle und auch nicht die kommenden Sommer-Blockbuster, die die Avengers, Spiderman und die Evolution vom Planet der Affen weitererzählen… Nein, ich gebe es ganz offen zu: Der Film, auf den ich mich im Kinojahr 2014 in den letzten Monaten am meisten freute, war tatsächlich die Verfilmung der selbst in Staffel 5 noch qualitativ erstaunlich konstanten Comedy-Serie Stromberg. Und an dieser Stelle gebe ich auch gleich mit zu, dass ich mich liebend gerne mit jedem streite, der Husmanns Baby für einen billigen „The Office“-Klon hält. Denn nachdem die Serie sich vom britischen Original emanzipierte – was im Grunde schon in Staffel 1 geschah – gelang es ihr, über die eindeutige Vorlage hinaus etwas spezfisch Deutsches zu erzählen und dabei kongenial zwischen Humor, Tragik, Gesellschaftskritik und toller TV-Unterhaltung zu pendeln. Ja, ich bin ein Stromberg-Fanboy, und daran konnte auch die extrem penetrante Promotion für den Film, inklusive Pro7-Dauerfeuer, peinlichen Auftritten  von Christoph Maria Herbst und nervigem Raab-Popsong „Lass das mal den Papa machen!“ nichts ändern. Dafür war das Projekt dann auch von Anfang an einfach zu sympathisch: Gefordert von den Fans, geleistet vom großartigen Ralf Husmann (der mittlerweile mit dem Tatortreiniger auch außerhalb des Stromberg-Kosmos pures TV-Gold zaubert) und finanziert mit einem raffinierten Hybriden aus Crowdfunding und Investoren-Modell. Die besten Voraussetzungen also für eine epische Cinematisierung des Mockumentary-Stoffes.

Dass die Macher dabei nicht allzu sehr vom Inszenierungsmuster der Serie abweichen, war abzusehen und wird auch gleich zu Beginn des Films – Stromberg spricht und flirtet mit der Kamera während irgendeine einschneidende Entwicklung antizipiert wird – deutlich gemacht. Dennoch soll in den stolzen 120 (!) Minuten keine bloße Serien-Exegese stattfinden und auch diesbezüglich hat „Stromberg – Der Film“ seine Büro-Überstunden gemacht. So wird das Publikum bereits in den ersten Minuten mit einer nahezu apokalyptischen Capitol-Stimmung konfrontiert, an der auch Ernies optimistischen Musical-Einlagen nichts ändern können. Das böse R-Wort – „Rationalisierung“ – steht im Raum, und wir sehen die klassischen, von der Serienvorlage bekannten Interludes ohne gemütliche Jazz-Untermalung, stattdessen düster-dokumentarisch ins Licht gerückt, während dunkle Schimmelflecken und auseinanderfallende Büro-Utensilien den Niedergang des vordergründig harmonischen Versicherungsalltags offenbaren. Die Capitol-Niederlassung, in der die geliebten Protagonisten arbeiten, soll abgefertigt werden. Rettung verspricht für den vom Hausmeister ins Bild gesetzten Bernd eine Reise zur 50-Jahre Jubiläumsfeier der Capitol. Hier will sich der Ekel-Chef irgendwie Richtung Zentrale anbiedern und damit seine brüchige Karriere retten. Also geht es – ausgerüstet mit dem traditionellen Stromberg-Anti-Charme, begleitet von der ganzen Abteilung – hinein ins Herz der Finsternis einer maroden Versicherungsgesellschaft.

