Die besten Tragikomödien der 90er Jahre IV

Ein letztes Mal: Lachen, weinen, auf ein versöhnliches Ende hoffen… Im letzten Teil unserer Tragikomödienretrospektive werden wir noch einmal international und historisch. Wir wandern von Amerika nach Europa, streifen französischen Lebenschic, werden mit den dunklen Seiten der italienischen Geschichte auf tragikomische Weise konfrontiert und finden komplexe gesellschaftliche Strukturen im Spanien des 20. Jahrhunderts. Ein nostalgischer Blick zurück in die 60er Jahre der USA und eine schrille Konfrontation mit Neurosen und Ängsten… aber eben auch das Überwinden der selben. Et voilà. Alles wird gut!

Der Tod steht ihr gut [Robert Zemeckis]

(USA 1992)

Nicht wenige würden Robert Zemeckis‘ „Der Tod steht ihr gut“ platterdings bei den Komödien einordnen… oder bei den Grotesken. Vielleicht sogar im Fantasygenre. Aber Hand aufs Herz: Ein Film, der so viel Verbitterung, so viel Trübsal und Lebensmüdigkeit mit sich trägt, kann nichts anderes sein als eine fiese Farce, die zwischen absoluter Tragik und urschreiender Komik pendelt. Die Geschichte um Unsterblichkeit, Schönheit, Jugendwahn und verpasste Chancen ist grimmig, hat einen bösen Sinn für schwarzen Humor, ist mitunter höllisch düster, aber eben vor allem und in erster Linie tragisch und im Subtext todtraurig. Das Zemeckis (Zurück in die Zukunft) trotzdem die richtigen Töne findet, um „Death becomes her“ nicht zur schweren Groteske werden zu lassen, liegt an seiner pointierten Inszenierung, seinem Gespür für die leisen Momente und zu guter Letzt auch am herausragenden Cast. Die schwärzeste Farbnuancierung die eine US-Tragikomödie made in Hollywood annehmen kann, bitteschön.

Das Leben ist schön [Roberto Benigni]

(Italien 1997)

Roberto Benigni ist eigentlich kein guter Regisseur. Um ehrlich zu sein ist „La vita e bella“ sogar ein einsamer Glücksgriff in einer Karriere voller obskurer, durchschnittlicher und schlechter Filme (wer sich davon überzeugen will, sollte sich mal die krude Pinocchio-Verfilmung des kindlichen Regisseurs geben). „Das Leben ist schön“ indes ist nunmal ein Meisterwerk, und was für eines. Benigni krallt sich mit dem Holocaust den tragischsten Topos des 20. Jahrhunderts und zaubert daraus eine beschwingte Tragikomödie, die die ernsten Töne nicht scheut, keine Angst vor der harten Realität hat und dennoch zu jedem Zeitpunkt eine berühren Märchennarration aufrecht hält. Zweigeteilt in einen nostalgischen, nahezu fantastischen Beginn und die dunklen Geschehnisse im Konzentrationlager oszilliert „Das Leben ist schön“ auf grandiose, würdevolle Weise zwischen Humor, märchenhaftem Charme und dunkler Geschichtsverarbeitung. Ein wundersames, wunderbares kindlich-naives und zugleich erschreckend tragisches Meisterwerk.

Besser gehts nicht [James L. Brooks]

(USA 1997)