Glaubt man Cast- und Crew-internem Gemunkel plante Ralf Husmann bereits nach Ende der vierten Staffel aus Stromberg einen Kinofilm zu machen und wenn man sich den jetzigen Film – der direkt an Staffel 5 anschließt – ansieht, scheint dies auch nur logisch. Tatsächlich thematisiert das Kinoerlebnis primär das selbe, was bereits die vorherigen Folgen als Vorlage für eine generelle Gesellschafts- und Wirtschaftskritik nutzten: Der Vorstand, die Chefetage, die, die noch mächtiger als Stromberg sind, sind durch die Bank oberflächlich, korrupt und verdorben. Dass dies nicht bloß überspitzte Satire sondern durchaus bittere Realität im Wirtschaftsstandort Deutschland ist, durften in den letzten Jahren diverse Bordell- und Korruptionsskandale unter Beweis stellen. und aus dieser realsatirischen Vorlage schöpft auch der Stromberg-Film reichlich. War es in Staffel 5 noch „nur“ widerlicher Chauvinismus, der die Chef-Etagen der Capitol dominierte, so ist es nun der regelrechte Exzess, der jegliche moralische Grenzen ignoriert: Die oberen Zehntausend baden im Champagner und leisten sich ein komplettes Luxusbordell, während sie darüber sinnieren, wie sie die Stellenkürzungen der gemeinen Belegschaft am besten verkaufen könnten.

Während Bernd Stromberg sich mit der prolligen Oberflächlichkeit dieses chauvinistischen Vorstands noch bestens arrangieren kann, sich mit peinlichen Auftritten gar ins Herz der verdorbenen High Society der Capitol spielt, zeigt er nach hinten heraus so manchen überraschenden Charakterzug, als er mit dem dekadenten Elend hinter den Nadelstreifen konfrontiert wird: In deren Narration gelingt es dem Film dann auch über die Charakterisierung Strombergs in der vorausgehenden Staffel hinauszugehen. War er dort noch vor allem ein Arschloch unter vielen Oberarschlöchern, der immer wieder moralisch herausgefordert wurde, ohne jedoch die Menschlichkeit in sich selbst triumphieren zu lassen, gewinnt er plötzlich etwas, was man diesem Fiesling nie zugetraut hätte: Naivität, Unbedarftheit und eine daraus resultierende ehrliche Liebenswertigkeit. Selbst dieser Bernd Stromberg, im miefigen Kosmos einer Capitol-Zweigstelle als Ober-Fiesling charakterisiert, hätte nicht mit so viel Bösartigkeit gerechnet, wie sie in den zentralen Chefetagen vorzufinden ist. In wunderbar subtilen, im Dauerfeuer des Stromberg’schen Humor versteckten Kleinstmomenten, findet der Bernd so etwas wie Menschlichkeit und seine Würde wieder. Dabei sind es gerade die kleinen Gesten, die Bernd Stromberg in diesem Film so stark machen: Ein wortloser Abgang, ein schüchternes Lächeln, ein äußerst knapper „Berthold“-Moment und ein Wechsel von den Füßen zu den Knien. Demut, nicht wie sonst vor den Brandstiftern denen er sich immer anbiedert, sondern vor seinesgleichen und denen die vermeintlich unter ihm stehen.

So grandios – und plausibel – dieser Bernd Stromberg wieder einmal erzählt wird, so sehr leiden leider die anderen Protagonisten unter der Omnipräsenz des Papas: Der eigentlich immer für lustige und tragische Momente gute Berthold „Ernie“ Heisterkamp bleibt im Film erschreckend blass, dient nur als – wie immer halb liebenswerter, halb verstörender – Antagonist für Stromberg, ohne dass sein Charakter spannend weitererzählt werden würde. Der Subplot mit Ulf, Tanja und ihrem Pflegesohn bleibt oberflächlich und ist nicht erfolgreich darin, diesen neue Charakterzüge zu entlocken. Richtig unangenehm wird der Film aber in der Demontage geliebter Statisten: So wie die letzte Staffel die Rolle des Becker unwürdig zu Grabe trug, werden nun Charaktere vergangener Staffeln peu à peu demontiert. So sehr man sich auch über das Wiedersehen mit längst vergessenen Protagonisten und Statisten freut, so ärgerlich ist es, wie deren Charaktere unplausibel und Over the Top weitererzählt werden. Einzig unterhaltsam bleibt die Demontage des heimlichen Stromberg-Verbündeten Herr Pötsch, der kreative Wege geht, um die Capitol-Rationalisierung handlen zu können. Eine weitere Ausnahme gibt es dann doch noch: Ausgerechnet die in den letzten Staffeln immer nerviger gewordene Rolle der Jennifer Schirrmann bekommt von Ralf Husmann im Film erstaunlich viel Platz eingeräumt. Und dieser wird auch genutzt für eine herrlich tragikomische Erzählung um Unsicherheit, Frust und Midlife Crisis – herausragend gespielt von Milena Dreißig -, bis zu dem Punkt, an dem man sich wünscht, mehr von der On/Off-Freundin des Protagonisten zu sehen.