In den 90ern war es ein wenig still um den großen Schauspieler Jack Nicholson geworden, bis dieser schließlich 1997  mit Melvin in „Besser gehts nicht“ eine der besten Performances seiner Karriere überhaupt hinlegte: Fies, neurotisch, soziophob bis soziopathisch, mitunter richtig ätzend… und dabei unglaublich sympathisch und mitleiderregend. Klar, „Besser gehts nicht“ ist schon so etwas wie eine One-Man-Show: Der Plot um den schwulen Nachbarn mit Kindheitstraumata, der kleine irre Hund, die Kellnerin mit ihrem kranken Kind; im Grunde genommen schon ziemlich um das Epizentrum des Films angeordnet. Und dennoch hat hier jeder kleinste Storyteil seine Berechtigung, fügt sich zu einem großen Ganzen, das eine wunderschöne tragikomische Geschichte vom Suchen und Finden, von Menschlichkeit, Neuanfängen und ergriffenen Chancen erzählt. Das macht „Besser gehts nicht“ zu einer empathischen, warmherzigen und vielschichtigen Tragikomödie, die keineswegs allein von Nicholson lebt, durch diesen aber erst Recht zum Meisterwerk wird.

Live Flesh – Mit Haut und Haar [Pedro Almodóvar]

(Spanien 1997)

Pedro! Wenn ein Regisseur in den letzten 20 Jahren für gehobene tragikomische Kost aus dem europäischen Raum stand, dann der Spanier Pedro Almodóvar. In Live Flesh erzählt er einen wirklich voluminösen Plot, der so manche verrückten Kapriolen schlägt, zwischen Erben der Franco-Diktatur und demokratischem Leben oszilliert und dabei wirklich schwere und dunkle Themen behandelt: Liebe, Leidenschaft, die Suche nach Glück, unglückliche Ereignisverkettungen. Aus dem Stoff von „Carne Tremula“ hätte man ebenso ein schweres Melodram stricken können. Nicht jedoch Pedro Almodóvar, der immer wieder leise Töne findet, hintersinnigen Humor einfädelt und den tragischen Geschehnissen rund um zwei Polizisten, zwei Frauen und einen kämpfenden Unglücksraben eine leichte, heitere, sanfte und vor allem lebensbejahende Note gibt. Ein ambivalenter, dichter und zugleich differenzierter Film, voller subtiler, hintersinniger Zwischentöne und raffinierter Subtexte.

Meerjungfrauen küssen besser [Richard Benjamin]

(USA 1990)

Nostalgie ist immer ein guter Topos für eine gelungene Tragikomödie. Der in den 60ern angesiedelte „Meerjungfrauen küssen besser“ ist ein Fest der Nostalgie, der schrillen und sanften Töne, der Melancholie und puren Situationskomik. Die Geschichte einer unangepassten Frau und ihren beiden neurotischen Töchtern fusioniert mit einem lebendigen Gesellschaftsporträt, das sowohl die Spießigkeit und Miefigkeit der 60er als auch deren Aufbruchsstimmung thematisiert. Zwischen heiterer Naivität, kritischem genauen Blick und melodramatischem Eifer spinnt Mermaids so seinen Generationenkonflikt entlang der Themen der damaligen Zeit, hat kein Problem damit die Skurrilitäten und Absonderlichkeiten seiner Charaktere herauszukehren und schildert diese doch mit viel Herzenswärme und Empathie. Ein gewitzter und reifer Hybrid aus pointiertem Humor und hintersinnigem Familiendrama.

Schöne Venus [Tonie Marshall]

(Frankreich 1999)

Der Film, der Amélie-Darstellerin Audrey Tautou zu ihrem Durchbruch verhelfen sollte, Schöne Venus, ist ein zurückhaltendes, nicht auf einen guten Schuss Naivität verzichtendes, Kaleidoskop der Mitarbeiterinnen und Kunden eines Pariser Kosmetiksalons. Episodisch erzählt hangelt sich der Film von Skurrilität zu warmherziger Begebenheit zu romantischem Intermezzo und findet darin doch zu einer stimmigen und immer dichter werdenden Gesamthandlung. Mit Leichtigkeit und viel Esprit erzählt er seine Geschichte und Geschichtchen, von Romantik über Eifersucht zu therapeutischer Seelenmassage und findet schließlich zu einem versöhnlichen Gesamtbild, das letzten Endes nicht mehr will, als den Zuschauer mit einem wohlig warmen Gefühl zu entlassen.

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Erstveröffentlichung: 2011