Licht und Schatten also bei der – für Stromberg so elementaren – Charakterzeichnung… und wie sieht es bei Drehbuch und Inszenierung aus? Ebenfalls viel Licht, das von so manchen Schattenmomenten getrübt wird. Auffällig ist vor allem, dass sich weder Husmann noch Feldhusen von der seriell-episodischen Vorlage einer Staffel lösen können. So muss sich der Zuschauer – nachdem die erste Episode mit dem potentiellen Titel „Apokalypse in der Capitol“ sehr spannend war – durch eine langweilige, viel zu lange zweite Folge „Unterwegs im Bus“ quälen. Ist das erst einmal überstanden, bleibt Stromberg – Der Film aber trotz seiner Länge erstaunlich kurzweilig und unterhaltsam. Manche Subplots wie „Ulf steht seinen Mann“ hätten sich die Macher zwar schenken können, das Niveau der letzten Staffeln wird allerdings gehalten und mit der Darstellung der firmeninternen Exzesse gibt es sogar richtige Glanzlichter zu sehen. Hier steht Stromberg auf der Höhe seiner Erzählkunst, zwischen Humor, Tragik und bitterböser Satire, die sich besonders im letzten Drittel zur überdrehten Farce hochspitzt. Ob es dann zu viel wird, ist wohl Geschmacksache: Derart politisch, derart auf Krawall gebürstet, derart empört war Stromberg jedenfalls noch nie. Gerade der Abschluss des Films könnte auch direkt von der Titanic stammen und darf noch einmal ausspielen, wie viel Verquickung von Realität und Fiktion im Rahmen einer pseudodokumentarischen Satire möglich ist, auch wenn das Mockumentary-Set-Up auf der großen Leinwand mitunter irritierend wirkt: So einige Szenen, die im TV visuell hervorragend funktionieren wirken im Kino fast schon zu billig, zu rough und machen in den schlimmsten Momenten gar die Immersion kaputt. Hier hätte ich mir von Husmann und Feldhusen ein wenig mehr Mut gewünscht, das Stromberg-Korsett aufzubrechen und neue Erzählwege zu finden. Dies bleibt jedoch in den Ansätzen einer News-Ästhetik stecken, die dem ästhetischen, dramaturgischen und narrativen Konzept Strombergs nicht viel neues zu geben hat.

Alles in allem funktioniert Stromberg – Der Film ähnlich wie die letzten guten Staffeln der Serie. Narrativ nicht ganz so episch wie die letzte Staffel (welche Ironie, dass gerade diese größtenteils weitaus kinotauglicher scheint als der Film selbst), aber weitaus besser als die narrativen Tiefpunkte in Staffel 3 und 4. Weit entfernt von den ersten großen Staffeln, aber viel zu gut, um Fans derselben enttäuschen oder gar verärgern zu können. Nach fünf Staffeln ist Stromberg immer noch nicht altersmüde, weiß immer noch zu unterhalten, Fremdscham auszulösen, lustig, tragisch und sehr deutsch zu sein. Der Höhepunkt der hiesigen TV-Comedy-Kultur der letzten Jahre funktioniert auch im Kino. Und während die deutsche Komödien-Landschaft nach wie vor darbt, beweist Husmann auch mit seinem Kinoausflug, dass er als erzählender, deutscher Satiriker das Erbe von Gerhard Polt und Vicco von Bülow erfolgreich weiterführt. Und als nächstes will ich einen Tatortreiniger-Film sehen…

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